Reisebericht Reykjavík im Winter:
  "Schnupperkurs Island": Fünf Wintertage
  in Reykjavík im Januar

Ein Reisebericht aus Reykjavík, der Hauptstadt von Island, mit Ausflügen zur Blauen Lagune und zum Golden Circle. Eine Reise im Januar 2011
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Abendstimmung über Reykjavik

Abendstimmung über Reykjavík: Der Himmel ist einer der Stars der Stadt im Winter. Es ist Mitte Januar - ein verblüffend guter Zeitpunkt für eine Reise nach Island.

Freunden und Familie habe ich weiter gar nichts verraten... Zwar hatten sie mir als gemeinsames Geschenk zusammen diese Reise, die mich zuvor ja schon ein paar Tage in die schwedische Hauptstadt Stockholm geführt hatte (siehe den Reisebericht Stockholm), bei einem passenden Anlass erst ermöglicht. Aber ich hatte kaum jemanden verraten, dass ich meinen klammheimlichen Wunsch, im tiefsten Winter nach Island reisen zu wollen, bei dieser Gelegenheit umsetzen würde.

Alle hätten sich nur heftig kopfschüttelnd enorm gewundert: "Nach Reykjavík? Im Januar?? Fällt Dir wirklich nichts Besseres ein? Du bist ja bescheuert!" so oder ähnlich hörte ich die meisten schon sagen. Und ich hatte einfach keine rechte Lust, dies groß zu erklären - ich wollte einfach hin. Ein paar Tage Schnupperkurs Island im Winter.

Der Flug im halbvollen Flugzeug von Stockholm zum internationalen isländischen Flughafen Keflavík (55 Kilometer südwestlich von Reykjavík entfernt) findet nahezu ausschließlich über den Wolken statt. Ein Blick auf Norwegen und seine Küste blieb mir leider ebenso verwehrt, wie ein Blick auf die Shetland- oder die Färöer-Inseln. Wie schade! Nur am Rande sei angemerkt: Wenn man von Stockholm-Arlanda nach Keflavík fliegt, dann fliegt man nahezu die ganze Zeit in Richtung 278 Grad - also fast direkt nach Westen, nur mit einem kleinen nördlichen Einschlag. Mit anderen Worten: Island liegt gar nicht sooo viel nördlicher als Stockholm - und also gar nicht sooo weit im Norden, wie man gemeinhin denkt.

Erst im Landeanflug, etwa eine Viertelstunde vor der Landung, gibt der Himmel den Blick frei auf Island. Und was ich dort sehe, beeindruckt mich schlagartig: Einen gewaltigen Gletscher mit einem riesigen Ausläufer bis fast zum Meer auf, schwarzem Lavagestein, wechselnd mit steppenähnlichen Gebieten, raue und schroffe Küste und ein zuweilen verblüffend dunkeltürkises Meer. Wilde, karge Natur breitet sich unter mir aus. Und tatsächlich: Ohne Schnee! Island im Januar - und kein Schnee!

Es ist beim Anflug ungefähr 16 Uhr Ortszeit, und es ist noch heller Tag. Es ist also auch keineswegs so finster, wie man es sich vielleicht für den 11.1.11 denken mag.

Aber jetzt, kurz vor der Landung, ist es höchste Zeit, mal ein paar zum Teil sicher wunderliche Daten, Fakten und interessante Kleinigkeiten über Reykjavík und Island kunterbunt zusammenzustellen, die schon mal einen Vorgeschmack geben können, was einen in Island erwartet - oder eben auch nicht:

 

Einige bunt gemischte Daten und Fakten über Island und Reykjavík

 

Erste Eindrücke nach der Landung in Island

So, aber nun: das Flugzeug landet gerade. Also möge das an Daten und Fakten genügen, um zu zeigen, dass Island ein außergewöhnliches Land ist - und Reykjavík in mancherlei Hinsicht eine außergewöhnliche Stadt.

Da stehe ich nun im Flughafen Keflavík - und mein Bus nach Reykjavík: Er ist nicht da... Ich hatte es mir besonders einfach machen wollen und hatte einige Zeit zuvor über das Internet eine Art "touristisches Komplettpaket" bei einer Busgesellschaft gebucht: Abholung am Flughafen und Fahrt direkt zum Hotel in Reykjavík, während der Zeit meines Aufenthaltes dann Fahrt zur Blauen Lagune nebst Eintrittsgebühren, zusätzlich die obligatorische "Golden Circle-Tour" und dann für den Rückflug Abholung vom Hotel und Fahrt zum Flughafen. Es erschien mir eine überaus praktische und mit dem Gesamtpreis von knapp 100 Euro auch eine im Vergleich sehr günstige Kombination.

Allerdings werde ich jetzt hier nun das Gefühl gar nicht los, als Tourist beinahe der einzige zu sein, der nach Island reist - jetzt im Januar. War es unabhängig davon schon bei der Anreise zum Flughafen in Stockholm so gewesen, dass ich als einziger Fahrgast in dem großen Reisebus zum Flughafen chauffiert wurde. Dann war ich, zumindest in dem Moment, dort der einzige, der in das Flugzeug eincheckte. Man sagte mir beim Check In, der Flug sei "almost empty". Nun ja, halb voll war er dann ja doch - oder, je nach Sichtweise eben halbleer.

Nach der Ankunft in Keflavík gibt es dann nur sieben oder acht Leute aus meinem Flieger, die nach dem Ausstieg nicht direkt zu den Verbindungsflügen nach Amerika gingen, sondern tatsächlich nach Island einreisen. Ruckzuck waren alle Einreisenden weg und in irgendwelchen Bussen oder Privat-PKW verschwunden. Nur ich stehe noch alleine in der kleinen Empfangshalle des Flughafens herum, schaue immer wieder mal nach draußen zu dem bestellten Bus - der taucht aber einstweilen nicht auf.

Aber: es gibt ja immerhin noch Tageslicht, trotz des sehr verhangenen Himmels. Und tatsächlich: Weit und breit kein Schnee in Sicht! Dafür weht aber ein knallharter, fieser und eisiger Wind. Hui! Das kann ja lustig werden, hier im Winter auf Island, mit so einem schneidenden Wind! Ich kriege das Gefühl, dass dieser Urlaub doch recht allein und einsam ablaufen wird.

Ob meine Bus-Firma mich wohl vergessen hat? Die immerhin besetzte Tourist-Information wird nach 20 Minuten Warten eingeschaltet in meine Bus-Nöte. Dort telefoniert man und etwas genervt erhalte ich die Auskunft, der Bus müsste doch da und da stehen.

Steht er aber immer noch nicht... Also warte ich weiter.

Plötzlich, nach einer knappen dreiviertel Stunde steht dann plötzlich tatsächlich der Kleinbus "meiner Busfirma" da - leider jedoch ohne Fahrer. Ich geselle mich zu dem Bus, schlotternd. Nach etwa fünf Minuten kommt ein junger Mann angehetzt, einen Burger und einen Softdrink in der Hand. Er entschuldigt sich etwas brummelig für die Verspätung, immerhin. Und ich bin letztlich froh, nun doch unkompliziert zu meinem Hotel zu kommen. Natürlich bin ich der einzige Fahrgast in dem Kleinbus - der ist also wie ein Taxi für mich. Auch gut. Es scheint ja tatsächlich recht exklusiv zu sein, seinen Urlaub jetzt im Januar hier zu verbringen.

Eigentlich würde man, mit mitteleuropäischem Vorstellungen, in Island im Januar doch Schneemassen erwarten, oder?! Als ich den Busfahrer nach einiger Zeit frage, wo denn eigentlich der Schnee hier sei, da muss er herzlich lachen. "Snow? Here? Oh no, if you want to see snow, you have to go to the north! There you can see lllllots of snow!" Er tut so, als sei ich hier fast in Äquatornähe. Und ich verrate ihm da besser nicht, dass ich eigentlich der Ansicht bin, hier durchaus im hohen Norden zu sein.

Nach einiger Zeit gemütlichen Fahrens durch mir bis dato völlig fremde, beeindruckende Lavagesteins-Umgebung, nähern wir uns schließlich so langsam Reykjavík. Es ist schon 17 Uhr vorbei und langsam dämmert es und wird dunkel (im heimatlichen Hamburg ist es in dieser Jahreszeit gegen 16 Uhr schon stockfinster).

Mein erster Eindruck von Reykjavík: Eine riesige Stadt! Sie wirkt wie eine große Metropole, keinesfalls wie eine Stadt mit 200.000 Einwohnern. Wir fahren über breite Ein- und Ausfallstraßen, die richtig knackevoll mit Autos sind. Dieser Eindruck täuscht offenbar nicht: Reykjavík nimmt für sich in Anspruch, die Stadt mit dem höchsten Motorisierungsgrad in Europa zu sein, also die meisten Autos pro 1000 Einwohner zu haben. Nach Mitteleuropäischen Maßstäben ist das mittlerweile nichts mehr, womit man sich unbedingt schmücken würde - aber in Island sieht man das wohl anders.

Reykjavík, die Metropole des Nordens - eine wuchernde Autostadt. Es gibt einen nur relativ dürftig ausgebauten Öffentlichen Personen-Nahverkehr mit Bussen. Auch Fahrradfahren soll erst seit wenigen Jahren so langsam üblich werden.

Bald schon bin ich an meinem mittelgroßen, etwas abseits der Innenstadt in einem kleinen Gewerbegebiet gelegenen, schlichten Hotel. Alles funktioniert letztlich doch sehr unkompliziert. Dort werde ich freundlich empfangen und auf ein sehr ruhiges Zimmer eingecheckt - gut so!

 

Reykjavík - Erste Eindrücke aus der Stadt

Aber natürlich muss ich umgehend noch raus, die Innenstadt ein wenig erkunden, und natürlich noch für etwas zu essen und zu trinken sorgen. Der "Bonus"-Supermarkt auf meinem Weg kommt mir da wie gerufen, natürlich kaufe ich etwas von dem etwas süßlichen und klebrigen isländischen Schwarzbrot "Hverabrauð" und zwei Sorten von dem Skyr (eine Art Frischkäse mit Fruchtgeschmack). Den typisch isländischen Trockenfisch lasse ich einstweilen besser liegen - er ist einfach erschütternd teuer, selbst in diesem Billig-Supermarkt! Auch eine Flasche Mineralwasser kann ich finden, mit einigem Glück allerdings. Es gibt nur ganz, ganz wenige, einzelne Flaschen Mineralwasser im Angebot. Island behauptet, das mit Abstand beste Leitungswasser der Welt zu haben - Mineralwasser braucht man hier halt einfach nicht. Ich aber brauche schließlich eine Flasche, um mir das tolle Leitungswasser abfüllen zu können.

Ein wenig schlendere ich anschließend noch die Haupt-Einkaufsstraßen entlang. Es ist keine Fußgängerzone, sondern mit Autos befahren. Offenkundig machen die Einheimischen das, was ich hier zu Fuß mache, per Auto: einen Schaufensterbummel. Ganz, ganz langsam rollen einige wenige daher, schauen links, schauen rechts - so wie ich zu Fuß.

Der Wind pfeift die Straßen entlang, es ist wirklich unangenehm draußen. Aber es gibt gleich eine ganze Reihe Dinge, die mir auffallen. So sind wirklich nur ganz wenige unerschrockene Fußgänger hier in der mittlerweile eingebrochenen Dunkelheit noch unterwegs - im Zentrum der "Metropole Reykjavík". Auch schließen fast alle Geschäfte schon jetzt, um 18 Uhr, ihre Pforten. Fast fühle ich mich schon wieder richtig allein, hier in der Innenstadt der nördlichsten Hauptstadt der Welt.

Kuchen in Reykjavik

Kaffee und Kuchen - das können die Isländer verdammt gut - und auch teuer! Nach diesem Genuss hier fühlt man sich dann aber auch gleich einen halben Tag satt.

 

 

 

Eine weitere schnelle Erkenntnis: Eine unüberschaubare Anzahl an überaus einladenden Cafés gibt es in Reykjavík! Einige dieser Cafés wirken in Ausstattung und lockerem Verhalten der Gäste so wie Omas Wohnzimmer, natürlich mit extra Spielecke für die Enkel. Sehr verlockend! Irgendwann kann ich diesen Versuchungen nicht mehr widerstehen und lasse mich in einem dieser Sofa-Cafés nieder (wie ich erfahre hatte dies Café gerade erst vier Wochen zuvor geöffnet und der Besitzer hat einfach aus zwei kleinen Geschäften ein mittelgroßes Café gemacht), beglücke mich mit einem Milchkaffee und einem Stück Schokolade-Torte (für zusammen fast zehn Euro). Letztere sättigt mich dann auch für den Rest des Tages, gemeinsam mit einem Skyr später im Hotel. Aber - hätten Sie es gedacht: Reykjavík als Eldorado der Kaffeetrinker und gar als Traumziel für passionierte Cafégänger?

Und noch etwas anderes fällt mir bereits an diesem ersten Abend in der Stadt auf: Reykjavík hat ganz offenbar vielen Verlockungen widerstanden und - zumindest direkt in der Innenstadt - die Ansiedlung von auf der ganzen Welt bekannten und immer gleichen Restaurantmarken und Ketten-Geschäften wurde vermieden. Weit und breit finde ich keinen McDonalds oder Burger King, (später bei einer Tour sehe ich weit draußen an einer breiten Ausfallstraße am Standrand aber mal einen KFC - aber sonst nix in dieser Art). Ob dies wohl die einzige Innenstadt der Welt ohne einen McDonals ist? Auch finde ich keinen Carrefour- oder WalMart-Supermarkt, keinen H&M-Laden, kein Nike- oder Adidas-Geschäft, kein Prada, Marc O'Polo, Benetton, oder Armani, oder oder oder. Nix dergleichen!

Reykjavik Frikirkjan

Blick über den gefrorenen See Tjörnin auf die Freikirche. Umgeben ist Reykjavik von diesen typischen, rundgeschliffenen und bis zu 1000 m hohen Bergen.

 

 

 

Statt dessen sehe ich Buchgeschäfte, die Eymundsson oder Mál og Menning heißen, immerhin bis 22 Uhr geöffnet haben und, natürlich!, auch leckeren Kaffee und Kuchen anbieten. Und ich sehe eine Unzahl an sehr individuellen und kleinen Boutiquen und Schuhgeschäften in der Innenstadt. Selbst die unvermeidlichen und durchaus zahlreichen Touristen-Shops erscheinen mir vergleichsweise großzügig eingerichtet und liebevoll gestaltet. Aber, jetzt im Winter, ab 18 Uhr dicht.

Eine weitere Erkenntnis des ersten Abends in Reykjavík: Das Wort "Bausünde" könnte durchaus auch eine isländische Erfindung sein. Vieles erscheint mir sehr verbaut, man hat nicht unbedingt darauf geachtet, mit architektonischen Feinheiten Dinge aneinander anzupassen. Es gibt viele durch Wellbleche verkleidete Holzhäuser als Wohnhäuser, aber immer wieder mal hat man auch einen Betonklotz daneben gesetzt. Alles wirkt recht zusammengewürfelt und eher nüchtern-zweckmäßig, statt gemütlich und nordisch-kuschelig aufeinander abgestimmt. Eigentlich hat mich diese Erkenntnis verblüfft. Schnell bemerke ich: Allein für seine Schönheit wird die Stadt Reykjavík wohl nicht bekannt werden. So etwas wie eine richtige Altstadt wird man in Reykjavik auch vergeblich suchen. Einige wenige Gebäude sind jedoch gut 200 Jahre alt.

Aber die Anreise war durchaus anstrengend. Der kalte, schneidende Wind bei den Temperaturen von minus vier Grad in der Stadt zehrt auch an den Kräften. Die wenigen Menschen hasten durchweg zügig nach Hause, meist bewege ich mich hier allein durch die Gegend, klar. Also gehe ich auch rechtzeitig zu meinem Hotel, sehe dort keinen anderen Menschen außer der jungen Frau am Empfang und beschließe einfach, mich rechtzeitig schlafen zu legen und am nächsten Tag gründlich auszuschlafen.

Der Himmel ist an diesem Abend eh bewölkt - an das Sichten von Nordlichtern braucht man dabei also gar nicht zu denken. Trotzdem blinzele ich während der Nacht immer mal wieder schlaftrunken aus dem Fenster, ob dort am Himmel nicht doch etwas leuchtet...? Aber nein, es ist in Reykjavík in aller Regel sowieso viel zu hell für Nordlichter, erfahre ich später. Möchte man Nordlichter sehen, dann muss man die Stadt am besten ein ganzes Stück verlassen - bei möglichst klirrend kalter und sternenklarer Nacht.

Als ich dann am folgenden Tag um neun Uhr in den Frühstückraum gehe - ist dort natürlich kein Mensch! Was soll das hier nur werden? Ein Einsamkeitsritual? Bin ich denn wirklich der einzige Tourist? Und: es ist tatsächlich noch stockfinster morgens um neun, tiefe Nacht. Als ich bequem das Frühstück eingenommen habe, ist es immer noch tiefe Nacht - aber immerhin sind noch zwei weitere Tische besetzt, ich bin also doch nicht so ganz der Einzige.

 

Reykjavík - Perlan, Elfen und der Star ist der Himmel

 

 

 

Erst, als ich dann gegen Viertel nach zehn das Hotel für einen größeren Erkundungs-marsch durch Reykjavík verlasse, dämmert es schon spürbar. Mein erster Weg führt mich um die Ecke zu der ebenso schönen wie eigenwillig konstruierten Kirche Hallgrímskirkja. Aber da der Wind wieder sehr kräftig weht, sehe ich davon ab, auf den Turm zu fahren, um von oben auf die Stadt zu schauen. Dafür wird es wohl noch eine bessere Gelegenheit geben. Immerhin: auf dem Weg dorthin entdeckt ich hier und da ein paar verstreute ältere Schneereste. Also doch: Auch in Reykjavík kennt man Schnee!

Durch eine Straße sehe ich dann auf einem Hügel in einiger Entfernung "Perlan", "die Perle", - einen ebenfalls sehr eigenwilligen Bau auf einer Anhöhe. Das Gebäude hat einen ganz profanen Zweck: es besteht aus sechs großen Tanks, in denen Warmwasser gespeichert wird, mit dem die Stadt versorgt wird. Dies ist also quasi der moderne Warm-Wasserturm der Stadt. Interessant dabei: In Reykjavík werden auch Fußwege und Straßen im Winter beheizt - falls es doch einmal schneien sollte. Und Wärmeenergie hat man auf Island ja nun mal im Überfluss.

Reykjavik Perlan

Noch ein sehr markanter Bau in Reykjavík: Perlan. Als eine Art moderner Wasserturm thront Perlan auf einem Hügel mitten in der Stadt. Das Glasdach ist gelagert auf sechs großen Wassertanks, die die Stadt mit warmen Wasser versorgen. Zudem gibt es rund um das Glasdach eine großartige Aussichtsplattform.

 

 

 

Perlan ist in direkter Nachbarschaft zu dem kleinen Flughafen von Reykjavík gelegen, der allein nationale Strecken sowie Flüge nach Grönland bedient. Der Flughafen liegt mir irgendwie im Weg und erfordert eine große Schleife, doch auf seltsam verschlungenen Pfaden gelange ich dann doch irgendwann zu Perlan. Warum nur habe ich immer den Ehrgeiz, auf Stadtpläne so weit als möglich zu verzichten, wenn ich fremde Städte erkunde??? So hat mir dieser Ehrgeiz wieder mal einen enormen und zeitraubenden Umweg beschert, der nicht sonderlich lohnend war.

 

 

 

Aber: Ein Besuch auf Perlan gehört sicherlich zu den Dingen, die man unbedingt machen muss, wenn in Reykjavík ist! Das lohnt sich sehr, man hat einen wirklich großartigen Blick über die Stadt und die zum Teil bergige und zum anderen Teil Meeres-umgebung. An einem anderen Tag war ich auch noch einmal nachts dort - und auch dieser Blick ist dann sehr spektakulär und wunderschön!

Neben dem tollen Blick - natürlich ohne Eintrittsgebühren - bietet Perlan in der verglasten Kuppel auch noch eine Cafeteria. Abends kann man auch das selbstdrehende Restaurant ganz oben in der Kuppel besuchen. Auf der im Freien gelegenen Aussichtsplattform zerrt und rüttelt der Wind jetzt doch sehr an mir. Es ist Viertel nach elf Uhr - und es liegt immer noch das Licht der Morgendämmerung über der Stadt. Kein Wunder: genau jetzt ist Sonnenaufgang heute.

Der Himmel ist zwar wolkig an diesem Vormittag, aber es liegt ein sehr mildes Licht über der Stadt, ein "nordisches Licht", das mich in geradezu seinen Bann schlägt. Zartes Himmelslicht aus fast zerbrechlich wirkenden grauen, blauen, gelben, orangenen, rötlichen Farbtönen lassen mich schnell die Erkenntnis gewinnen: Einer der Stars in Islands Winter ist - der Himmel. Immer wieder mache ich, nicht nur an diesem Tag, Fotos mit einem schmalen Bodenstreifen und viel, viel Himmel darüber. Trotzdem gelingt es mir einfach nicht annähernd, diese fast magische nordische Stimmung per Foto einzufangen. Aber: Zum ersten Mal auf dieser Reise bin ich hellauf begeistert von meinen Eindrücken.

Meine Entscheidung, Perlan nicht in Richtung Innenstadt zu verlassen, sondern in Richtung des kleinen Waldes und des Flughafens, konnte ich im Nachhinein sachlich gar nicht so recht nachvollziehen, aber es war eine gute Entscheidung. Man kommt durch einen kleinen, verwunschenen wirkenden Wald (eine Seltenheit auf Island), landet plötzlich und unvermutet mitten in Ruinen von Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieser fand in Island in der Form statt, dass die Briten auf der strategisch als wichtig angesehenen Insel 1940 einmarschierten, was den Isländern als Schutz vor den Deutschen nicht ungelegen kam (wehren konnte man sich ja eh nicht ernsthaft, da man ja nicht über Militär verfügte). Ein Jahr später übergaben die Briten das noch zu Dänemark gehörende Land an die Amerikaner als deren Schutzzone. Die damals ca. 200.000 Isländer nutzten 1944 in der Folge die Wirren des Krieges dazu, ihre Unabhängigkeit von Dänemark zu erklären.

Reykjavik Weltkriegsruinen

Auf dem Hügel Öskjuhlíð, auf dem auch Perlan errichtet ist, finden sich auch einige Ruinen von Festungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs - der jedoch glücklicherweise nicht in Island wütete.

 

 

 

Viele Bunkerruinen findet man nicht in Reykjavík - aber es reicht, um einen vor Augen zu führen, dass der Zweite Weltkrieg auch an Island nicht völlig spurlos vorbei ging.

Runter führt mich mein Weg zum Fjord Fossvogur, letztlich ein Nebenarm der Bucht Faxaflói am Nordatlantik. Das Wasser dort ist trotz der Minusgrade der Luft eisfrei. Und es gibt wieder eine Überraschung für mich: Plötzlich entsteigt den Meeresfluten eine schlanke, zarte Frau. Im Badeanzug läuft sie barfuss und triefend nass - sogar ihre Haare sind patschnass - an mir dick Eingemummelten vorbei und verschwindet mit tippelnden Schritten um die Ecke eines Gebäudes...

Huch!! Träume ich? Was war denn das??? Eine Elfe vielleicht? Der Glaube an Trolle und Elfen ist in Island ja nach wie vor verbreitet! Zweifellos: Eine Elfe begegnete mir gerade!

Während ich also noch mit dem Gefühl kämpfe, ob ich nun womöglich gerade eine "Erscheinung" gehabt habe, oder vielleicht doch besser an die in Island allgegenwärtigen Elfen glauben sollte, schaue ich neugierig geworden um die Ecke - und sehe, an der ansonsten felsigen Küste, völlig überraschend ein Strandbad. In einem abgetrennten Bassin sitzen etwa zehn Personen, genüsslich, in offenbar angenehm warmen Wasser. Auch die "Elfe" von eben entdecke ich dort wieder - sie ist offenbar doch "nur" ein Mensch, wenn auch ein sehr hartgesottener, denn das Atlantikwasser, dem sie ja entstiegen war, ist ohne Zweifel eisig. Ein Strandbad ist hier eingerichtet worden, dabei natürlich auch die unentbehrlichen "Hot Pods" mit Wassertemperaturen um 40 Grad, die angenehmes Baden unter Freiem Himmel auch bei den eisigsten Wintertemperaturen erlauben. Das Ganze steht hier dann sogar kostenfrei zur Verfügung. Ach... Glückliche Isländer! Wie schade, dass ich für den Spaziergang bei den Minusgraden heute meine Badehose nicht mitgenommen habe!


Reykjavik Nordatlantik

Der Blick zum Nordatlantik zeigt unter anderem: Mitte Januar ist der Himmel über Island der Star und zeigt Farben, die man auf Fotos gar nicht erfassen kann!

 

 

 

Trotz des schneidenden Windes entschließe ich mich, dem Weg am Wasser weiter zu folgen, im Prinzip laufe ich auf die Weise eine komplette Runde um den Flughafen. Nicht viele Spaziergänger führt es an diesem Mittag diesen Weg entlang, aber es ist trotzdem ein Genuss. Der Star des Tages bleibt einfach der Himmel! Und von dem gibt es auf diesem Weg einfach unglaublich viel zu sehen in der unbekannten Umgebung!

 

 

 

Nach einer guten Stunde Weg bin ich dann wieder im Zentrum von Reykjavík, das ich ja tags zuvor bei Dunkelheit schon ein wenig erkundet hatte. Anstatt die Stadt nun bei Tageslicht in Augenschein zu nehmen, führt mich nun mein Weg direkt in das Besiedlungs-Museum mit dem komischen Namen "871+-2". Dieses supermoderne Multimedia-Museum ist genau an der Stelle im Boden eingelassen worden, an der man ab dem Jahr 2000 die ältesten Überreste einer Siedlung im Gebiet von Reykjavík freigelegt hat: Ein für die Wikinger typisches Langhaus. Der Name des Museums mag seltsam anmuten - aber er bezeichnet schlicht das Baujahr des Langhauses, deren Original-Überreste an der Originalstelle zu besichtigen sind. Schätzbar ist dieses Baujahr mit einer Genauigkeit von plus/minus zwei Jahren. Erweitert sind die Originalteile um viele anschauliche Multimedia-Erklärungen: Ein top-modernes High-Tech-Museum. Empfehlenswert! Übrigens ist auch die Internetseite des Museums großartig!

Als ich dann um 15 Uhr das Museum verlasse, liegt schon wieder ein dämmeriges Licht über der Stadt - aber das kenne ich ja auch aus dem heimatlichen Hamburg: Es gibt eben so Tage, an denen es einfach grau ist und bleibt und nicht richtig hell wird. Auch in Reykjavík.

Reykjavik Dom

Der Dom (Dómkirkjan) von Reykjavík wurde 1796 errichtet. Damals fanden noch sämtliche Einwohner von Reykjavík Platz in der recht kleinen Kirche - es waren gerade mal 300 Personen.

 

 

 

Das Licht reicht aber immerhin noch, um sich noch ein wenig in der Innenstadt umzuschauen. Historische Gebäude im Zentrum stammen zumeist aus dem 19. Jahrhundert, so wie der Dom oder das Parlament. Der Bau des Regierungssitzes von Island erinnert mich von außen an die typischen Heimatmuseen der Gegend, in der ich aufwuchs. Der süße kleine Dom wirkt von der Größe her eher wie eine großzügige Dorfkirche - nur ist es bemerkenswert, dass er noch die gesamte Bevölkerung Reykjavíks aufnehmen konnte, als er 1796 gebaut wurde.

Das älteste noch erhaltene Gebäude der Stadt in der Straße Aðalstræti ist von 1762. Ansonsten gibt es einige vier- bis fünfgeschossige Gebäude hier im Zentrum, die mit ihrem sehr nüchternen Stil auf mich irgendwie deplaziert und bemüht großstädtisch wirken.

 

 

 

Und noch etwas fällt mir an diesem Tag auf: Reykjavík ist auch die Stadt der Graffitis! Es ist zwar nicht so viel an Gebäuden wild herumgeschmiert worden, wie man es vom europäischen Festland so kennt und hasst. Nein, es sind offenbar ganz gezielt Flächen zur Verfügung gestellt worden - und eher kunstvoll mit Graffiti gefüllt worden. Dass diese Kunst zuweilen nicht meinen Geschmack trifft, kann ja verschiedene Gründe haben - grundsätzlich gefallen mir die eher kultivierten Graffitis allerdings. Aber ganz offenkundig wird: Graffiti wird in Reykjavík viel gewählter und gezielter eingesetzt, wie daheim.

Aber trotzdem: Aller sonstigen Neugierde zum Trotz lockt es mich aber erstmal wieder eines der vielen einladenden Cafés...

Das Tageslicht neigt sich recht bald dem Ende zu, gegen fünf mache ich mich zu Fuß wieder auf den Weg zum Hotel, diesmal an der Straße Sæbraut am Wasser entlang. Nicht nur eine enorm breite Straße östlich des Hafens, sondern auch ein beliebter Flanierweg an der nördlichen Küste bei der Innenstadt entlang. Diese beschert ein paar schöne Ausblicke auf die bis zu knapp 1000 m hohen Berge auf der anderen Seite der Bucht, und das Wasser ist tatsächlich beeindruckend dunkel-türkis.

Reykjavik Harpa

Wie sich die Bilder doch gleichen, da schmunzelt der Hamburger: Was an der Elbe die Elbphilharmonie, ist in Reykjavík direkt an der Atlantik-Küste die Konzerthalle "Harpa". Finanzielle Probleme bei der Finanzkrise und Pfusch am Bau haben das Projekt in Reykjavík zeitweilig zum Stillstand gebracht. (Stand Frühjahr 2013 ist es jedoch so, dass "Harpa" dann doch längst eröffnet wurde, während an der Hamburger Elbphilharmonie seit Jahren sämtliche Arbeiten ruhen und das Projekt möglicherweise zu einer Investitionsruine weiterentwickelt wird)

 

 

 

Als ich noch ein wenig diesen Weg weiter spaziere, da begegne ich durchaus noch einigen mir bekannt vorkommenden Dingen: Eine riesige Baustelle in der Nähe des Hafens lässt mich spontan an die in meiner Heimatstadt Hamburg im Bau befindliche Elbphilharmonie denken - und siehe da: Auch der Bau in Reykjavík wird eine gewaltige Konzerthalle - Harpa. Hier wie dort hat man eigentlich überhaupt kein Geld für einen solchen Protzbau - aber hier wie dort hat man beschlossen, trotzdem zu Ende zu bauen. Koste es, was es wolle! Hamburg und Reykjavík: Brüder im Geiste - zumindest was Größenwahn im Konzerthallenbau angeht.


Reykjavik Solfar

Was für eine fotogene Skulptur direkt an der Bucht am Nordatlantik: Sólfar - ein stilisiertes Wikingerschiff. Man ist in Island sehr stolz auf die Wikinger-Vergangenheit.

 

 

 

Rund um die Konzerthalle in Reykjavík hat sich schon zuvor eine Art Skyline aus Hochhäusern gebildet - zwar nicht so gigantisch, wie in anderen Metropolen, aber schön finde ich das trotzdem nicht. Die Gebäude sollen wohl den Charakter der Metropole Reykjavik unterstreichen. Geht man etwas weiter, dann begegnet man etwas weit Schönerem: Sólfar. Ein stilisiertes Wikingerschiff - wie schon zuvor erwähnt ist man auf Island sehr stolz auf die Wikinger-Vergangenheit. Ein schönes Kunstwerk, das geradezu zum Fotografieren auffordert.

 

 

 

Noch ein Stückchen weiter begegnet man dann dem Höfði-Haus - einem schönen, allein stehendem Haus aus dem 19. Jahrhundert. Es gilt nicht nur als eines der schönsten Häuser Reykjavíks, sondern hat auch historische Bedeutung: Im Jahre 1986 trafen sich dort der amerikanische Präsident Reagan und der sowjetische Generalsekretär Gorbatschow, um erstmalig überhaupt über die Abrüstung von Atomwaffen zu verhandeln. Auch, wenn es damals in Reykjavík noch nicht den einen, durchbrechenden Erfolg gab, so nimmt man auf Island doch für sich in Anspruch, dass auch und gerade hier das Ende des Kalten Krieges eingeleitet wurde. Sicher nicht zu Unrecht ist man in Island stolz hierauf. Also: Ein durchaus historischer Ort!

 

Die Blaue Lagune

Der folgende Tag ist für mich mit einem rein touristischen Programm verplant: Einem Besuch der "Blauen Lagune" (auf Isländisch "Bláa Lónið"). In einem geothermalen Feld ca. 50 km südwestlich von Reykjavík hat sich in den Abwässern (!) eines Geothermie-Kraftwerkes durch eine Laune der Natur inmitten eines riesigen Lavafeldes eine Anzahl kleiner Seen gebildet. Es hat sich auf dem scharfkantigen Lava-Gestein eine weiße Kruste gebildet und das Wasser der Seen ist milchig-blau - daher der Name Blaue Lagune.

Einige dieser Seen hat man mit einigen Gebäuden in eine Badelandschaft verwandelt. Das soll mein Ziel des heutigen Tages sein. Mehr oder minder jeden Island-Touristen verschlägt es früher oder später mal in die Blaue Lagune.

Mein Pauschal-Arrangement sieht eine Abholung in meinem Hotel um neun vor. Natürlich ist es dann noch stockfinster. Wenig überrascht bin ich mittlerweile, dass ich im Kleinbus alleine sitze - eher finde ich es schon verblüffend, dass der Busfahrer tatsächlich abbiegt zu anderen Hotels, um noch andere Fahrgäste aufzunehmen: Siehe an - ich bin also doch nicht der einzige Tourist in Reykjavík Mitte Januar!

In Erinnerung geblieben ist mir von den etwa zehn Personen in dem kleinen Bus die Gruppe Deutscher: Ein Mann, unterwegs mit vier Frauen, alle Anfang des Rentneralters. Alle zusammen sind extrem laut, er macht Pläne und mault rum, dass er nicht so viel Zeit in der "Badeanstalt" verplempern wolle und auf jeden Fall den ersten Bus um 12:30 Uhr zurück nehmen werde! Eine der Frauen: "Nun fahr doch erstmal hin, und schaue, ob es Dir vielleicht gefällt!" Er aber beharrte darauf, den Tag weiter stramm durchzuplanen, alles in einer Lautstärke, dass man zuhören MUSS. Alle gemeinsam steigern sich mehr und mehr in ein allgemeines Gemecker über Island, über die teuren Preise, über das teure Essen, über den kalten Wind, über das wenige Licht, über die natürlich schlechten Isländischen Autofahrer, die ja nicht mal blinken würden (ich denke mir: welch Unsinn!)! So etwas gäbe es in Deutschland ja niemals geben (ich denke mir: was für ein gewaltiger Unsinn! - halte aber meinen Mund...)! Es sei ein Skandal, wie die Isländer sich als Autofahrer verhalten! Die fünf kommen ins Gespräch mit einem jungen Paar, das schon seit zehn Tagen auf Island ist, und ausgiebig und furchtbar klagt, dass sie kaum noch das Geld haben, um sich etwas zu essen zu kaufen. Es ginge ihnen wirklich sehr schlecht, Island sei einfach viel zu teuer, eine Frechheit sei das!

Ach, denke ich mir, bin ich froh, eher individuell zu reisen und mit solchen Menschen, tief im Jammertal versunken, nur sporadischen Kontakt zu haben. Und ich frage mich obendrein, was diese Typen denn überhaupt im Ausland wollen. Sollen sie doch am besten Zuhause vor dem warmen Kamin sitzen bleiben und billigeren Wein saufen, als hier. Darüber, dass einiges in Island teuer ist und es im Winter kurze Tage und strammen Wind gibt - über so etwas könnte und sollte man sich informieren, bevor man in ein Land reist. Und wenn man sich nur einen Funken für das Land interessiert, in das man fährt, dann weiß man diese banalen Dinge einfach, dann kann einen das alles nicht im Geringsten überraschen. So, diesem Ärger musste ich hier auch einmal freien Lauf lassen...

Island Thermalkraftwerk

So farbenfroh wird in Island Strom erzeugt: Ein geothermisches Kraftwerk. Aus dessen Abwässern ist durch eine Laune der Natur die "Blaue Lagune", ein schönes Thermalbad, entstanden.

 

 

 

Es ist zehn Minuten nach zehn und noch immer dunkel, als wir zu der Blauen Lagune kommen. Alle strömen sofort und hastig den hundert Meter langen Fußweg auf den Eingang zu - ich aber brauche möglichst viel Abstand zu diesen Typen. Und hatte eh schon zuvor beschlossen, mir vor dem Bad zunächst mal die außergewöhnliche Gegend anzuschauen. Also gehe ich nicht direkt zur Blauen Lagune, sondern streife die Wege durch das schroffe Lava-Gestein entlang. Schaue mir die verblüffende Umgebung an. Die Morgendämmerung setzt langsam ein, und die zahlreichen milchig-blauen Seen inmitten der Lava wirken skurril, seltsam, surreal. In welcher bizarren Welt bin ich denn hier eigentlich? Da vorne - ist das nicht ein Troll? Ach, nee, nur eine komische, aufrechte Gesteinsformation.

Eine fremde, aber fantastische Wunderwelt. Ich beschließe, mir mal das geothermale Kraftwerk in ein paar hundert Metern anzuschauen. Nur am Rande sei angemerkt, dass dies kein netter, lockerer Spaziergang ist, sondern es ist natürlich knackekalt, der Wind pfeift über das flache Land und es fängt - ja, tatsächlich! - auch noch an, ganz leicht zu schneien. Und gerade drum ein tolles Erlebnis.

 

 

 

Inmitten dieser Wunderwelt entdecke ich zum Beispiel den schon von Ephraim Kishon beschriebenen Blaumilchkanal - und auch der Geruch in der Luft ist speziell: Es riecht heftig nach faulen Eiern - Schwefel-wasserstoff. Dieser Geruch gehört wohl auch zu Island, entweicht er doch immer, wenn Gase direkt aus der Erde austreten. Wie in Island offenbar an allen möglichen Ecken und Enden.

Nach einer dreiviertel Stunde bin dann auch ich am Eingang des Bades der Blauen Lagune, lande inmitten einer großen japanischen Reisegruppe. Aber bei denen verstehe ich mögliches Gemeckere ja glücklicherweise nicht - und sie wirken im Gegensatz zu den mürrisch-überkritischen Deutschen sowieso sehr fröhlich. Alles gut also. Eher amüsiert beobachte ich, wie es ihnen doch sehr schwer fällt, die überall ausgehängte Verpflichtung einzuhalten, vor dem Gang in das Schwimmbad nackt zu duschen (und sich dabei gründlich zu reinigen - in dem sehr warmen Wasser der Thermalbäder vermehren sich Bakterien ansonsten wohl extrem gut). Auf einer amerikanischen Internetseite (typisch, oder?) fand ich den Hinweis, man solle auf keinen Fall in die Blaue Lagune fahren, wenn man ein wenig schamvoll sei. Nun, die freundlichen Japaner hier sind jedenfalls über ihren Schatten gesprungen. Die spanische Gruppe, die ich dann Stunden später antraf, als ich das Bad verließ, hat auf diese isländische Vorschriften jedenfalls gepfiffen - wie bei Pubertierenden traute sich niemand, sich seiner Kleidung zu entledigen, um sich gründlich zu reinigen. Auch eine Weise, Sitten und Gebräuche eines Gastgeberlandes zu missachten.

Nachdem ich also selbst beim Duschen interessante kulturelle Beobachtungen anstellen konnte, kommt danach der Gang in das Bad. Zwar gibt es die Möglichkeit, in dem Gebäude direkt in ein Becken mit dem warmen Wasser zu steigen und durch eine Tür nach draußen in den Badebereich zu schwimmen. Aber - das wahre Glück ist bei diesen winterlichen Witterungsbedingungen natürlich der normale Weg: Durch die Tür nach draußen gehen, einen Moment in der Badehose die unter null Grad Temperatur, den starken, eisigen Wind und das Schneegestöber am ganzen, nassen Körper wahrnehmen und "genießen", eben während man die zehn Meter Weg zum Rand des Beckens geht. Dann aber auf einer kleinen Treppe hinein in das rund einen Meter tiefe Becken mit dem unwirklich milchig-blauem Wasser und der noch unglaublicheren, wunderbar warmen Temperatur!

Island Blaue Lagune

Blick über das Thermalbad Blaue Lagune - im Winter ist es ein besonderes Erlebnis, in das dampfende Wasser einzutauchen und sich dabei vom Schneegrieseln nicht stören zu lassen.

 

 

 

Was für ein Genuss! Diese Temperatur, diese unwirkliche, bizarre Umgebung! Dieses blaue Wasser! Verrückt das Ganze! In dem nicht sehr tiefen Bereich, in dem man in das Bad hinein geht, gibt es einen grobsandigen Untergrund. Instinktiv greife ich mir eine Handvoll von dem Sand vom Boden. So, wie die Ablagerungen des Wassers am Rande des Beckens aussehen und bei der Farbe des Wassers, erwarte ich ein weißes Gestein. Allerdings traue ich meinen Augen kaum, als ich den kieseligen Sand aus einem knappen Meter Tiefe betrachte: Er ist pechschwarz! Das Becken mit dem Wasser hat insgesamt eine helle und freundliche Farbe - und der Untergrund unter einem Meter Wasser ist pechschwarz! Unglaublich! Die Farbe des Wassers ist also sehr intensiv, es ist schlicht nicht durchsichtig. Faszinierend!

Tja, was macht man dann an einem solchen ungewöhnlichen und faszinierenden Ort? Man planscht ein wenig herum, schwimmt ein wenig (so man denn in dem warmen Wasser schwimmen mag), erkundet nach und nach die verschiedenen Ecken des zugänglichen Bereiches, schmiert sich von der herumstehenden, mineralstoffreichen Paste etwas auf Gesicht und Arme, schaut mal in Dampfbad und Sauna (in Island haben Saunen keinerlei Tradition), stellt sich mal unter den kleinen Wasserfall - und genießt einfach die Zeit. Entspannender kann ich mir Entspannung gar nicht vorstellen!

 

 

 

Auch, wenn es absurd klingt: Besonders genieße ich die schroffen Witterungs-bedingungen mit dem leichten Schneegestöber. In den Becken selber merkt man von dem strammen Wind nicht viel, und wird einem der Schnee auf dem Kopf zu viel, dann taucht man eben kurz in das 40 Grad warme Wasser - und alles ist wieder gut und warm. Ganz langsam wird die Umgebung weiß, der Berg in ein paar Hundert Metern Entfernung sieht zunächst wie leicht mit Puderzucker überzuckert aus, wird dann immer weißer. Stundenlang halte ich es in dem Becken aus, gehe zwischendurch eine Weile in den kleinen Relax-Bereich auf eine Liege und schaue mir diese außergewöhnliche Szenerie an.

Bademeister Blaue Lagune

Die eigentlichen Stars bei diesen winterlichen Verhältnissen sind die Bademeister! Sie treten doch völlig anders auf, als man es sonst so von Bademeistern kennt - und sie haben durch die Nebelschwaden alles im Blick.

 

 

 

Die eigentlichen Stars des Bades, zumindest jetzt im Winter, sind für mich aber die Bademeister! Drei von ihnen gibt es: Einen an erhobener Stelle im Gebäudebereich selber, zwei sind beständig im "Außeneinsatz". Die Bademeister hier haben aber nichts mit "Baywatch" gemeinsam. Anders, als man es üblicherweise von Bademeistern kennt, laufen sie natürlich nicht locker und lässig gekleidet in der Gegend herum und tragen ihre wohlgeformten Körper zur Schau, sondern sie sind, dem Wetter angepasst, dick eingemummelt und stapfen eher in Polarausrüstung umher. Aber sie machen einen extrem wachsamen Eindruck. Und das hat ja auch seinen Grund: Wenn man in diesem Wasser in einem Meter Tiefe einen pechschwarzen Untergrund schon nicht mehr wahrnehmen kann, dann kann man untergegangene Menschen natürlich schon gar nicht sehen. Durchaus vorstellbar, dass es Leute gibt, denen bei diesen krassen Temperaturunterschieden der Kreislauf ein Schnippchen schlägt. Die Bademeister müssen bei diesem undurchsichtigen Wasser also eventuell sich anbahnende Notsituationen sofort erkennen - bevor jemand im Wasser verschwindet... Puh!

Diese Überlegungen halten mich jedoch nicht davon ab, immer wieder zwischen der "Relaxing zone", Imbiss und den Badebecken hin- und her zu wechseln. Ein Genuss für Leib und Seele! Meistens sind es so 20-30 Leute, die sich heute im Badebereich verlieren, hin und wieder höre ich gar isländische Sprachfetzen bei den Badenden - dieses Bad ist also nicht ganz allein den ausländischen Touristen vorbehalten. Erst um vier Uhr reiße ich mich los und verlasse den Badebereich, erkunde in dem Restlicht des Tages noch ein wenig mehr von der Umgebung. War diese am Morgen noch komplett schwarz, so ist sie jetzt, wie nach einer Metamorphose, gemischt schwarz-weiß mit einer Mischung aus Lavagestein und Schnee. Das macht die Landschaft irgendwie noch unwirklicher.

 

 

 

Insgesamt ein Erlebnis, das völlig zu Recht eine Touristen-attraktion ist. Man sollte sich einen Besuch in der Blauen Lagune nicht entgehen lassen. Egal, ob man nun Urlaub in Island machen möchte, oder nicht... Denn es gibt sogar spezielle Arrangements für Fluggäste, die auf ihrem Weg von oder nach Amerika ein paar Stunden Zeit in Island haben - der internationale Flughafen Keflavík ist nicht weit entfernt von der Blauen Lagune.

Als ich abends um 17:30 Uhr wieder in Reykjavík bin (wenige Kilometer vor Reykjavík hatte der Schneefall offenbar urplötzlich aufgehört - dort war keine einzige Schneeflocke gefallen, nichts war weiß), ist es in der Innenstadt wieder wie zuvor: Fast ausgestorben, viele Geschäfte haben schon zu oder schließen gerade. Das Nachtleben in Reykjavík soll ja legendär und spektakulär sein - aber ich verzichte darauf, es kennenlernen zu wollen. Schon gerade und erst recht nach so einem extrem entspannten Tag. Sozusagen "Power-Relaxing". Zumal der Folgetag für mich wieder eine besondere Attraktion bereithält: Es geht auf den "Goldenen Kreis", den "Golden Circle" von Island.

 

"Golden Circle" - Der Goldene Kreis von Island

Morgens um acht Uhr sollte es dann an meinem Hotel für die Rundtour des Golden Circle (auf isländisch: "Gullni hringurinn") los gehen, und rechtzeitig saß ich in der Lobby. Als es dann schon gegen halb neun Uhr war, wurde ich langsam nervös: hat man mich vergessen? Findet die Tour womöglich gar nicht statt, weil ja eh nur wenige Touristen hier sind? Aber nein, mit über einer halben Stunde Verspätung wurde ich dann doch im Hotel aufgeschnappt - der Kleinbus hatte bis dahin schon verschiedene Hotels "abgeklappert", war immerhin fast schon voll und schnappte mich als letzten Fahrgast auf, also blieb mir die Fahrerei von Hotel zu Hotel durch das stockfinstere Reykjavík erspart. Direkt nachdem ich eingestiegen bin, geht es los auf die Rundfahrt.

Wie zuvor schon geschildert, ist es zu der Zeit noch absolut finster, das macht nichts, der Tourenleiter, der zugleich der Busfahrer ist, plaudert interessant, amüsant und gut verständlich langsam auf Englisch daher, erzählt einiges Grundsätzliches über Island und die Isländer. Mit anderen Worten: Ich bin in einem reinen Touristen-Programm, so, wie ich es mir ansonsten nur selten gönne. Aber ich bereue das keine Sekunde, der auch fließend deutsch sprechende Reiseleiter mit seinem verschmitzten Humor ist mir einfach sympathisch - es wird ein extrem kurzweiliger Tag.

Zum ersten Stopp der Golden-Circle-Tour müssen wir eine ganze Weile landeinwärts fahren, über einen "Pass" in 400 Metern Höhe. Die Überraschung auf dem Weg dort: Kaum haben wir Reykjavík verlassen, liegt dicker Schnee und es herrscht noch heftiges Schneegestöber. Schon am Tag zuvor, bei dem Besuch der "Blauen Lagune", fiel ja Schnee, der dann direkt vor Reykjavík wie abgeschnitten aufhörte. Nun fahren wir zwar in eine andere Richtung aus Reykjavík hinaus und ein wenig in die Höhe - und landen sofort wieder im Schnee. Es gibt ihn also doch im Winter auf Island, wie beruhigend!

Hveragerði

Der Ort Hveragerði ist berühmt für seine vielen Gewächshäuser und die Zucht von Bananenpflanzen. Als wir dort um 9:40 Uhr eintrafen, ist es noch stockfinstere Nacht und es liegen ca. 20 cm frischer Schnee - von dem zehn Kilometer zuvor und zehn Kilometer später gar nichts zu ahnen ist. Dieser Shop wird leider ein halbes Jahr nach meinem Besuch dort bei einem Brand vollständig zerstört.


 

 

 

Nach einer Dreiviertelstunde der erste Stopp, in der Ortschaft Hveragerði, bekannt für seine ca. 30.000 Quadratmeter Gewächshäuser. Wir machen eine erste Pause an einer "Service-Station" - diese bieten offenbar immer alles, was der Tourist an solchen Anziehungs-punkten so alles braucht (und was er auch nicht braucht). Von der Toilette über ein umfassendes Büffet bis zum peinlichem Touristennippes findet man alles in einer Service-Station. In dieser hier natürlich noch lokale Produkte des Anbaus in den Gewächshäusern. Besonders berühmt ist der Ort für seine Bananen-Pflanzen-Zucht, ja, wirklich! Unser Reiseführer wusste dazu eine Anekdote um den britischen Premier während des Zweiten Weltkrieges, Winston Churchill, zu erzählen. Als dieser im weit fortgeschrittenen Alter gefragt wurde, was ihn denn auf seinen vielen Staatsbesuchen besonders beeindruckt habe, antwortete er, dass ihn vor allem die Bananen beeindruckt hätten, die man ihm aus eigener Zucht in Island als Staatsgeschenk überreicht habe.

Nun ist Island zwar noch kein Exportstaat für Bananen und es gibt wohl nur eine Handvoll Leute, die die Zucht als Hobby betreiben - aber das zeigt ja schon, was mit Hilfe des direkt auf Island treffenden Golfstroms sowie mit Geothermie so alles möglich ist. Einer der Lieblingssätze des Reiseleiters war dann auch gleich mehrere Male "Thanks to the Gulfstream!"

Island Vulkan Kerið

Das war meine kompakte Kamera einfach überfordert: Sehr dämmeriges Morgenlicht, grau-brauner Boden, leicht mit Schnee bedeckt und dunkel-türkises Eis am Boden des erloschenen Vulkans Kerið. Heraus kamen bei meinen Fotos sonderbare, aber interessante Falschfarben-Kompositionen.

 

 

 

Eine gute halbe Stunde weiter der nächste Stopp: An dem erloschenen Vulkans Kerið riskieren wir einen Blick in den verblüffend tiefen Krater, der mit Wasser - also jetzt im Winter mit Eis - gefüllt ist. Mitten in der Landschaft ein riesiges, rundes, 55m tiefes Loch natürlichen Ursprungs - so etwas habe ich in meinen 50 Jahren noch nicht gesehen. Aus dem Gebiet mit dem dicken Schnee sind wir schon wieder heraus, hier sieht die Landschaft aus, wie leicht mit Puderzucker bestäubt. Es ist Viertel nach zehn Uhr, der Himmel ist leider mit dicken Wolken verhangen, trotzdem kann man schon eine Idee der ersten Morgendämmerung bekommen. Insgesamt ist das Licht aber so dürftig, dass meine Kamera nur Fotos zustande bringt, die ganz sonderbare Falsch-Farben haben. Sie ist mit dem dünnen Licht und den sonderbaren, fahlen Farben einfach überfordert. Mich hingegen verblüfft dieses tiefe, riesige Loch inmitten der flachen Landschaft. Aber der wiederum eisige, schneidende Wind lässt den Aufenthalt hier insgesamt recht kurz werden.

 

 

 

Am nächsten kurzen Stopp, eine runde halbe Stunde weiter, am breiten, aber nicht sehr hohen Faxi-Wasserfall, ist der Tag dann mittlerweile da. Das Licht bleibt dank der Wolken dämmerig, eigentlich den ganzen Tag lang. Immerhin jedoch hat man hier keine Ahnung mehr von Schnee - es ist schon lustig, wie unterschiedlich die Wetter-Bedingungen auf doch recht kleinem Raum sind! Der Wasserfall ist nicht sonderlich hoch (vielleicht fünf Meter), aber schön auf der ganzen Breite des Flusses. Interessant auch die Schaf-Sortieranlage ganz in der Nähe, in der die Bauern im Herbst ihre Schafe in der Gegend alle gemeinsam eintreiben, um sie dort in der Anlage zu sortieren und zu trennen. Ein netter kurzer Stopp auf der Golden-Circle-Tour, aber nun auch nicht gerade eine Sensation.

Island Thermalfeld Haukadalur

Ein unverzichtbarer Anlaufpunkt auf jeder Golden Circle-Tour: Das Thermalfeld Haukadalur. Hier dampft es an allen Ecken und Enden aus der Erde - und es gibt spektakuläre Geysire: Den Namensgeber aller Geysire weltweit, der Geysir "Geysir", und den alle paar Minuten ausbrechende Geysir "Strokkur".

 

 

 

Diese wartet dann aber eine Viertelstunde später auf unsere Reisegruppe: Wir kommen zu dem geothermalen Gebiet Haukadalur. Vielleicht ist dies nicht das spektakulärste Gebiet mit Geysiren in Island - aber irgendwie ist es halt die "Mutter" und Namensgeber aller Geysire der Welt. Der "Urgeysir", also der Geysir "Geysir" ist hier zu finden. Allerdings kommt man bei diesem leider nicht mehr in den Genuss, die Eruption einer Wasserfontäne beobachten zu können. Ein Erdbeben hat offenbar für solche Veränderungen im Boden gesorgt, dass "Geysir", der viele Jahre überhaupt keine Wasserfontänen mehr ausgestoßen hatte, ganz selten, aber hin und wieder eine Wasserfontäne ausstößt.

Aber sein unmittelbarer Nachbar, der ebenfalls berühmte Geysir "Strokkur", ist da ein sehr zuverlässiger Vertreter! Regelmäßig alle 8-10 Minuten gibt es bei ihm Eruptionen zu beobachten, die bis zu 35 m in die Höhe schießen. Der Zeitraum von 8-10 Minuten erscheint kurz, kann aber jetzt, bei dem immer noch anhaltenden eisigen Wind schon ganz schön lang werden! Hinzu kommt, dass er zwar zuverlässig in den Zeiträumen der Eruptionen ist - die Wassermenge und damit die Höhe und so der hinterlassene Eindruck variiert jedoch erheblich!

 

 

 

Die erste von mir neugierig erwartete Eruption war ein kleines Wölkchen von bestenfalls 1,5 Metern Höhe. Eine 1,5 m hohe Enttäuschung! Die nächste Eruption war dann jedoch so gewaltig, dass ich bei meinen Fotos nur eine weiße Wasserwand fotografierte. Und darüber hinaus auch schon reichlich durchgekühlt war. Aber es gab noch genügend "Vorführungen" von Strokkur, um schöne Fotos zu machen. Schade nur, dass der Himmel heute die gleiche Farbe hatte, wie die Wasserfontänen des Geysirs.

Aber es sind nicht nur die Geysire, die das geothermale Feld so interessant machen. Es gibt einiges zu sehen, was mit meinen norddeutschen Augen betrachtet wundersam ist. Kleine Pfützen, die beständig kochend vor sich hinblubbern. Ein kleiner Bach, der dampfend durch das Gebiet plätschert. Jede Menge Öffnungen im Boden, aus denen "einfach so" heißer Dampf entweicht. Alles natürlich kochend heiß - und sehr übelriechend: Es liegt ein strenger Geruch von Schwefelwasserstoff über der gesamten Gegend. Manchmal, wenn man direkt in die "Abgasfahne" eines heißen Tümpels gerät, ist dies schon sehr streng und heftig!

Über etwas anderes hatte ich mir zuvor keine Gedanken gemacht: Es ist ja schon seit längerer Zeit richtig kalt, Frost. Und wenn die Geysire, also vor allem "Strokkur", immer wieder Wasser in die Luft schleudern, dann bildet sich, natürlich, je nach Wind rund um ihn herum eine Eisschicht. Das war teilweise schon abenteuerlich, ja, gefährlich, sich über dieses teilweise spiegelblanke Eis in der Gegend um Strokkur zu bewegen. Zum Teil hatte der Wind das Eis aber auch ein wenig mit Sand aus dem Umgebung "abgestreut" und stumpfer gemacht. Vorsicht ist trotzdem geboten, aber ich beobachtete keine Stürze. Und wahrscheinlich ist man in der Servicestation darauf vorbereitet, dass im Winter gestürzte Touristen nach Hilfe suchen.

Island Geothermalfeld Haukadalur

Was für eine Farbenmischung, trotz des trüben Lichts! Was man jedoch hier nicht wiedergeben kann, ist der penetrante Geruch nach Schwefelwasserstoff.

 

 

 

Einen Blick auf die Umgebung sollte man auf keinen Fall versäumen! Die ganze Region sieht aus, wie eine fremde Mondlandschaft. Nie zuvor habe ich solch ein buntes Gemisch aus Sand und Stein auf einem Fleck gesehen: Roter Sand, schwarzes und grünliches Lavagestein, Gesteins-ablagerungen in braun bis beige an den Geysiren, dazwischen immer wieder mal grünes Moos und die türkis-blauen Flecken des Wassers und weißes Eis. Ach ja, fast vergaß ich den orangenen Lichtstreif der langgezogenen Morgendämmerung am Horizont unter dem ansonsten stahlgrauen Himmel. Eine fremde, aber auch faszinierende Komposition aus Naturfarben! Hellauf begeistert von diesem Fleckchen Erde, schere ich mich nicht um die Kälte und erkunde, was ich in den eineinhalb Stunden (Mittags-)Pause hier alles so erkunden kann. Großartig und magisch, was Island zu bieten hat! Solche Erlebnisse machen mich einfach nur glücklich!

Gerade mal eine Viertelstunde Fahrt weiter der nächste Höhepunkt der Tour: Der berühmte Wasserfall "Gullfoss" ("Goldwasserfall"). Wieder bekommen wir ausreichend Zeit, dieses Naturwunder zu würdigen. Der Reiseführer warnt uns ausdrücklich, den Weg unten entlang direkt zu dem Wasserfall zu nehmen - es sei extrem glatt! Und tatsächlich: Durch sprühendes Wasser aus dem Wasserfall hat sich auf dem dort angelegten Weg eine formidable Eisschicht gebildet. Trotzdem können einige aus unserer kleinen Gruppe offenbar gar nicht anders: Es zieht einen einfach magisch so nah wie nur irgend möglich an den Wasserfall heran. Selbstverständlich muss auch ich dieses Wagnis auf mich nehmen und zu dem kleine Plateau hin, auf dem man quasi direkt über dem Wasserfall steht.


Gullfoss Eis

... Trotzdem konnte auch ich nicht anders, als das Plateau zu erklimmen. Und wurde prompt mit unvergesslichen Ausblicken am "Gullfoss" belohnt.

 

 

 

Der kräftige (eisige) Wind hatte auch hier wieder sein Gutes: er hat aus der Umgebung eine hauchdünne Sandschicht auf das Eis geweht - so, als ob die Natur für uns den Weg ein wenig abgestreut hat. Es bleibt zwar trotzdem unheimlich glatt, aber es geht leidlich. Und: der Weg lohnt sich! Es ist ein faszinierendes Gefühl, auf dem kleinen (natürlich auch komplett vereisten) Plateau über dem Wasserfall zu stehen! Und es bietet einen wunderschönen Blick auf den in zwei Stufen 11 und 21 Meter hinabstürzenden Fluss Hvítá. Auch und gerade, weil es Winter ist und sich sonderbare Eislandschaften rund um den Wasserfall gebildet haben. Zum Teil sieht das Eis bräunlich aus - dem himmlischen Sandstreuer sei Dank.


Gullfoss Umgebung

Der Blick über den Wasserfall "Gullfoss" zeigt gut die kleine Schlucht, in die das Wasser mit enormer Wucht hinab stürzt. Und die Umgebung ist isländisch-karger Schönheit.

 

 

 

Zurück-geschlittert über den vereisten Fußweg und hinaufgegangen auf die Aussichtsebene oberhalb des Flusslaufes bietet sich ein toller Panoramablick sowohl über den Wasserfall, als auch seine Umgebung - die teilweise recht schroffe, bis zu 1000 m hohe Bergkette in nordwestlicher Richtung ist beeindruckend, ebenso, wie der sich in deren Hintergrund erhebende Gletscher Langjökull, den man zumindest schemenhaft ahnen kann. Auch dies hier in seiner Gesamtheit ein magischer Ort.


Islandpferde auf Island

Gutmütig, zuverlässig, robust und auch ein Sinnbild für Islands Natur - unserem Guide der Golden-Circle-Rundtour war es ein persönliches Bedürfnis, uns die neugierigen Island-Pferde nahe zu bringen. Das Vorhaben wurde auch durch den strömenden Regen nicht gestoppt.

 

 

 

Noch einen kurzen Stopp gibt es (es regnet gerade mal heftig), um die gutmütigen Island-Pferde kennen zu lernen. Sehr widerstandfähig und perfekt an die robuste Umgebung angepasst. Sie können fünf verschiedene Gangarten gehen: Neben den üblichen Schritt, Trab und Galopp gehen sie noch Tölt und Pass. Auch auf dem europäischen Festland werden Islandpferde immer beliebter, aber: Ein Pferd, dass Island einmal verlassen hat, darf nie wieder zurück. Eine Einfuhr von Pferden nach Island ist komplett verboten.


Thingvellir Eisbrocken

Die Ebene von Þingvellir ist zum Zeitpunkt meines Besuchs teilweise übersät Eisbrocken, die wie absichtlich verstreut aussahen. Einige waren sehr groß und sehr schwer - und niemand weiß so recht, wie sie hierhin gekommen sind. Vielleicht waren Trolle am Werk?

 

 

 

Der nächste magische Ort folgt eine Stunde später: Wir erreichen den Platz der Plätze in Island - Þingvellir. Faszinierende Geologie trifft hier auf herausragende historische Bedeutung für die Isländer. Quer durch die Ebene zieht sich die Bruchkante der auseinander driftenden nordamerika-nischen und eurasischen tektonischen Kontinentalplatten. Man befindet sich also in einem Gebiet, das in nicht allzu langer Vergangenheit durch immer mal wieder aus dem Erdinnern hinaufsteigende Lava gebildet wurde.


Thingvellir Almannagja

Spektakulär der Gang durch die "Jedermann Schlucht" (Almannagjá)! Man verlässt den Ort mit dem Gefühl: Die Erde, sie lebt und bewegt sich!

 

 

 

Wieder eine grandiose Umgebung, wenn auch wieder auf andere Weise, als die anderen Ziele auf dieser Tour. Eine wie von einem Messer gezogene, ca. 30 Meter hohe Abbruchkante an der nordamerika-nischen Kontinental-platte wirkte auch schon auf die eingewanderten Wikinger magisch anziehend, bereits am Jahr 930 hielten sie genau hier ihren ersten "Althing" ab, eine Pflicht-Versammlung aller freien und volljährigen Männer Islands. Island nimmt aus dieser Tradition abgeleitet für sich in Anspruch, eine der ältesten parlamentarischen Demokratien der Erde zu sein (auch das heutige Parlament heißt übrigens noch Althing). Viel später, am 17. Juni 1944, wurde natürlich an genau diesem Ort die Unabhängigkeit Islands von Dänemark erklärt. Große, besondere Feierlichkeiten werden auch heute noch in Þingvellir (der Buchstabe Þ wird ähnlich wie das stimmlose englische "th" ausgesprochen) begangen. Bedauerlich nur das schlechte Wetter, das meine Reisegruppe an diesem außergewöhnlichen Ort etwas beeinträchtigt: Regen...

Wie schade, dass die dunklen, schweren Wolken die Umgebung in allzu fahles Licht rücken. Auch der Wind rüttelt wieder an einem, besonders auf der oberen Kante der nordamerikanischen Platte. Die vielen Tropfen des eher nieseligen Regens prasseln ins Gesicht wie kleine Pfeile.

Eine knappe Stunde später sind wir dann wieder in Reykjavík, gerade zur letzten Abend-Dämmerung. Nach dem schon fast obligatorischen Besuch eines Cafés erweist es sich als gute Idee, in der Dunkelheit noch mal den Weg zu "Perlan" zu nehmen. Auch und gerade jetzt ist der Blick über Reykjavík faszinierend. Abends öffnet dann auch das als sehr exzellent gerühmte Restaurant in der Spitze der Kuppel von Perlan. Man kann dann bei einem guten Essen einen Rundum-Blick über die Metropole genießen: Das Restaurant dreht sich langsam um seine Achse.


Reykjavik Perlan nachts

Auch bei Nacht ist Perlan und der Blick über Reyklavik faszinierend.

 

 

 

Aber auch ohne das ist der Blick auf das nächtliche Reykjavík schön. Besonders toll: ich registriere begeistert, dass die Steife Brise meiner bisherigen Zeit in Reykjavik deutlich nachgelassen hat - das erste Mal, seit ich hier bin ist es nahezu windstill. Da fühlen sich die paar Grad minus schon fast angenehm an und ich mache ausführlich Nachtaufnahmen von der Stadt. Es fällt mir schwer, mich von dem Blick loszureißen.

Nicht erwähnt werden muss hier, dass ich mich dann auf dem Rückweg von Perlan zu meinem Hotel das erste und einzige Mal in Reykjavík total verlaufen habe. Schon bei dem Start auf Perlan habe ich mich an einem falschen Hochhaus orientiert - und bin gleich in eine völlig falsche Richtung gelaufen. Das Ergebnis: eine dreiviertel Stunde Weg durch unansehnliche, große Wohnhäuser, zumeist entlang an stark befahrenen Straßen.

Lustig und interessant waren neben die vielen Eindrücken an diesem Tag die rasant wechselnden Wetterbedingungen: Morgens trocken, aber sehr windig, dann unterwegs heftiges Schneegestöber, beim ersten Stopp kein Schneefall, aber eine dicke Schneedecke, ein Stückchen weiter ein wenig Pulverschnee, aber stürmischer Wind. Noch ein Stück weiter kein Schnee mehr, nur noch Wind - und dies hielt so ähnlich eine Weile an. Später erlebten wir dann in der Ebene noch prasselnden Regen und in Þingvellir sozusagen horizontalen Nieselregen. Nach Einbruch der Dunkelheit war es dann bei plötzlicher Windstille ganz ruhiges Winterwetter. Nichts ist offenbar konstanter als der Wechsel des Wetters in Island. Dafür ist die Insel ja auch berühmt.

 

Der letzte komplette Tag in Reykjavík

 

 

 

Der folgende Tag soll noch einmal einen Spaziergang durch Reykjavík bringen. Am Wasser entlang, mal den Hafen anschauen, und weiter bis zur Landspitze der Bucht, an der Reykjavík liegt. Diese Landspitze gehört schon nicht mehr zu Reykjavík, sondern zu der Ortschaft Seltjarnarnes (immerhin die elftgrößte Stadt Islands - allerdings mit gerade mal rund 4.400 Einwohnern). Ganz an der Spitze der Bucht soll eine kleine Insel liegen mit einem Leuchtturm darauf. Das stelle ich mir ganz idyllisch vor und dorthin soll mein Weg mich führen.

Zu der Zeit, in der ich in Reykjavík bin (Anfang/Mitte Januar), geschieht eigentlich dramatisches am Himmel: Pro Tag werden die Tage um sechs Minuten länger - also das Tageslicht verlängert sich jeden Tag um ganze sechs Minuten! In den fünf Tagen, an denen hier weile, verlängert sich das Tageslicht also schon um fast eine halbe Stunde (in Deutschland sind dies im günstigsten Fall höchstens zwei Minuten pro Tag). Diese Verlängerung des Tageslichts bemerke ich - es ist kaum zu glauben! - tatsächlich nach fünf Tagen schon. Um zehn Uhr ist es heute schon so hell, dass Fotos bei Tageslicht möglich sind.

Der Tag beginnt zwar wieder so grau, wie die anderen Tage, aber: es ist deutlich wärmer und der Wind ist, wie ich es schon am Abend zuvor bemerkt hatte, noch weiterhin eingeschlafen. Ein sehr angenehmer Tag!

Seltjarnarnes Haus vor Berg

Am Stadtrand von Seltjarnarnes liegendes, einsames Haus vor gewaltiger Kulisse.


 

 

 

Auch reißen die dichten Wolken mehr und mehr auf. Und ebenso wird die Stadt mehr und mehr in ein langanhaltendes goldenes Licht getränkt. Goldenes, nordisches Licht: Magisch, großartig, phantastisch! Wieder ist der Himmel über Reykjavík der Star! Wieder kann ich mir nicht vieles vorstellen, was schöner wäre, als jetzt hier am Meer entlang zu spazieren und diesen stundenlangen Sonnen-auf-untergang hinter Wolfenfetzen zu beobachten. Meine Güte, ist das schön! Was für ein glücklicher Mensch ich bin, dass ich dies hier durch die Großzügigkeit als Geschenk von Freunden und Verwandten erleben darf!

Seltjarnarnes Grotta

Das Ziel meines Spaziergang ist in Sichtweite: Der Leuchtturm vor der Stadt Seltjarnarnes. Hinter ihm kommt bis Grönland erst mal nur noch Wasser - der Nordatlantik. Trotz des einladenden Wetters sind gar nicht viele andere Spaziergänger an diesem schönen Fleckchen Erde unterwegs.


 

 

 

Insgesamt erlebe ich ein großartiges Spiel aus Licht und Schatten, bin ständig am fotografieren. Gegen 12 Uhr rückt der Leuchtturm langsam in Sichtweite - und gleichzeitig gibt sich die Sonne die Ehre und kommt hinter den Wolken empor. Der weiße Leuchtturm auf der Insel "Grótta" erstrahlte hell - vor einer finster über dem Meer stehenden Wolkenwand. Welche ein imposanter Blick, zum Weinen schön! Viele Versuche starte ich, dieses Schauspiel mit meiner kleinen Kompaktkamera zu fotografieren - aber ich weiß von vornherein, dass sie diesen enormen Licht-Kontrast nicht wirklich erfassen kann. Sehr schade! Aber es ist ein wunderschönes Fleckchen Erde hier, und jede Minute des kilometerlangen Weges hierhin wert.

Eigentlich staune ich darüber, wie wenige Einheimische es zu diesem großartigen Ort zieht. Aber es ist mir ganz recht, dass man diesem Schauspiel hier offenbar mit Gelassenheit begegnet. Im heimischen Hamburg wäre man jetzt schon wieder, auch wegen der angenehmen Temperaturen, völlig hysterisch, würde den anbrechenden Frühling beschreien und hier in langen Reihen dicht gedrängt durch die Gegend stratzen. Den Einheimischen liegt dies offenbar sehr fern. Hysterie ist wohl eine eher deutsche Eigenschaft.

Reykjavik Sonnenhöchststand Januar

Ein schönes Spiel aus Licht und Schatten vollzieht sich an diesem Tag am Himmel. Es ist kurz vor 13 Uhr, die Sonne steht kurz vor ihrem Höchststand (der an diesem Tag in Reykjavík um 13:35 Uhr erreicht wird)...


 

 

 

Immer wieder mal versteckt sich die Sonne und lugt dann doch wieder hervor. Das Lichtspektakel am Firmament geht unaufhörlich weiter. Gegen 13:30 Uhr hat die Sonne über Reykjavík ungefähr ihren Höchststand. Amüsiert registriere ich, dass ich dann einen ca. 20 Meter langen Schatten werfe. Bei Sonnenhöchststand! Vor einem guten halben Jahr war mein Schatten zur Mittagszeit gerade mal ein kümmerlicher Klecks direkt unter mir. Okay, das war allerdings auch im sommerlichen Dubai (siehe Reisebericht Dubai).

Seltjarnarnes Wohnblocks

Isländische Plattenbausiedlung - Wohnhäuser direkt am Meer in Seltjarnarnes.


 

 

 

Gemächlich spaziere ich zurück gen Reykjavík, mitten durch die Wohngebiete von Seltjarnarnes, zumeist nicht unbedingt einladende Mehrfamilien-häuser, schaue eine ganze Weile einem Fußballspiel zu (sicherlich ein Freund-schaftsspiel, die Saison läuft in Island noch nicht) und sinniere währenddessen darüber nach, dass in Mittel- und Südeuropa gerade "Winterpause" ist.

Alles hier ist überaus ruhig und friedlich. Nach einer Stunde bin ich wieder im Zentrum von Reykjavík. Es ist tatsächlich so warm (laut Internet sind es fünf Grad. Plus, wohlgemerkt!), dass ich hin und wieder Leute in kurzen Hosen sehe ("thanks to the gulfstream!" denke ich...). Selber öffne ich auch meine Winterjacke, setze mich ein paar Minuten auf eine Bank in die Sonne am See Tjörn im Stadtzentrum (noch einmal betont: Es ist der 15. Januar - und ich sitze in Island gemütlich bei angenehmen Temperaturen auf einer Bank in der Sonne! Das widerspricht wohl sämtlichen Wetter-Klischees, die man von diesem Land so hat). Und ich bin da nicht der einzige, der auf diesen Gedanken kommt.

Reykjavik Einkaufsstraße

Es ist ordentlich was los an diesem Samstagnachmittag in Reykjavík! Kein Wunder: Bei plus fünf Grad (am 15. Januar!) und fast Windstille lockt es einfach nach draußen. Einige sind dann auch gleich in kurzer Hose unterwegs.

 

 

 

Weiter führt mich der Weg in die Einkaufsstraßen. Anders, als an den Wochentagen ist hier heute eine Menge los. Die Einheimischen sind auf Shopping-Tour - und das nicht nur, wie die Tage zuvor, aus dem Auto heraus, sondern auch zu Fuß. Während ich noch ein wenig amüsiert darüber nachdenke, ob dieses Tragen von kurzen Hosen nicht einfach nur eine Form von Angeberei bei jungen Leuten ist, führt mir ein wohl noch pubertierender Reykjavíker vor, was wirkliche Angeberei ist: Bei fünf Grad plus im T-Shirt, mit dünner kurzer Hose und mit Flip-Flops durch die Stadt zu laufen. DAS ist nun wirklich maßlos übertrieben - und doch auch sehr lustig! Aber letztlich bekomme ich den Eindruck, dass man hierzulande ein anderes Temperaturempfinden hat, als die Menschen daheim.


Reykjavik Hallgrimskirkja innen

Im Inneren zeigt die Hallgrímskirkja eine beeindruckende Schlichtheit.

 

 

 

Ein verabredeter Termin zum Winken zur Heimat in eine Live-Webcam platzt danach, die Web-Kamera ist gerade jetzt außer Betrieb, so etwas passiert also auch High-Tech-Ländern wie Island mal. Statt dessen fahre ich heute dann mit dem Fahrstuhl hinauf in den Kirchturm der Hallgrímskirkja. Einen vorzüglichen Blick über die Stadt hat man tatsächlich von dem insgesamt 74,5 Meter hohem Turm - dem zweithöchsten Gebäude Islands. Die erste Überraschung aber beim Aussteigen aus dem Fahrstuhl ist jedoch der Geruch in der Luft: es riecht kräftig nach Schwefelwasserstoff, also nach "faulen Eiern". So, wie in dem geo-thermalen Feld Haukadalur einen Tag zuvor. Komisch jedoch, dass man diesen intensiven Geruch am Boden noch gar nicht ahnen konnte.

 

 

 

Die Zeit schreitet voran, es geht bereits gegen 16 Uhr und es liegt ein schönes, leicht abendliches Licht über Reykjavík (obwohl es mittlerweile erst gegen 18 Uhr richtig dunkel wird). Immer noch, wie bereits den ganzen Tag, gibt es ein grandioses Wechselspiel aus Sonnenlicht und Wolken am Himmel. Von der erhöhten Standort auf dem Kirchturm aus bekommt man auch einen guten Eindruck davon, wie die Stadt selber strukturiert ist (viele Wohngebiete sehen wirklich eng und wenig einladend aus!) und wie die Umgebung Reykjavík ist. Letztere wird teilweise durch das Meer bestimmt, und durch Bergketten mit etwa 1000 Metern Höhe. Diese Berge sind völlig unbewachsene Felsen, die rundgeschliffen aussehen und zum Teil ab ein paar hundert Metern Höhe Schnee tragen. Reykjavík ist landschaftlich beeindruckend schön gelegen!

Reykjavik Flohmarkt

Es ist Zeit für Flohmarkt in Reykjavík. Es geht sehr lebendig und quirlig zu - ausgerechnet in der Halle des isländischen Zolls.

 

 

 

Unbedingt einen Besuch Wert ist für mich danach noch der Flohmarkt Kolaportið, der am Wochenende interessanter-weise in den Hallen des Zollamts stattfindet. Neben dem üblichen Trödel kann man hier auch landestypische Speisen kaufen. Für die Rückreise und die Lieben daheim statte ich mich hier also wieder mit dem süßlichen Schwarzbrot "Hverabrauð" aus, mit einer besonderen Art geräucherter Pfannkuchen aus der Stadt Sellfoss, sowie - endlich! - mit einem ansehnlichen Beutel Trockenfisch (Schellfisch). Für den muss man auch hier eine stattliche Summe auf den Tisch legen (2000 Kronen, umgerechnet ca. 13 Euro), aber das ist nur ein Bruchteil des Preises im Billig-Supermarkt. Wochenlang werde ich zu Hause noch von diesem köstlichen, aber etwas gewöhnungsbedürftigen Fisch essen (die Isländer bestreichen ihn mit Butter und kauen den zähen und fransigen, aber sehr geschmackvollen Fisch dann ausgiebig). Es gab daheim jedoch nach einiger Zeit Proteste in der Familie über den extrem fischigen Geruch im Kühlschrank. Das Besondere jedoch bei dem Einkauf auf dem Flohmarkt: Man kann dort, wie ich mehrfach beobachtete, NICHT mit Kreditkarte bezahlen! Ansonsten ist das in Island immer und überall üblich, selbst bei kleinsten Beträgen wie einem Kaffee. Bargeld ist eher unbeliebt, und manchmal gibt es Probleme mit dem Wechselgeld, selbst in Supermärkten. Hier in der Zollhalle ist Bargeld jedoch notwendig!

 

 

 

Direkt vor der Zollhalle trifft man dann auf das "Restaurant", das bereits im Icelandair-Flugzeug auf dem Herflug als das berühmteste Restaurtant Islands angekündigt worden war: "Bæjarins Beztu Pylsur". Pylsur gibt es in diesem "Restaurant", das eigentlich nur eine winzig kleine Imbissbude ist. Pylsur sind isländische Hotdogs - und hier soll es die besten des ganzen Landes geben. Die bekommt man hier für umgerechnet zwei Euro mit allem Drum und Dran. Für einen Euro mehr mit der obligatorischen Cola dabei. Angeblich gibt es in jedem isländischen Magen zu jeder Tages- und Nachtzeit noch Platz für einen Pylsur und darum soll es hier immer, zu allen Tages- und Nachtzeiten, eine Warteschlange geben. Nun, zumindest wenn ich hier entlang kam, war dies tatsächlich immer so. Aber: Man muss sie probieren, die Pylsur! Der Verkauf ist extrem schnell und professionell und wird von gerade mal zwei super-schnellen Personen abgewickelt, die alles machen. Nach meinen Beobachtungen geht spätestens alle zehn Sekunden ein Hot Dog über den Tresen, nebst Cola. Dies würde einem Umsatz von ca. 18 Euro bedeuten - pro Minute. Nicht schlecht für einen Imbiss! Berühmt und durch ausgehängte Zeitungsartikel verbürgt ist, dass der amerikanische Ex-Präsident Bill Clinton hier auch schon einen Pylsur verspeist hat - wenn auch nicht in der üblichen Version "with everything".

Um 18 Uhr dann erstirbt das Leben in der Stadt auch heute wieder, sehr plötzlich, ja, schlagartig. Große, einladende Cafés wie das Café Paris, stehen völlig leer herum, von ca. 50 Tischen sind dort höchstens drei Tische besetzt. Andere Kneipen jedoch platzen plötzlich fast vor Menschen. Der Grund: das Café Paris hat keine Fernseher, andere Kneipen dagegen schon... Denn: Die Handball-Weltmeisterschaft hat heute begonnen - und die Isländische Nationalmannschaft spielt gegen Ungarn (und besiegt diese souverän) um die Krone des Welt-Handballs. Das ganze Land liegt offenbar im Handball-Fieber - so, wie Deutschland während einer Fußball-WM. Und Public Viewing liegt auch hier im Trend, wenn auch nicht im Freien, sondern eben in Kneipen und Cafés. Überall in der Stadt lagen in den Tagen zuvor schon große, dicke, kostenlose Sonderhefte herum, die über dieses Event berichten. Island - im Fieber. Beim Handball.

Abbitte muss ich zumindest innerlich bei den Isländern leisten! Kam ich doch mit der Erwartung nach Reykjavík, dass die Menschen hier, weit abseits vom Rest der Welt, womöglich etwas sonderbar, vielleicht etwas verschroben und eigenbrötlerisch sind. Das Gegenteil jedoch ist der Fall: Alle Leute, mit denen ich irgendwie zu tun hatte, waren sehr offen, unkompliziert, freundlich, praktisch - weltgewandt nennt man das wohl. Die Sprache ist überhaupt kein Problem. Alle sprechen Englisch. Fast alle viel besser als ich, natürlich.

Der Tourleiter meiner Golden-Circle-Tour dazu: "Allen Isländern ist klar, dass niemand auf der Welt isländisch lernen will und wird - also lernen die Isländer fleißig andere Sprachen um mitreden zu können." Eigentlich alle sprechen, ihm zufolge, Englisch und zumindest eine weitere Fremdsprache fließend. Ob Island wohl der EU beitreten wird, möchte ich von ihm wissen? Nein, meint er, keine Chance! Weder auf die Spikes an den Autos, noch auf die traditionelle Namensgebung wird man jemals verzichten wollen. Auch die hart erkämpften Fischfangrechte wird man sich nicht mehr nehmen lassen!

Reykjavik Leif Eriksson

Man sagt, Leif Eriksson (auf isländisch Leifur Eiríksson) sei ein großartiger Kopfballspieler gewesen... Nein, pardon, Unfug: Dem großen isländischen Seefahrer und Entdecker hat man ein Denkmal gesetzt...


 

 

 

Island ist ein von der weltweiten Finanzkrise schwer gebeuteltes Land, das von einigen gierigen Finanz-Hasadeure ganz, ganz nah an den finanziellen Abgrund gebracht wurde. Vielleicht sogar noch ein Stückchen weiter. Am liebsten würde man diese Typen, ganz in alter Wikingertradition, einfach der Insel verweisen. Das meinte jedenfalls mein Reiseleiter der Golden-Circle-Tour so. In Reykjavík wählte man daraufhin aus lauter Ärger und Trotz einen früheren Punker und heutigen Comedian zum Bürgermeister, der mittlerweile unumwunden zugibt, dass dieser Job ja viel schwieriger ist, als er jemals vermutet hätte.

Es wäre bei all dem doch zu und zu schön, wenn dieses überaus sympathische 320.000 Einwohner-Land doch mal Meister der ganzen Welt werden würde! Iceland - on top of the world...? Zumindest beim Handball ist man da verblüffend nahe dran, aber es klappte dann leider doch nicht ganz. Also drücke ich kräftig die Daumen für die nächsten Male!

Ansonsten aber haben die fünf Tage Island im tiefsten Winter mir grandios gefallen! Die Reise - meiner lieben Verwandtschaft und meinen Freunden sei es vielmals gedankt! - die ja eigentlich nur ein kurzer "Schnupperkurs Island" war, hat mir den Mund geradezu wässrig gemacht, mehr von diesem Land sehen und erleben zu wollen! Ein Land mit spektakulärer, grandioser Natur. Wohl oder übel werde ich noch einmal dorthin reisen müssen. Dann aber mit viel mehr Tageslicht, aber nur ganz geringfügig höheren Temperaturen - im Isländischen Sommer!

 

Eine Sammlung mit 100 großformatigen Fotos der Reise nach Reykjavik finden Sie hier auf meinen externen Seiten.

 

 

 

 

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Dirk Matzen

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