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Durch eine wunderschöne, von Fachwerkhäusern gesäumte Straße, den Steinweg, geht es auf dem Europa-Radweg R1 durch Bad Gandersheim.
Montag 8. Oktober 2012, Einbeck
Wetter: Sonnig, kalt, später ein paar Wolken, wenig Wind.
Wie wunderbar: Der Tag empfängt uns mit prallem Sonnenschein! Großartig! Aber es ist auch knackekalt, als wir um 9:15 Uhr mit unseren Rädern starten. Mehrere Schichten Kleidung sind angesagt, Fleece und dicke Handschuhe einstweilen notwendig. Allerdings haben wir zunächst nur ein winziges Wegstück vor uns. Wir wollen noch einmal kurz für eine Besorgung in das Zentrum von Einbeck - und haben dabei ja auch noch kurz die Chance, uns die wirklich schöne Innenstadt noch einmal ein wenig bei Tageslicht anschauen. Also schieben wir unsere Räder kurz ins Zentrum von Einbeck. In der Tat - eine wirklich schöne Stadt!
Am Morgen geht es für uns noch einmal kurz in das schöne Zentrum von Einbeck mit seinen vielen Fachwerkhäusern.
Den Europaradweg R1 finden wir dann hinter dem Stadtzentrum schnell wieder, stehen aber kurz danach am Stadtrand vor einer schwierig abzuschätzenden Entscheidung an einem unübersichtlichen Radweg-Richtungsschild. "Radfahrer Achtung!" heißt es da, "verkehrsarme Alternative!" - nur wird aus der darunter aufgetragenen Skizze nicht klar, welcher der Wege eigentlich die verkehrsärmere Alternative ist. Ein Schild nach rechts weist den R1 aus. Kreiensen, was am Radweg R1 liegt, ist in beide Richtungen ausgeschildert - allerdings mit drei Kilometern Unterschied. Also zücken wir heute erstmalig unsere Karte, ein Blick zeigt, was wohl gemeint ist. Für die Nebenstrecke sind dort einige heftige Steigungen und Gefälle eingezeichnet, für den Weg geradeaus ein starkes Verkehrsaufkommen. Wir entscheiden uns für die Fahrt geradeaus, auf der L487. Das erweist sich als keine schlechte Entscheidung - soo stark ist der Verkehr hier gar nicht. Er stört uns nicht weiter. Nach 10 Minuten kommen wir auf einen separaten Radweg neben der Straße, und alles ist gut.
Der Himmel bietet zu dieser Zeit ein beeindruckendes Schauspiel: Eigentlich ist er knallblau - wird hier aber durchzogen von einem bunten Strickmuster an Kondensstreifen. Das sieht recht lustig aus. Offenkundig ist die Luft auch in den Flughöhen der Jets außergewöhnlich kalt. Während ich das himmlische Schaubild hier beim Radeln betrachte, höre ich in meinen Ohren förmlich die Mahnungen der weltweiten Verschwörungstheoretiker klingen: Das sind doch alles Chemtrails - von bösen Flugzeugen ausgesprühte Chemikalien, die uns Menschen ganz systematisch und künstlich (noch mehr) verdummen sollen! Bevor ich hier jedoch anfange, mehr als an dieser Stelle notwendig über diese Verschwörungstheorie zu spotten, weise ich lieber auf den enorm starken Klimaeffekt durch Kondensstreifen aus Flugzeugen hin. Vor allem der Wasserdampf aus den Flugzeugdüsen macht das Fliegen so enorm schädlich für's Klima - hätten Sie es gewusst?
Ein kalter Tag, auch am Himmel: Ein buntes Strickmuster an sich zunehmend ausbreitenden Kondensstreifen "schmückt" das Blau des Himmels.
Auf einem Radweg begleitend zur Landesstraße L487 sind wir hier zwischen Ortschaften Volksen und Garlebsen unterwegs.
Aber wir hier radeln ja gerade ganz gemütlich in Richtung Kreiensen und sind damit in diesem Urlaub ziemlich klimaneutral unterwegs. Die leicht hügelige, sonnen-beschienene Landschaft um uns herum gefällt uns ganz wunderbar. Der Verkehr auf der Straße neben uns hält sich in Grenzen - alles ist toll, wieder mal! Gegen 10 Uhr ist es auch bereits warm genug, um uns von den dicken Handschuhen zu befreien. Eine Viertelstunde später durchqueren wir Kreiensen ohne uns hier weiter aufzuhalten. Es rollt einfach gut bei uns beiden heute.
Ein Stück weiter. Meine Liebste zieht es bei einem Warnschild für Radfahrer vor, von ihrem Fahrrad zu steigen und zu schieben: "Achtung Radfahrer! Steile Gefällstrecke 15 % mit nachfolgender scharfer Linkskurve". Der Hinweis ist angebracht und hilfreich - aber wenn man funktionierende Bremsen hat und dieses Stück mit Vorsicht angeht, dann ist das alles auch kein Problem. Aber allzu sehr rollen lassen sollte man es auf dem Stück in der Tat nicht.
Prompt kündigt sich die nächste Stadt an: Bad Gandersheim, 10.000 Einwohner. Um Viertel vor elf kommen wir in das Stadtzentrum - und beschließen sofort: Hier müssen wir eine Pause machen! Das Zentrum empfängt uns mit einer schönen, geschlossenen Fachwerkarchitektur - und sieht hiermit Einbeck sehr ähnlich (siehe oben das Titelbild und darunter das Foto aus Einbeck). Gekrönt wird der Eindruck in Bad Gandersheim dann allerdings durch die gewaltige Stiftskirche Bad Gandersheim - für die kleine Stadt fast schon unverhältnismäßig groß. Im Jahr 881 (!) geweiht ist der Dom eines der bedeutendsten Bauwerke der Romanik in Deutschland. Und, verdammt nochmal, das Ding ist einfach zu groß, um es in Gänze in meine kleine Kamera hinein zu bekommen! Da muss ich so richtig doll "stürzende Linien" wohl mal in Kauf nehmen. Ach ja, das daneben stehende Renaissance-Rathaus sollte man auch nicht übersehen! Nach einer kurzen Besichtigung (nur von außen...) haben wir schnell einen Bäcker gefunden - jaja, die Pausen sind doch immer noch das Schönste beim Radeln.
Passt nicht in meine Kamera: Die gewaltige romanische Stiftskirche von Bad Gandersheim von 881. Und auf einer Radtour hat man nicht immer die Zeit und die Muße, den besten Blickwinkel zu suchen.
Blick zum Eingangsbereich des Rathauses von Bad Gandersheim, das beeindruckend groß und prunkvoll daherkommt.
Wir sind allerbester Dinge, Bad Gandersheim ist toll - die Radtour heute lässt sich großartig an! Nach einer guten halben Stunde fahren wir weiter. Ein wenig schlängelt man sich noch durch den Ort, z.T. auf einem alten Eisenbahndamm, dann geht's wieder auf eine Straße. Ohne viel Verkehr, aber mit einer langgezogenen Steigung. Nicht allzu steil, aber- puuuh! - das zieht sich ganz schön! Von gut 140 m Höhe in Bad Gandersheim auf sieben Kilometer Strecke bis auf letztlich 330 m Höhe, zuweilen ziemlich steil.
Aber, wie es so ist, wenn man bergauf fährt: Der Blick weitet sich. Nach zehn Minuten Steigung passieren wir das Ortsschild des Dorfes Wolperode - und fahren danach nochmal knapp zehn Minuten hinauf. Doch dann, dann gönnen wir uns auf dieser abgelegenen Landstraße schon wieder eine Pause. Gerade mal eine halbe Stunde nach dem Aufbruch in Bad Gandersheim. Egal!
Ein wunderbar weiter Blick über das Harzvorland in der Nähe der Ortschaft Wolperode.
Denn der Ausblick hier ein Stück hinter Wolperode ist dermaßen schön, dass wir ihn einfach ein paar Minuten lang genießen wollen. Weit geht der Blick durch die hügelige Landschaft des Harzvorlandes. Traumhaft schön! Einer der schönsten Orte, den wir bisher überhaupt auf unseren Streckentouren erreicht haben. Das phantastische Herbstwetter heute ist natürlich ein großes Glück. Wir haben uns hier ganz schön hinauf gequält, aber dieser schöne Ort ist diese Mühe wert! Überhaupt: Je mehr Mühe man aufwendet, umso mehr kann man oft ja einen Ausblick genießen - nichts ist schöner, als eine selbstverdiente Aussicht! Unsere alte Weisheit!
Erst, als wir wieder aufgebrochen sind und ein paar hundert Meter weiter gefahren sind (und zwar weiter bergauf), kommen wir zu einem tollen Radler-Rastplatz. Wie schön - da hat jemand begriffen, dass es hier ein außergewöhnlicher Ort ist! Solche Rastplätze haben wir bisher auf der ganzen Tour nur ganz wenige gesehen. Aber wir waren hier mit unserem Standplatz eben an einer Bank auch so sehr zufrieden.
Hübsch, aber menschenleer: Die Ortsdurchfahrt von Bilderlahe.
Was man auf dem Foto der schönen Landschaft nicht sieht, ist der ungeheure Lärm von der Autobahn A7, die direkt neben den Bäumen links verläuft.
Also geht es weiter auf der ruhigen, asphaltierten Nebenstraße. Es geht noch ein wenig weiter bergauf, dann in rasanten Schleifen zügig bergab bis in die Ortschaft Bilderlahe. Durch diesen Ort rauschen wir ohne viel Aufhebens hindurch. Langsam ziehen ein paar Schönwetterwolken auf, aber Regen brauchen wir heute wohl nicht zu fürchten. Danach, nachdem wir über drei Stunden unterwegs sind, kommt das erste Stück Weg, das uns etwas auf die Nerven geht. Ein unbefestigtes Wegstück, etwas hoppelig. Dann geht's durch einen Tunnel unter der Autobahn A7 hindurch, die wir danach noch ein paar Kilometer begleiten - wobei man sich langsam von der Straße entfernt. Nach der vorangegangenen Idylle wirkt die Autobahn auf uns fast wie ein Schock: Wir begreifen bei dem irren Lärm und Getöse, was für gewaltige Einschnitte solch eine Straßen in die gesamte Region ist. Aber wir sind ja auch in Autoland unterwegs - fast hätten wir dies heute bisher vergessen. Und wir staunen, wie lange man die Autobahn noch aufdringlich zu hören ist, als wir schon ziemlich weit von ihr entfernt sind.
Auch durch die 1000-Einwohner-Ortschaft Bornhausen rollen wir zügig hindurch, danach geht es in den Wald, genauer gesagt an den Waldrand. Unsere Karte zeigt uns: Für etliche Kilometer auf unbefestigten Wegen am Harzrand entlang. Grund genug für uns, auf einer ruhig in der Sonne platzierten Bank eine Mittagspause zu machen - Proviant hierfür haben wir immer genug dabei (z.B. seit vorgestern ja prima Äpfel). Fast eine Stunde gönnen wir uns dieses sonnige, windstille Plätzchen. Fast ist es schon zwei Uhr am Nachmittag, als wir dann auf dem Schotterweg gemächlich weiter fahren. Als nächste größere Ortschaft in gut 10 km Entfernung werden wir nach Langelsheim kommen.
Auf der Strecke dorthin begegnen wir allerdings sehr sonderbaren Wegen - und unsere heute bislang blendende Laune sinkt dabei nach und nach. Eine Weile genießen wir noch schöne Ausblicke von einem kurzen Stück Asphalt aus. Aber kurz hinter dem Dorf Neuekrug-Hahausen hat der Spaß ein Ende. Es geht auf eine offenbar uralte Kopfsteinpflaster-Straße, die irgendwann mal ganz schlicht mit etwa zwei cm Asphalt überpflastert wurde. Der Asphalt löst sich natürlich auf, eine Zeitlang kann man noch auf dem Asphalt fahren - nach einiger Zeit ist alles nur knubberiger Mischmasch aus aufgelösten Asphalt und Kopfsteinpflaster. Nach vier Kilometern haben wir dieses Stück glücklich überstanden.
Auf dem Weg nach Langelsheim wird es hoppelig: Der sich auflösende Asphalt deckt das Kopfsteinpflaster kaum noch ab - nicht schön zu fahren.
Und landen direkt auf einem etwas sandigen Waldweg. Diese Strecke wird mühsam. Und es ist schnell und deutlich erkennbar, dass man sich in dieser Gegend nicht viel Mühe mit dem Europa-Radweg R1 und den Radlern geben mag. Ein kurzer Stopp für einen schönen Ausblick über das Harzvorland noch - dann stehen wir vor einem Rätsel: Etwas unerwartet gibt es ein R1-Richtungsschild, das völlig anders daherkommt. Eine Hexe empfängt uns darauf, sie radelt, hat aber natürlich auch Ihren Besen dabei, drunter steht schlicht "R1" - und der Wegweiser weist vom Weg rechts ab, direkt in den Wald. Ein kleiner, schmaler Trampelpfad. So soll hier der Europa-Radweg R1 aussehen? Ein winziger Wanderweg? Das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein, das ist ja wohl ein schlechter Witz! Mit unseren mit dem Gepäck beladenen Rädern - hier in den schmalen Pfad hinein? Das können und wollen wir uns nun so gar nicht vorstellen. Also kramen wir Karte und Lesebrille raus - und erkennen: Das ist hier in der Tat der Europa-Radweg R1! Aber wir können auch einfach geradeaus weiter ins Zentrum von Langelsheim fahren - und machen das dann natürlich auch einfach. Die offizielle Streckenführung des R1 werden wir schon wieder finden.
Ein kleiner Trampelpfad. Kaum zu glauben, aber wahr: So sieht der Europa-Radweg R1 ein paar Kilometer vor Langelsheim aus! Für die europaweiten Radler mit viel Gepäck sieht das eher wie ein sehr schlechter Witz aus. Wir entscheiden uns auch nicht für diesen Pfad und fahren mit den Rädern geradeaus direkt nach Langelsheim hinein.
Im Zentrum von Langelsheim.
Ein paar Minuten später sind wir auf wunderbarem Asphalt mitten im Zentrum von Langelsheim gelandet (die Kernstadt hat 5.000 Einwohner) - früher mit einem bedeutenden Hüttenwerk, heute mit chemischer Industrie ausgestattet. Und ebenso mit einer freundlichen Konditorin, die uns zu unserem Kaffee noch großzügig mit "Flottgebäck" versorgt, da wir dieses lokale Gebäck nicht kennen.
Die sonderbare Strecke des Europa-Radweg R1 auf dem Weg nach Langelsheim halten wir ja noch für einen Ausrutscher in der Wegführung, zunächst. Aber wir haben ja keine Ahnung, was die Radwegplaner im niedersächsischen Vorharzgebiet sich so einfallen lassen.
Der nächste schlechte Witz: Auf dem Foto nicht so richtig gut zu erkennen, aber dort drüben stehen die Schilder, die den Radweg R1 auf den kleinen Schotterweg verweisen. Wenn doch nur auf dieser Straßenseite die Leitplanke nicht wäre...
Schon ein paar Minuten nachdem wir Langelsheim verlassen haben, erleben wir wieder eine Überraschung. Den R1 haben wir in Langelsheim zwar relativ schnell wiedergefunden, es geht dann eine Weile neben einer großen Straße entlang, auf einem Radweg rechts neben der Strasse. Und das getrennt durch eine großzügige Leitplanke - so, wie beispielsweise auf dem Mittelstreifen auf Autobahnen üblich. Wir staunen nicht schlecht, als wir gerade noch so eben und eher zufällig auf der linken Straßenseite ein Radwege-Schild für den R1 entdecken, das auf einen kleinen Schotterweg links von der Straße verweist. Wie jetzt - wir sollen hier links abbiegen? Die Leitplanke hier an der Bundesstraße B82 ist an dieser Stelle sogar noch durch eine Geländer extra erhöht. Was soll denn das? Es ist ja schon blöde genug, wenn man die Beschilderung völlig abseits von dem eigentlichen Fahrtweg anbringt (hätten wir das Schild nicht zufällig noch gesehen, dann wären wir nach... Irgendwo weitergefahren). Und wenn man denn noch eine besonders großzügige Leitplanke zwischen Weg und Ziel anzubringen, dann fällt es uns schon sehr schwer, an ein Versehen in der Planung zu glauben. So etwas kann eigentlich nur durch reine Bosheit verursacht werden. Nun gut, es ist an diesem Montagnachmittag hier nicht viel Verkehr auf der Bundesstraße unterwegs und mit einem kleinen Umweg kann man die Leitplanke umfahren und sich auf die Straße schlängeln - ziemlich gefährlich, wenn hier mehr Verkehrsdichte herrschen würde. Aber, mal ehrlich: Wie blöde oder eben auch böswillig ist denn sowas?
Wir allerdings kommen sicher auf der anderen Straßenseite an, der kleine Schotterpfad verläuft direkt auf ein Waldstück zu und meine Liebste zieht es vor, bei dem kleinen, steilen Stück auf dem lockeren Schotter ein Stück zu schieben. Lange bleiben wir nicht im Wald, es geht auf einem unbefestigten Weg am Harzrand entlang - und die Aussicht ist mal wieder sehr schön.
Wir haben uns in der Gegend hier ein Ziel ein Stückchen abseits von der Route gesetzt: An den Granestausee, zur Granetalsperre möchten wir. Es muss ja nicht eine komplette Umrundung des Sees sein: Das wären immerhin 14 Extra-Kilometer. Aber unsere Karte weist eine ganze Ansammlung an Aussichtspunkten direkt an der Granetalsperre aus. Für ein paar schöne Ausblicke sind wir ja immer zu haben und den guten Kilometer Umweg nehmen wir da gerne in Kauf. Nachdem wir in der Ortschaft Astfeld noch einem Straßenschild zur Granetalsperre gefolgt sind, haben wir keine Zweifel mehr, zu dem großen See zu finden. Und doch: Wir finden ihn nicht! Er müsste fast in Sichtweite neben uns sein, na gut, er liegt wohl ein wenig höher - aber wir finden einfach keine Zufahrt, obwohl wir überall suchen und gucken! Kein Schild am R1, nirgendwo, nix! Es wird uns ein Rätsel bleiben, was hier für uns schief gegangen ist.
Aus einer Mischung aus Baustelle und Matschweg sind wir hier in der Nähe der Granetalsperre in Richtung Goslar unterwegs.
Der Radweg am Ortsrand von Goslar - wieder mal ein schlechter Witz.
Statt dessen fahren wir auf einem Weg... ja, wir wissen gar nicht recht: Ist das wirklich ein Weg, oder ist das nur eine Baustelle? Oder soll die Strecke hier wirklich so sein? Links wird der Schotterweg von einem aufgeschüttetem Sandhaufen begleitet. Daneben begleitet uns eine zweigleisige Bahnstrecke, die recht frisch erneuert aussieht. Ob auf unserem Weg noch weitergebaut wird? Auch das wird ein Rätsel bleiben. Jedenfalls wird der Weg immer schlechter, und unsere Laune auch. Eigentlich sind wir richtig ärgerlich über die Radwege hier. Nicht auszudenken, wenn es statt des strahlenden Sonnenscheins hier auch noch stürmen und regnen würde! Aber erst, als wir am Ortsrand von Goslar stehen, kapieren wir, dass wir den Granestausee tatsächlich verpasst haben... Echt komisch!
Immerhin: Goslar! Die alte Kaiserresidenz! Tausend Jahre alt ist die Stadt. 41.000 Einwohner, ohne die ganzen späteren Eingemeindungen. Also nicht allzu groß ist Goslar, und doch: Gleich zwei, voneinander völlig unabhängige UNESCO-Weltkulturerbe beherbergt die Stadt. Die komplette Altstadt mit der Kaiserpfalz gehört ebenso dazu, wie das historische Erzbergwerg Rammelsberg (die ältesten Nachweise der Nutzung des Erzes datieren auf das 3. Jahrhundert n. Chr.). Goslar - ganz sicher ein Höhepunkt an der Strecke des Europa-Radwegs R1! Ich freue mich schon darauf! Ein paar Mal war ich schon in der Stadt, in den 1980er Jahren, während meines Studiums in Braunschweig. Schade allerdings, dass uns heute die Zeit ein wenig im Nacken sitzt. Immerhin ist es schon fast 16:30 Uhr und in zwei Stunden ist es dunkel. Wir überlegen seit einiger Zeit ein wenig hin und her, ob eine Unterkunft in Goslar gut wäre - oder doch noch etwas zu früh für den guten Radfahrer-Tag?
Aber irgendwie kommt es anders, völlig anders. Die Zeit schreitet voran, also beschließen wir, den Schildern des R1 brav zu folgen - und diese sorgen sehr konsequent dafür, dass das Zentrum von Goslar nicht von lästigen Radfahrern heimgesucht wird. Wir werden auf sehr stark befahrene Straßen am Stadtrand geleitet - eher eine Qual. Mitten in den Feierabendverkehr sind wir hier geraten. Mühsam und genervt schlängeln wir uns durch - und müssen irgendwann stutzen: Wir sind schon ein ganzes Ende außerhalb der Stadt und kapieren irgendwann, dass wir gerade in Richtung Oberharz hinauffahren. Und so viel wissen wir dann doch: Das ist nun so ganz und gar nicht unsere Richtung, in den Oberharz geht der Europa-Radweg R1 nicht: Wir haben uns verfahren. Also irgendwo einen Stopp einlegen, Karte raus, gucken - ja, wir müssen umkehren, wofür wir immerhin ja einfach wieder runter rollen müssen. Und dann mal gucken, ob wir irgendwo ein Richtungsschild übersehen haben.
Nach einem kurzen Stück in Goslar finden wir uns plötzlich auf dieser Straße in Richtung Oberharz. Das kann nicht richtig sein, ein kurzer Blick auf die Karte zeigt: Wir haben uns verfahren.
Und nach ein wenig Suchen finden wir auch ein solches Schild. Und stellen fest: Das Schild muss man fast zwangsweise übersehen! Zumindest, wenn man auf der stark befahrenen Straße irgendwie auf den fließenden Verkehr achtet. Wieder so ein Schild auf der linken Straßenseite, wieder so ein ganz winziges Fahrrad-Richtungsschild, ohne Ortsangaben, an einer kleinen, leicht übersehbaren Fußgänger-Abzweigung. Was ist hier nur los am Harzrand in Niedersachsen? Langsam fangen wir an, zu fluchen und uns vorzustellen, dass da kleine Sadisten in Planungsämtern sitzen.
Doch nun sind wir erstmal in einer ruhigen Gegend am Stadtrand von Goslar unterwegs und es geht beständig und stramm bergauf. So langsam dämmert uns, dass wir wohl weiträumig um die Sehenswürdigkeiten von Goslar herum geleitet werden und wir von der Stadt gar nicht viel sehen werden. Aber es gibt derzeit irgendwie auch kein Zurück. An einer großen Jugendherberge geht es vorbei, immer weiter bergauf.
Direkt nach der Jugendherberge wird der Asphalt wieder desolat schlecht. Offenbar wird der heutige Tag wieder zu einer Durchhalteübung - wenn auch völlig anders, als die ersten beiden Tage unserer Tour. Da war allerdings das Wetter, das halt dauerhaft zu ertragen war. Heute ist es die seit Stunden furchtbare Streckenführung und Qualität der Strecke.
Der Blick auf und über Goslar hinaus ist ja ganz schön, aber eigentlich hätten wir gerne mehr vom Weltkulturerbe gesehen.
Nach einiger Zeit tut sich ein weiter, sehr schöner Blick auf - der uns aber auch zeigt, wie weit entfernt wir von dem Zentrum von Goslar sind. Wir stoppen eine ganze Weile, lassen den Blick eine ganze Weile schweifen. Immerhin sind wir hier auf 430 m Höhe hinauf geradelt. Und das ist schon ein toller Blick, hier am Rande des Landeplatzes für die Drachenflieger. In der Ferne erkenne ich die charakteristischen fünf Schornsteine des Stahlwerks in Salzgitter wieder und selbst den Schornstein des Heizkraftwerks in "meinem" Braunschweig kann ich erkennen.
Und doch: Eigentlich sind wir beide total enttäuscht, dass man uns hier soo weit entfernt von den beiden Weltkulturerben und aus der Stadt Goslar auf Distanz hält. Wir hatten und da deutlich mehr versprochen. Dann suchen wir eben auch keine Unterkunft hier in Goslar - was wir zeitweilig ja so angedacht hatten. Sowas doofes! An früheren Orten auf dem Radweg R1 waren wir ganz froh, nicht in das Ortszentrum hinein geleitet zu werden, z.B. in Gütersloh. Aber hier am Weltkulturerbe Goslar? Da sind wir schon enttäuscht. Richtig enttäuscht! Doofes Goslar!
So sieht dann der Europa-Radweg R1 bei Goslar aus - teilweise jedenfalls. Meine Liebste schiebt auf solchem sandigen, rutschigen Geläuf lieber.
Und diesen Eindruck der Gebäude-Schönheiten von Goslar nehmen wir dann auch mit auf unsere weitere Radtour.
Also fahren wir weiter, ohne Unterkunft hier - auch, wenn es schon 17 Uhr ist. Es geht weiter bergauf, der Weg wird immer schlechter. Ist zeitweilig gar nicht mehr befestigt. Nicht bestreitbar: Ein Höhepunkt ist Goslar auf dem R1 in dieser Gegend in der Tat! Allerdings allein durch die Anzahl der Meter über NN. Alles andere hier ist einfach nur furchtbar für die Radler auf dem Europa-Radweg R1 bei Goslar - ein furchtbarer Höhepunkt!
Jaja - "Europa-Radweg"! So geht man am Harz mit den Radlern aus aller Herren Ländern um...
Gegen 17:40 Uhr kommen wir dann in den 6000-Einwohner-Ort Oker. Der Ort, 1972 eingemeindet von der Stadt Goslar, ist mir noch ein Begriff aus meiner "Braunschweiger Zeit". Oker war das Zentrum der Verhüttung der im Harz geförderten Erze - die Zink-, Zinkoxid- und die Bleihütten sorgten immer wieder dafür, dass in dem kleinem Ort Smog-Alarm ausgerufen werden musste - gerne auch mal in der höchsten Stufe. Die Hütten haben inzwischen geschlossen, aber Industrie gibt es in dem Ort noch immer reichlich. Wir kommen durch eine Straße mit wirklich schönen Bergbauhäusern. Warum man die ganz frisch asphaltierte Straße in einer Art Wellblechform angelegt hat, erfahren wir bei dem Gehoppel nicht.
Auf frischem und ziemlich welligem Asphalt geht es durch eine Siedlung in der Ortschaft Oker.
Aber auch Oker hält wieder eine Überraschung für uns parat: Eine Schiebestrecke. Wir bewegen uns hier also mal ein kleines Stück sozusagen auf dem "Europa-Schiebeweg R1". Eine Treppe bergauf, die man mit seinen bepackten Rädern bewältigen muss. Aber, nun gut, zugegeben: Es gibt viel Schlimmeres, als sein Fahrrad ein Stückchen bergauf schieben zu müssen. Zu allem Überfluss hat diese Treppe noch eine scharfe 90°-Kurve, in der man die "Schiebeseite" wechseln muss. Aber mit einer kleinen gymnastischen Übung kriegt man das auch mit seinen beladenen Rädern hin - irgendwie. Und wenn man zu zweit oder mehreren unterwegs ist, dann kann man sich ja auch gegenseitig helfen.
Das ist dann ein Stück des Europa-Radwegs R1 in der Ortschaft Oker - wohlgemerkt das auf der rechten Seite ist der Radweg R1. Das ist zwar eine Überraschung auf dem Weg, aber es ist ja auch nicht schlimm, mal ein Stück zu schieben.
Wer sein Fahrrad liebt - der schiebt!
Nach diesem Höhepunkt auf dem Europa-Radweg R1 folgt rund 200 m später gleich der nächste: Ab in den Wald! Auf einer offenbar von Wassermassen gründlich ausgespülten, lockeren Schotterstrecke. Für geübte Mountainbiker ist das kein sonderliches Problem.
Aber wir sind hier auf dem "Europa-Radweg R1" nicht mit Mountainbikes unterwegs. Niemand fährt einen solchen Strecken-Radweg mit dem Mountainbike! Auf unseren Trekking-Rädern kommt spätestens jetzt richtige Wut hoch. Die nächsten etwa drei Kilometer nutzen wir dazu, die Planer und Pfleger dieser Strecke möglichst kreativ zu verfluchen, gleich dutzendweise - pro Kilometer. An Dusseligkeit, Nappeligkeit, Achtlosigkeit der Planer kann man jetzt hier nicht mehr glauben. Vielleicht fehlt trotz Millionen Touristen in Goslar ja auch nur das Geld für die Pflege der Wege - aber ob man das dadurch hereinbekommt, dass man die potentiellen Kunden vergrault?
Kurz nach der Schiebestrecke stehen wir genervt an dieser Stelle. Der Schotterweg, von Wasser total ausgespült (auf dem Foto nicht so richtig gut zu erkennen). Aber einen Ausweg finden wir auch nicht. Meine Liebste schiebt da nach einiger Zeit lieber wieder.
Nach einer Weile zeigt ein Blick auf die Karte: Da müssen wir jetzt durch. Einstweilen keine Abzweigung auf normale Straßen möglich. Meine Liebste hat auf diesem Weg zumeist einfach keinen Bock mehr, darauf noch zu radeln - ich kann das gut verstehen. Zu lästig, zu blöde, teilweise gefährlich! Sie schiebt ca. zwei Kilometer den nur schlecht passierbaren Weg. Es wäre ein Leichtes gewesen, anstatt hier verloren im Wald herumzuhoppeln, einfach auf der Straße im normalen Verkehr weiter zu fahren, die Schiebestrecke rechts liegen zu lassen. Und einfach Fahrrad zu fahren. Sehen wir - hinterher, auf unserer Karte.
Eigentlich eine Strecke des Grauens! Sollten Sie also überlegen, am Nordrand des Harzes mit viel Gepäck unterwegs zu sein, dann vertrauen Sie also niemals und keinesfalls der offiziellen Beschilderung. Vertrauen Sie einfach auf den gesunden Menschenverstand, schauen Sie hin und wieder auf eine Karte und suchen Sie ihren eigenen Weg. Ansonsten müssen auch Sie sich den Schikanen der Streckenplaner unterwerfen...
In dem etwas verschlafen wirkendes Göttingerode machen wir einen kurzen Stopp - nur um eine Unterkunft zu suchen.
Bei der erstbesten Möglichkeit verlassen wir die Hoppelstrecke auf eigene Faust, machen eine kurzen Stopp in Göttingerode - allerdings nur, um uns jetzt möglichst schnell eine Unterkunft zu sichern. Immerhin: Wir werden umgehend fündig, sehr günstig in Bad Harzburg-Bündheim. Ein paar Kilometer sind es noch bis dahin, kein Problem, auch, wenn es bereits kräftig dämmert. Wir lassen das etwas verschlafen wirkende Göttingerode ansonsten links liegen, kümmern uns jetzt nicht mehr um irgendwelche Fahrrad-Beschilderungen (die uns eh gar nicht nach Göttingerode gelassen hätten und weiter über Waldwege geleitet hätte) und biegen einfach auf einen straßenbegleitenden Radwege an der Landesstraße L501 nach Bad Harzburg hinein. Die zumindest bundesweit berühmte Galopprennbahn von Bad Harzburg passieren wir, ohne ihr viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Um 18:45 Uhr sind wir in Bad Harzburg. Die beeindruckenden Gebäude des Vollblut-Gestüts Harzburg, dessen Anfänge bis auf das 15. Jahrhundert zurückgehen, lassen uns aber doch noch einen Moment innehalten.
Beeindruckend schön: Ein Gebäude des großen Vollblut-Gestüts in Bad Harzburg-Bündheim.
Etwas glücklich ist, dass es ein so heller, freundlicher Tag ist - so haben wir noch genügend Licht. Wäre der Himmel bewölkt, dann wäre es ohne Zweifel schon richtige Orientierungsprobleme. An einem Supermarkt besorgen wir uns noch etwas zu Essen. Und sind froh, als wir um 19:15 Uhr an der sehr großzügigen Unterkunft sind. Den eigentlich üblichen Abendrundgang schenke ich mir heute. Schließlich haben wir beide noch Bedarf daran, ein wenig weiter über die Erlebnisse hier am Harz zu fluchen. Und für Essen haben wir ja gesorgt.
Und dann ist auch alles wieder gut. Völlig einig sind wir uns schnell, dass wir am nächsten Tag nicht wieder auf die niedersächsischen holperigen Waldwege am Nordharz einschwenken werden (unsere Karte zeigt, dass der R1 hinter Bad Harzburg wieder ab in den Wald geht). Wir werden erstmal unsere eigenen Wege suchen - und dann mal ausprobieren, wie es mit den Radwegen am Harz in Sachsen-Anhalt so wird.
Insgesamt ein sonderbarer Fahrrad-Tag! Wundervolles Herbstwetter, zunächst eine schöne Strecke, die reine Freude am Radeln - doch wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe! Wehe, man kommt in Niedersachsen in die Nähe des Harzes! Dort hat man als Streckenradler schlechte Karten (dies mag von Mountainbikern anders empfunden werden) und muss sich über Schrottwege quälen. Deutlicher, als in dieser Region, kann man kaum zeigen, dass einem Tourenradler lästig sind. Vielen Dank für diese Erkenntnis Langelsheim, Goslar, Oker, Bad Harzburg!
Unsere heutige Fahrt in Zahlen: Die Strecke umfasst 79,2 km, die haben wir in der Zeit von 5 Stunden 29 Minuten zurückgelegt. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit ist so lausig, wie noch nie zuvor: Lächerliche 14,7 km/h. Das hängt damit zusammen, dass es sehr viel und unangenehm bergauf geht - und dass wir heute wirklich viel geschoben haben, z.T. kilometerlang. Wo es bergauf geht, geht es auch bergab - also haben wir immerhin eine Spitzengeschwindigkeit von 45,7 km/h erreicht, aber das spielt auch keine Rolle. Insgesamt haben wir auf unserer Tour auf dem R1 jetzt 330,2 km zurückgelegt.
Der exakte Tourenverlauf wird in der (zoombaren) Karte unten der blauen Linie angezeigt.
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