Radfahren...!
Die Dänisch-Deutsche Grenzroute
  3. Tag: Ladelund - Flensburg (63 km)

Ein Fahrrad-Reisebericht
  mit 25 Bildern



Frøslev Plantage, Radweg

Ein schönes und ruhiges Stück der dänisch-deutschen Grenzroute in Dänemark: Die Frøslev Plantage.

Hier geht es direkt zum unmittelbar vorangegangenen Teil 2 des Fahrrad-Reiseberichtes der deutsch-dänischen Grenzroute: dem zweiten Tag mit der Fahrt von Højer nach Ladelund.

 

Reisebericht des Monats Oktober 2012

 

Es ist Montag, der 19. Oktober 2009, 9:00 Uhr.
Ladelund.
Temperatur: 3 Grad Celsius, Nieselregen.

 

 

Über Nacht hat sich der Himmel zugezogen und offenbar hat es auch ein wenig Regen gegeben - alles ist feucht und es nieselt auch noch leicht. Unsere Gastgeberin erweist sich ohne Frage als der "Engel von Ladelund", versorgt uns mit einem sehr üppigen Frühstück, einer Hausbesichtigung, zahlreichen Informationen über das Leben und die Nachbarschaft - sowie einem umfassenden Lunch-Paket für unterwegs. Das müsse so sein bei Radlern, erst recht im Oktober! Eine liebenswerte Person, solche Begegnungen machen Radtouren wie die unsrige erst richtig schön.

Wir verlassen das Haus um 9:00 Uhr bei glücklicherweise nur noch leichtem Nieselregen. Zu unserem ersten Ziel des Tages kann es gar nicht weit weg sein: Gegen Ende des zweiten Weltkrieges hat es im Ort Ladelund eine Außenstelle des Konzentrationslagers Hamburg-Neuengamme gegeben. Wegen extrem schlechter Bedingungen galt dieses Lager für die Häftlinge als "Todeslager". Es sollten gewaltige Panzergräben ausgehoben werden - der sogenannte "Friesenwall". Irgendeinen militärischen Sinn hatte dieses Unternehmen im Norden Schleswig-Holsteins im Dezember 1944 sicherlich nicht mehr. Von 2000 Häftlingen des Lagers Ladelund fanden in den sechs Wochen des Bestehens mehr als 300 den Tod.

Mahnmal vom Außenlager Ladelund

Das Mahnmal der KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund auf dem Gelände des früheren Lagers.

 

 

 

Wir wollen, als Start in den Tag, die Gedenkstätte besuchen. Die Beschilderungen im Ort lassen jedoch etwas zu wünschen übrig. Vielleicht sind wir auch einfach noch nicht wach genug, jedenfalls haben wir einige Probleme, die Gedenkstätte zu finden - aber letztlich landen wir doch an dem kleinen, aber doch eindrucksvollen Ort des Grauens.

Nach einem kurzen Aufenthalt stellen wir fest: Radeln lässt es sich heute gut. Es gibt nur wenig Wind und es ist ein wenig wärmer, als am Vortag. Leider geraten wir, mangels vernünftiger Beschilderung (oder so...), auch nach der Gedenkstätte auf den falschen Weg... Auf der Straße fahren wir, allerdings gibt es wenig Verkehr, so, dass wir auch ohne Radweg einigermaßen gemütlich radeln können.

 

 

 

Und: unsere falsche Route hat zur Folge, dass wir an einen dieser vielen kleinen Hofläden geraten, die es in dieser Gegend immer wieder an der Straße gibt, und wo man zumeist etwas Obst, Gemüse, Eier oder ähnliches erstehen kann. Bezahlen tut man dann in eine "Kasse des Vertrauens". Viele dieser Läden hatten wir schon gesehen, eigentlich nie sonderliches Interesse daran gezeigt. Was sollen wir auf dieser Tour, mit unseren vollen Satteltaschen, noch mit Kartoffeln, Kohl oder Zwiebeln?

Dieser kleine Laden bei Bramstedtlund jedoch zog sofort unsere Aufmerksamkeit auf sich. War er doch hübsch und liebevoll gestaltet, nicht so überladen. Vor allen Dingen Marmeladengläser zogen unsere Aufmerksamkeit auf sich: Insgesamt 16 verschiedene Sorten selbstgemachter Marmeladen, das Glas zu jeweils 1,50 Euro. Das teilweise eingemachte Gemüse entgeht unserer Aufmerksamkeit. Zunächst.

Hofladen bei Bramstedtlund

Ein netter, kleiner Hofladen in Bramstedtlund. Kleiner Tipp: nehmen Sie den Kürbis-Salat!

 

 

 

In Windeseile haben wir "ein paar" interessante Marmeladen-Sorten herausgesucht - wohl etwa die Hälfte des Angebots! Als gerade ein richtiger kleiner Streit bei uns entbrennt, welche Sorten wir bei unserem sehr knappen Platz denn nun mitnehmen (der Stand war gerade: jeder versucht, zwei Sorten seiner Wahl in seinem Gepäck unterzubringen!) gesellt sich der Hausherr zu uns, grüßt knapp, bleibt ansonsten eher wortkarg und amüsiert sich sichtlich über unsere Diskussion. Diese wird nun allerdings gemäßigter fortgesetzt...

Nach einiger Zeit merkt er an, dass, also, ja, wenn er uns einen Tipp geben dürfe, dann würde er uns vor allen Dingen den Kürbis-Salat empfehlen. Der sei wirklich ein Gedicht! Wir schauen ihn fragend an, beide. Ja, herzlichen Dank für den freundlichen Hinweis, aber wir hätten auf unseren Fahrrädern leider, leider eh kaum noch Platz für die gewünschten Marmeladen. Wortlos dreht er sich um und geht ins Haus. Nun schauen wir uns gegenseitig fragend an.

Mühsam versuchen wir, die jeweils zwei auserkorenen Marmeladen in unseren eigentlich schon vollen Gepäcktaschen zu verstauen und das passende Geld zusammenzusuchen, da kommt der Hausherr wieder aus dem Haus. Er stapft gemütlich zu uns, in der Hand einen kleinen Teller mit etwas darauf, und eine Gabel. Wir mögen doch bitte mal den Kürbis-Salat probieren. Seine Frau stünde gerade in der Küche und würde neuen zubereiten. Das würde uns bestimmt schmecken!

Recht hat er - der gute Herr präsentiert uns hier einen kleinen kulinarischen Hochgenuss! Also muss nun auch noch ein Glas Kürbissalat mit - und wenn es in der Jackentasche sein muss! Irgendwie geht das dann auch tatsächlich. Ob wir denn auch noch seine Gabel mitnehmen möchten? Damit wir den Salat dann auch essen könnten? Nein, vielen Dank, damit sind wir bereits ausgestattet...

Er wünscht uns dann noch eine gute Fahrt... Ach, ich mag diese manchmal etwas spröde, hintersinnige und wortarme, aber stets freundliche und unaufdringlich Art der Schleswig-Holsteiner! Schon sind wir wieder auf unseren Rädern und auf dem Weg, der zugleich auch unser Ziel ist. Zwar sind wir momentan noch nicht wieder ganz auf dem richtigen Weg - aber der wird sich schon wieder finden...

Die Beschilderung der Grenzroute ist, gerade auf der deutschen Seite, zuweilen etwas spärlich. Ist man einmal, wodurch auch immer, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, von der Route abgekommen, so ist es zuweilen sehr schwierig, den richtigen Weg wieder zu finden. Als besonders hinderlich erweist sich, dass auf der deutschen Seite die Fahrradschilder oftmals nicht eindeutig bezeichnet sind. Man weiß längst nicht immer, ob das Schild nun die Grenzroute, den Nord-Ostsee-Radweg oder womöglich auch irgendeine andere Radstrecke, vielleicht ja eine lokale, beschildert. Auch kann es durchaus mal passieren, dass man sich unsicher ist, in welche Richtung man fahren muss. Die deutschen "Spar-Versionen" der Fahrradschilder sind oft einfach nur Mist! Auf der dänischen Seite ist das anders, hier sind alle Beschildungen klar und eindeutig. Einfach besser!

 

 

 

Das Abweichen von der offiziellen Route hatte sich für uns ja schon gelohnt, durch den spektakulären Hofladen. Nun fahren wir noch an etwas interessantem vorbei: Einer gigantischen, fast mysteriösen Antennenanlage in einer militärisch anmutenden Anlage. Was das wohl ist? Wer hier im äußersten Norden Deutschlands wohl abgehört und/oder angefunkt wird? Es bleibt uns völlig rätselhaft - und ich beschließe, dies dann zu Hause zu erforschen... (Anmerkung: Und diese Nachforschung ergab, dass es sich hierbei in der Tat um eine militärische Abhöranlage handelt. Die riesige Antennenanlage, früher einmal mit dem netten Tarnnamen "Kastagnette" versehen, mit einem Durchmesser von 410 Metern wird "Wullenwever-Antenne" genannt und wird heute heute vom Fernmeldeaufklärungsabschnitt 911 der Bundeswehr betrieben)

Radweg bei Neupepersmark

Auf ruhigen Radwegen geht es durch die typische, flache Landschaft der Region.

 

 

 

Irgendwann, irgendwie haben wir jedoch auch die "richtige Grenzroute" wiedergefunden - wir wissen gar nicht genau, an welchem Ort. Aber es macht ja auch nichts, wir können ja Karten lesen, und schlagen uns schon durch... Aber das Schöne an der "offiziellen" Streckenführung ist ja schließlich, dass man immer wieder mal Informationsschilder auf dem Weg hat, die auf etwas Besonderes hinweisen und einem etwas erklären.

Und, obendrein, wie wunderbar: Der Himmel klart auch wieder auf. Wir haben wirklich Glück mit dem Wetter auf dieser Tour! Es ist längst nicht selbstverständlich, im Oktober bei so viel Sonnenschein durch die Lande zu fahren!

Zwischen Neupepersmark und Pebersmark geht es dann - endlich, nach schon eineinhalb Stunden Tour! - mal wieder nach Dänemark. Man bekommt auf dieser Tour manchmal schon fast Entzugserscheinungen, wenn man nicht alle paar Stunden über die Grenze kommt... Wurden wir bei unseren Grenzquerungen nach Dänemark hinein zuletzt immer von der "Tønder Kommune" begrüßt, so hat sich dies hier jetzt verändert. Wir sind weiter nach Osten gefahren und kommen jetzt also in die "Aabenraa Kommune".

Es geht ein ganzes Stück auf der Hauptstraße entlang, aber die Dänen erweisen sich wieder als rücksichtsvolle Autofahrer. Wieder fällt uns sofort auf, dass die Häuser hier zumeist prachtvoller sind, als auf der anderen Seite der Grenze. Der Wohlstand ist hier in Dänemark augenscheinlich etwas höher.

Straße bei Rens

Nebenstraße in der Gegend der dänischen Ortschaft Rens.

 

 

 

Nach einem Schlenker durch Rens geht es in Bögelhuus wieder zurück nach Deutschland. Ein Hinweisschild für die Radler verweist wieder einmal auf eine amüsante Grenzanekdote hin (einem deutschen Bauern war eine Kuh abhanden gekommen, die sich dann auf der dänischen Seite wiederfand. Da Kühe in den 50er Jahren, im Gegensatz zu Arbeitspferden, keine eigenen Pässe hatten(!), gestaltete sich die Rücküberführung nach Deutschland sehr kompliziert und schwierig. Details dieser Geschichte siehe hier). Insgesamt zeigen diese aufgeführten Anekdoten der deutsch-dänischen Grenze, wie schwierig das Verhältnis zwischen den beiden Staaten in der Zeit zwischen den beiden Kriegen sowie erst recht in den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg tatsächlich war. Erst in den 1970er Jahren näherten sich beide Staaten wieder an und das Verhältnis wurde entspannter, was durch erhebliche Förderungsmöglichkeiten in der EG bzw. der EU in den 1980er Jahren deutlich intensiviert wurde.

Wieder ein Grenzübertritt, diesmal zwischen Lille Jyndevad und Weesby, wieder eines dieser winzigen Grenzerhäuschen auf dänischer und ein großes Zollhaus auf deutscher Seite. Wie sich die Übergänge doch gleichen! Im deutschen Grenzort Weesby wird man auf einer schon fast verwirrenden Infotafel auf die unübersichtliche Sprachenvielfalt in dieser Region hingewiesen: Es wird Deutsch, Dänisch, Sønderjysk (=Plattdänisch), Plattdeutsch und Friesisch gesprochen. Darüber hinaus scheint es auch beliebige Kombinationen dieser Sprachen sowie zahlreiche Dialekte zu geben. In früheren Zeiten sind Kinder hier zuweilen mit dem Erlernen von fünf verschiedenen Sprachen aufgewachsen. Wahre Sprachkünstler!

Straße bei Jardelund

(Meistens) Freie Fahrt auf der Grenzroute. Hier kurz vor Jardelund.

 

 

 

Der Schlenker durch deutsches Gebiet ist diesmal ausgedehnt, führt außer Weesby noch durch Jardelund. Manchmal weiß man gar nicht mehr so recht, in welchem Land man nun eigentlich ist. Wenn denn, wie in Jardelund vor einem alten Gasthof, vor Häusern in Deutschland die dänische Fahne Dannebrog weht, dann wird es verwirrend: "Huch, sind wir doch schon wieder in Dänemark???"

Eine Obstwiese - Betreten erwünscht

Bemerkenswert, in der Nähe von Jardelund: Eine Obstwiese. Sehr gemütlich eingerichtet! Und, das Besondere: Versehen mit einem Schild "Betreten erwünscht!". Schade, dass wir gerade einen Kilometer zuvor eine ausgiebige Pause gemacht haben!

 

 

 

Ach nein, wir sind noch in Deutschland - und kurz hinter Jardelund begegnet uns wieder mal eine entzückende Idee: Ein großes, abgezäuntes Areal mit noch recht jungen Obstbäumen, gemütlich mit Bänken ausgestattet, einem großen Eingang und einem Schild "Unsere Obstwiese - Betreten erwünscht!" Wie schade, dass wir gerade eine Pause gemacht hatten und darum diese Einladung ausschlagen. Denn heute haben wir nicht nur den Weg als Ziel, sondern auch einen Ort, zu dem wir wollen: nach Flensburg!

Über ausgesprochen ruhige und friedliche Nebenstraßen schlängelt sich der Weg wieder in Richtung Dänemark. Der Himmel zieht sich wieder zu, aber es bleibt trocken. Wenn man ohne weitere größere Störungen so vor sich hin radeln kann, dann schafft man schon einige Kilometer - und schneller, als man so denkt ist man wieder in Dänemark, über den Grenzübergang zwischen dem deutschen Fehle und dem dänischen Sofiedal.

Straße bei Kragelund

Schöne Straße bei Kragelund - in Dänemark.

 

 

 

Wieder ein kleiner und unspektakulärer Grenzübergang - wieder mit einer kleinen, aber interessanten Grenzgeschichte. Noch nie in meinem Leben habe ich binnen so weniger Tage so viele Grenz-überschreitungen hinter mich gebracht. Wenn man sich aber hier so zwischen den Grenzstationen bewegt, dann merkt man deutlich, dass es gar nicht immer die großen, weltbewegenden Geschichten sein müssen, die anrührend sind. Auf den Informationstafeln wird oft in ganz kleinen Beispielen Geschichte erzählt. Man bekommt ein Gespür dafür, wie mühsam das Leben durch die 1920/21 urplötzlich mitten in diese Region hinein verlegte Staatsgrenze für etliche Menschen wurde. Und man bekommt dadurch eine gute Ahnung davon, wie schön und extrem angenehm der jetzige Zustand ist - nämlich, dass man die Grenze ohne jegliche Formalitäten oder weitere Mühe überqueren kann. Einfach so! Es wird einem gewahr, dass dieser bequeme Zustand längst keine Selbstverständlichkeit ist! Und darum um so schützenswerter!

Weiter geht es wieder durch Dänemark. Die Gegend: ganz leicht hügelig (kein Problem beim Radeln) und landwirtschaftlich geprägt (wie die ganze Zeit schon). Ab und zu gibt es etwas Wald.

Frösleelager der Nazizeit

Und plötzlich, wie aus dem Nichts, ist man mitten in dem schönen Wald der Frøslev Plantage wieder in der knallharten deutschen Geschichte in Dänemark gelandet. Das Frøslevlejren (das "Frösleelager") wurde von der deutschen Sicherheitspolizei 1944 als Gefangenenlager errichtet. Die Grenzroute geht mitten durch das Lager hindurch - und das ist gut so, bietet es doch Raum für etwas Nachdenklichkeit. Heute gestaltet hier unter anderem Amnesty International Museumsausstellungen.

 

 

 

Ein solches Waldstück führt uns geradewegs wieder zu einer geschichtlich interessanten Stelle: Dem Fröslee-Lager (Frøslevlejren), einer nationalen Gedenkstätte in einem im August 1944 von den Deutschen eingerichteten Polizeigefange-nenlager auf dänischer Seite. Insgesamt für 1.500 Insassen gebaut, wurden hier bis zu 5.500 Menschen zeitgleich zusammen gepfercht. 220 Häftlinge fanden unter den deutschen Bewachern den Tod, 1.600 wurden nach Deutschland deportiert, die meisten wohl in das Konzentrationslager Hamburg-Neuengamme. Die erhalten gebliebenen Baracken erfahren mittlerweile verschiedene Nutzungen. Neben einem Museum zur Geschichte des Lagers finden sich verschiedenste Ausstellungen: Von Amnesty International, dem dänischen Zivilschutz bis zu einer Naturausstellung. Ein längerer Aufenthalt an diesem Ort ist sicher interessant und lohnend - wegen der fortschreitenden Zeit bleibt uns hierfür heute jedoch nicht wirklich Gelegenheit. Wir wollen ja nach Flensburg, es ist bereits 14 Uhr. Nicht mehr lange und die Dämmerung zieht im Oktober schnell heran!

eine Kreuzotter auf dem Weg

Wieder zurück im Wald der Frøslev Plantage können wir in aller Ruhe eine Kreuzotter beobachten - irgendwann werden wir ihr jedoch zuviel und sie schlängelt sich davon.

 

 

 

Unser Weg führt uns weiter durch den Wald, die Frøslev Plantage, auf einer recht schotterigen Strecke. Einige Sorgen mache ich mir ob der groben Steine, über die wir hier radeln. Wie schnell hat man sich an den scharfkantigen und spitzen Steinen ein Loch in den Reifen gefahren! Aber alles geht gut - und Ablenkung finden wir bei einer kleinen Naturbegegnung: Meine ca. 30 Meter vor mir radelnde Liebste hält plötzlich inne und schaut auf den Boden. Mein erster Gedanke: sie hat sich tatsächlich einen Platten gefahren! Aber nein - sie hat eine auf dem Boden aufgeringelte Schlange entdeckt. Nicht allzu groß, braun gefärbt, mit einem markanten Muster auf dem Rücken (anhand der Fotos erkennen wir später eindeutig: eine Kreuzotter). Wir gesellen uns langsam zu der Schlange und beobachten sie eine Weile. Dieser gefällt dies recht bald jedoch überhaupt nicht mehr: zügig "schlängelt" sie sich runter von dem warmen Weg in das flache Gestrüpp am Wegesrand. Als wir dann immer noch nach ihr schauen, gibt sie leicht fauchende Geräusche von sich - irgendwie ja niedlich, aber durchaus auch beeindruckend. Wir beschließen daraufhin, sie doch besser einfach in Ruhe zu lassen und radeln weiter durch das schöne Stück Wald...

Schlagbaum

Ein Schlagbaum am "Ellund Mosevej" in der Nähe von Vilmkær (also wieder in Dänemark), der nach einer Wegverlegung gar nicht mehr benötigt wurde - aber doch ungenutzt stehen blieb. Das Feld links gehört zu Deutschland, der Standpunkt ist in Dänemark und gestoppt wurde durch den Schlagbaum seit 1950 nichts mehr...

 

 

 

An der dänischen Grenzstation Vilmkær gibt es mal wieder eine kleine Grenz-geschichte: Ein auf der dänischen Seite liegender Bauernhof hatte seine Felder nach der Grenzziehung 1920 plötzlich jenseits der Grenze, also auf der deutschen Seite. Das in Deutschland geerntete Korn oder Gemüse durfte natürlich nicht zollfrei auf den Hof nach Dänemark gebracht werden. Und die deutschen Erntehelfer durften nicht in das in Dänemark gelegene Wohnhaus, auch die Arbeitspferde aus Dänemark durften nicht auf den deutschen Feldern arbeiten... Absonderlich!

Wieder auf der deutschen Seite, steht für uns eine Entscheidung an: Folgen wir der Verlauf der Grenzroute weiter ganz konsequent durch Padborg und Kruså bis nach Flensburg und nehmen in Kauf, erst im Stockdunkeln dort anzukommen, und dann dort eine Unterkunft zu suchen? Oder biegen wir einfach ab, Richtung Harrislee, sparen rund 10 Kilometer Weg und fahren direkt nach Flensburg?

Wir entscheiden uns für letzteres. Kurz hinter der Grenze werden noch 10 km bis nach Flensburg ausgeschildert. Das erscheint uns eine angenehme Strecke in der langsam aufziehenden Dämmerung.

Auf einem Radweg entlang der stark befahrenen Landesstraße L192 hatten wir gar nicht mit dem entnervenden Lärm durch die zahlreichen Autos gerechnet - aber da müssen wir nun durch. Was für ein entsetzlicher Unterschied zu der ruhigen, gemütlichen Grenzroute die drei vorangegangenen Tage!

Nicht gerechnet hatten wir auch mit einer völlig planlosen bzw. fehlenden Fahrrad-Beschilderung in Harrislee! Eine ganze Weile irren wir in dem Ort umher, fahren um diese Ecke und um jene, um irgendwo einen ausgewiesenen Fahrradweg in Richtung Flensburg zu finden. Irgendwann haben wir einen Wegweiser gefunden, der in sonderbar abgelegene Wohnsiedlungen führt - und dann nicht mehr weiter nachverfolgbar ist. Wie blöde!! Kurz vor unserem Ziel "Flensburg" verlieren wir hier in dem Ort völlig die Orientierung. Doofes Harrislee!! Offenbar will man Radler, die hier landen, nie wieder aus dem Ort heraus lassen!

Da bleibt also nur, sich an der Beschilderung für die Autostraßen zu orientieren - um den Preis, wieder auf dem Radweg an einer dicken, fetten, lärmenden Autostraße entlangzufahren. Nach Tagen auf abgelegenen Wegen wirkt der infernalische Lärm dieser Straßen wie ein Schock auf uns. Unser ersehntes Ziel empfängt uns also mit einem Schock...

Denn: irgendwann kommen wir, der fetten Straße folgend, tatsächlich nach Flensburg. Nicht, ohne über eine langgezogene Schussfahrt mit einer Höllengeschwindigkeit wieder auf Meereshöhe hinabzusausen. Die Bremsen bestehen glücklicherweise den Belastungstest vor einer roten Ampel, die sich plötzlich vor uns präsentiert.

Und dann sind wir auch - von den letzten paar Kilometern ziemlich entnervt - schon direkt mitten in Flensburg, wir schieben unsere Räder durch das Wahrzeichen der Stadt, das Nordertor, auf das wir direkt zugefahren kamen. In der Folge schieben wir unsere Räder weiter, froh, Flensburg erreicht zu haben. Erstmal einen Kaffee! Heute hatte es auf dem ganzen Weg hierhin tatsächlich keine einzige Möglichkeit für einen Kaffee gegeben.

Die ausgeguckten privaten Unterkünfte sind allesamt telefonisch leider nicht erreichbar, aber in einem Billighotel in der Nähe vom ZOB und in Sichtweite der Flensburger Förde hat man noch Platz für uns. Und, ziemlich improvisiert, für unsere Fahrräder. Immerhin!

 

 

 

Ein abendlicher Bummel zeigt schnell, dass Flensburg eine wirklich schöne Stadt ist! Wir fühlen uns hier jedenfalls spontan wohl. Ein eiskalter Wind beisst uns allerdings kräftig ins Gesicht, aber wir sind froh, dass wir nach 63 Kilometern am heutigen Tag unser Ziel der Tagesetappe erreicht haben. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt heute gerade mal 14,7 km/h - aber da ist das Schieben der Räder im Fröslee-Lager oder auch in Flensburg mit eingerechnet.

Endpunkt der dänisch-deutschen Grenzroute

Für uns der Endpunkt der Radtour: An der Hafenspitze von Flensburg ist der offizielle End- bzw. auch Startpunkt der dänisch-deutschen Grenzroute, das Schild mit der Markierung der Route (rechts unten) weist nur noch in eine Richtung - aus der wir kamen. Ein würdiger Ort.

 

 

 

Ein wenig andächtig gehen wir noch nachts zu Fuß zur Spitze der Flensburger Förde. Dort treffen wir auf etwas Vertrautes: Eine Infotafel der deutsch-dänischen Grenzroute - hier ist, je nach Sichtweise, der offizielle Start- bzw. Endpunkt der Tour. Einen Schlenker der Grenztour nach Padborg und Kruså haben wir zwar verpasst, selber jedoch den einen oder anderen auch extra gemacht. Insgesamt einfach eine schöne, nicht sehr fordernde Fahrradstrecke, die vor allem durch ihre lustigen und nachdenklichen Geschichten rund um die Grenze interessant wird!

Zu fortgeschrittener Stunde beschließen wir, dass sich für den morgigen Tag eventuell noch eine Tagestour anbieten würde, die nur wenig mit der dänisch-deutschen Grenzroute zu tun hat: Von Flensburg nach Aabenraa (früher auf deutsch Apenrade) und zurück. Dabei würden wir auch ein versäumtes Stück Grenzroute noch nachholen. Mal sehen, wie das Wetter ist - und ob wir unseren Aufenthalt in dem Hotel um eine weitere Nacht verlängern können, was ja für einen längeren Aufenthalt benötigen würden...

 

 

Hier geht es direkt zum unmittelbar folgenden Teil 4 des Fahrrad-Reiseberichtes - diesmal nicht auf der Grenzroute: Dem vierten Tag mit einer Tour von Flensburg nach Aabenraa (Apenrade) - und zurück nach Flensburg.

 

Und hier schließlich kommen Sie zu meiner externen Bilderserie über die gesamte Tour mit 64 großformatigen Fotos (öffnet in einem neuen Fenster).

 

 

 

 

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Dirk Matzen

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