Reisebericht Groningen (Niederlande) -
  Groningen - Großartig!

Reisebericht über eine Städtereise nach Groningen in den Niederlande, im August 2017
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Groningen Museum

Ein spektakulärer, unübersichtlicher Bau: Das Groninger Museum, gebaut in das Wasser des Südhafens.

 

Was ist da nur schief gegangen? Warum bin ich in meinem bisherigen Leben so selten in den Niederlanden gewesen? Was für ein Versäumnis!

Denn die Niederlande entwickeln sich anscheinend zu einem wirklichen Wohlfühl-Land für mich - die Menschen sind hier so nett, das Lebenstempo ist so angenehm, die Städte schön und einladend.

So, wie gerade in Groningen erlebt...

Es ist Anfang August 2017, als ich plötzlich und etwas überraschend einen gewissen Handlungsbedarf habe. Es wird mir zum einen von meinem üblichen Hotel-Buchungs-Portal ankündigt, dass meine freie Hotel-Bonus-Übernachtung in drei Wochen verfallen wird. Bonus-Hotel-Nacht - huch -war da was? Total vergessen! Das kann ich ja nun nicht verfallen lassen! Zum anderen gelingt es mir dann noch, einen freien Freitag auf der Arbeit zu ergattern. Zu der einen freien Hotel-Nacht spendiere ich mir dann noch eine zweite Nacht hinzu. Gerade mal drei Wochen zuvor war ich ein verlängertes Wochenende im dänischen Aarhus - und war begeistert von der Lebensqualität, die mich dort geradezu ansprang. Ob dies in Groningen auch so ist?

Also ab jetzt - nach Groningen! Wohin denn eigentlich sonst an einem leicht verlängerten Wochenende vom heimatlichen Hamburg aus?

Denn - es wird ja langsam Zeit, dass ich diesen schon lange in mir schlummernden Gedanken mit einer Städtetour nach Groningen mal in die Tat umsetze.

Genau kann ich mich sogar an den Moment erinnern, in dem mir die Idee zu einer Reise nach Groningen aufkommt: Im Herbst 2011 habe ich eine Radtour auf der Vechtetal-Route unternommen. Die Strecke führt auch ein gutes Stück in die Niederlande hinein und endet in der zauberhaften Stadt Zwolle. Und Zwolle hat meiner Begleiterin und mir dann so gut gefallen und so viel von dem niederländischen Wohlfühl-Land geboten, dass ich umgehend beschließe, doch endlich mal mehr von den Niederlanden kennen lernen zu wollen!

Und die konkrete Idee hierzu entsteht seinerzeit umgehend - auf der Rückfahrt von eben dieser Radtour mit dem Zug. Das Fahrrad neben mir sitze ich im Zug von Lingen nach Bremen, stehe eine Weile in Leer im Bahnhof - und registriere auf dem Nebengleis einen Zug nach Groningen. Ach, denke ich, sieh mal an - das ist ja einfach! Nach Leer kommt man von Hamburg aus ja recht einfach, dann kurz den Zug wechseln - und schon bist Du in einer niederländischen Stadt, in Groningen. Bei nächster Gelegenheit machst Du das!

Und diese "nächste Gelegenheit" kommt, nun ja, beinahe prompt - also fast sechs Jahre später. Wird ja auch langsam Zeit!

Und ganz so einfach ist die Anreise nach Groningen dann 2017 allerdings nicht mehr. Der Grund dafür: Im Dezember 2015 wird die Ems-Brücke bei Weener bei einem Schiffsunfall so dermaßen demoliert, dass sie unbenutzbar ist - und bleibt (erst 2024 soll eine neue Brücke in Betrieb gehen). Das heißt: Keine Zugfahrt von Leer nach Groningen möglich! Statt dessen fahren Ersatzbusse.

Als ich dann bei meiner Städtetour im August 2017 nach einer Anreise in verblüffend vollen Zügen (okay, es ist immerhin Freitag, aber noch morgens) am späten Vormittag in Leer auf dem Bahnhof ankomme, sehe ich etliche Busse, viele Schüler um mich herum, wenig Reisende wie mich - aber keinerlei Hinweis auf einen Bus nach Groningen. Auch keinen Hinweis auf einen Bussteig, wo der fahren könnte. Auch kein Personal, das man fragen könnte. Also mal warten und gucken.

Etwas unruhig werde ich nach einer guten halben Stunde Wartezeit, als sich dann ein etwas ranzig aussehender 80er-Jahre Bus ohne irgendwelche Zielangaben irgendwo hinstellt. Und tatsächlich: Das ist der Schienenersatz-Verkehr nach Groningen. Man erfährt dies allerdings nur, wenn man den Busfahrer fragt. Nennen wir diese Abwicklung mal "unaufdringlich". Nach etwas Wartezeit geht es los, letztlich komme ich gut und sicher nach Groningen - wenn auch fast eine Stunde später, als in Aussicht gestellt. Aber das ist ja auch nicht schlimm.

 

Ankunft in Groningen - wie in einer Großstadt

Allzu viel weiß ich über Groningen gar nicht. Eine gute Freundin hat hier zu Studienzeiten mal ein Auslandsjahr verbracht - und dies sehr gerne. Aber sonst? Immerhin habe ich auf den letzten Drücker vor meiner Anreise noch einen Reiseführer speziell über Groningen gekauft - und bin eher verblüfft, dass es überhaupt einen gibt. Das Schmökern auf der Hinfahrt steigert meine Vorfreude auf den Aufenthalt in Groningen allerdings erheblich - offenbar komme ich in eine hübsche, lebendige Stadt.

 

 

 

 

Doch dann erschrecke ich mich fast, als ich am frühen Nachmittag im Groninger ZOB aus dem Bus steige. Alles um mich herum sieht richtig großstädtisch aus. Große Straße, viel Verkehr, zumeist große Häuser, viele Leute. So gar nix heimeliges!

Ach ja - auch viele dunkle Wolken sind zu sehen, bei immerhin angenehmen, sommerlichen Temperaturen.

Das da drüben, in einiger Entfernung, über den Kanal ist es wohl der ungewöhnliche Bau des Groninger Museums, was ich da erblicke. Aber das ist mir als "Einstieg in die Stadt" jetzt zu viel - also mache ich einen kleinen Schlenker, will erstmal die Stadt allgemein ein wenig erkunden, "erfühlen". Um das Hotel aufzusuchen ist es noch etwas zu früh - also stromere ich frei nach Schnauze etwas durch die Innenstadt.

 

Groningen: Ankommen und wohlfühlen

Gerate dabei in eine parkähnliche Allee, gerahmt von schöner, eher gutbürgerlicher Wohnbebauung. Schön - ja, richtig schön ist es hier, und friedlich! Keine Spur von Hektik zum Beginn des Wochenendes. Sofort fühle ich mich wohl. Schlage den Weg nach rechts ein, gehe die Straße entlang. Die "Sint-Jozefkerk" (St. Joseph-Kathedrale) kreuzt meinen Weg, der 76 m hohe, schlanke Turm fällt mir auf - eine Weile betrachte ich das Bauwerk, finde es beeindruckend.

Groningen, St. Joseph-Kathedrale

Blick in die "Verlengde Oosterstraat" mit der St. Joseph-Kathedrale. Nur: Die Autos fehlen!

Und warum fahren fast keine Autos an der Kirche vorbei? Die anliegenden Straßen sind groß, es ist der Innenstadtbereich - aber es herrscht Ruhe rundherum. Friedlich ist es auch hier.

Noch ein paar Minuten später sitze ich auf einer Bank am Oosterhaven. Links die Gracht, auf der anderen Seite des Wassers schöne alte Bauten, vor mir der Hafen mit einer schier unübersichtlichen Masse an verschiedensten Yachten, Schiffen und Booten, auf der anderen Seite des Gewässers moderne Wohnbebauung, die interessant ausschaut - um mich herum herrscht gelassene Ruhe. Und all das beinahe mitten in der Innenstadt.

Groningen, Oosterhaven

Man ist hier fast direkt im Zentrum von Groningen: Eine unübersichtliche Zahl an Booten und Kähnen im Oosterhaven - gerahmt von abwechslungsreicher Wohnbebauung.

 

 

 

Spätestens jetzt, allerspätestens hier - verliebe ich mich spontan in diese Stadt. Der wievielte schöne Ort in Groningen ist das denn hier, auf diesem gerade mal etwa einem Kilometer Weg? Hier in der von Kanälen und Flüssen umgebenen Innenstadt verströmt Groningen jede Menge liebenswertes Flair. Man spürt das sofort!

Groningen hat insgesamt eine Stadtgröße, die ich oftmals sehr mag: Rund 200.000 Einwohner leben in der Stadt Groningen - ein Viertel (!) davon Studenten. Eine junge Stadt, von den Einwohnern her betrachtet. Ansonsten ist Groningen als Siedlungsgebiet eher alt: Die ältesten Spuren stammen aus dem 3. Jahrhundert vor Chr., dauerhaft besiedelt ist das heutige Zentrum der Stadt seit dem 7. Jahrhundert.

Industrie gibt es nicht allzu viel in Groningen, die Stadt ist eher ein Handels- und Dienstleistungszentrum. Besonders die Wasserstraßen haben die Bedeutung der Stadt geprägt. Den Straßenverkehr jedoch hat man im Stadtzentrum mittlerweile weitgehend ausgesperrt und ansonsten durch Schaffung von Sektoren dafür gesorgt, dass eine direkte Durchfahrt durch die Innenstadt mit dem Auto kaum mehr möglich ist, für Privatwagen überhaupt nicht.

Vielleicht ist es ja das, was mich sofort begeistert? Massenhaft Radfahrer sieht man durch die Stadt fahren - und auch das völlig ohne Hektik. Wohl etwa 95-98 Prozent der Radler sind mit den typischen Holland-Rädern unterwegs, und das in gemächlichem, gemütlichem Tempo. Und, natürlich, lässig ohne Helm. Es scheint auch bei den Radlern die Maxime zu gelten: Keine Hektik bitte! Helme sehe ich allein nur auf Köpfen der Rennradfahrer, von denen ich am Wochenende ein paar durch die Stadt fahren sehe - deutlich zügiger, als alle anderen Radler. Nur in ganz wenigen Mittelstädten Europas wird mehr Fahrrad gefahren, als in Groningen. Eine echte Fahrradmetropole!

Man muss als Fußgänger in der Innenstadt schon ein wenig aufpassen, um mit den vielen Radlern nicht in Konflikt zu kommen. Aber insgesamt verleihen diese Maßnahmen der Innenstadt einfach viel Frieden und Ruhe. Das darf man aber keineswegs missverstehen: Die Innenstadt ist trotzdem (oder gerade deswegen?) quicklebendig! Eigentlich sind ständig viele Leute unterwegs, auch nachts ist hier viel los.

 

Unterwegs in der Innenstadt von Groningen

Als ich mich wieder auf den Weg mache, lande ich prompt auf dem "Vismarkt", dem Fischmarkt: Ein hübsches Gebäudeensemble rund um den Markt, an dessen Ende die A-Kirche steht, mitten auf dem Markt ist gerade ein Wochenmarkt, über den ich natürlich sofort eine Runde drehe, und rundherum rollen beständig Radfahrer. Insgesamt also ein wunderschöner Marktplatz - ich bin ganz verzückt. Der Turm der A-Kirche beeindruckt auch, sieht für mich irgendwie "typisch niederländisch" aus.

Groningen, Rijksuniversiteit

Da reicht die Weitwinkeleinstellung meiner Kamera kaum: Das gewaltige, historische Hauptgebäude der Universität von Groningen, der Rijksuniversiteit.

Dann wird es aber doch langsam Zeit, mich zu meinem Hotel zu orientieren. Es liegt in direkter Nachbarschaft zum mitten im Zentrum befindlichen Hauptgebäude der "Rijksuniversiteit", also der Universität - eine gute Gelegenheit dieses beeindruckende Gebäude vom Beginn des 20. Jahrhunderts auch gleich einmal in Augenschein zu nehmen.

Im Hotel halte ich es jedoch nicht lange aus. Ich will mehr sehen von dieser Stadt, die mich längst erobert hat (... eigentlich will doch ich die Stadt erobern...!?). Ein wenig rastlos ist es dann schon, wie ich nun wieder ziellos durch die Innenstadt laufe. Immer wieder gerate ich dabei an die Wasserstraßen - und finde sie wunderbar. Die vielen Schiffe, Kähne und Boote, die dort liegen geben der Stadt ein sehr maritimes Flair. Fast ein wenig überraschend: Gaststätten direkt am Wasser finde ich nur wenige.

Im Moment macht das nichts - mein neugieriger Entdeckergeist kontrolliert mich derzeit und lässt mich an jeder Ecke neu überlegen, wohin ich denn weitergehe. Oft fällt mir diese Entscheidung nicht leicht: Zu viele verlockende Blicke tun sich mir dabei auf.

Groningen, Rathaus Einschusslöcher

Auch in Groningen Spuren der Deutschen Barbarei - auf der Rückseite des Rathauses: Einschusslöcher aus der Zeit des Befreiungskampfes zum Ende des Zweiten Weltkriegs, mit einer Inschrift markiert.

 

 

 

So gerate ich zum Beispiel unweigerlich auf den "Grote Markt". Dem Mittelpunkt der Stadt: Das Rathaus (an dem man noch Einschusslöcher von den Kämpfen zum Ende des Zweiten Weltkriegs betrachten kann) steht an diesem Platz, auch die Martinikirche - dessen 97 m hoher Turm das Wahrzeichen der Stadt und noch das höchste Bauwerk der Stadt ist. Nicht versäumen sollte man einen kurzen Bummel über den (oder auch längeren Aufenthalt auf dem) Martinikirchhof. Eine kleine, grüne und ruhige Oase im Stadtzentrum - und der älteste Teil von Groningen. An der Südseite der Grote Markt gibt es jede Menge einladende und tatsächlich stark frequentierte Gastronomie. An der Ostseite ist - zumindest zur Zeit meines Besuchs - eine Großbaustelle: Das Groninger Forum wird dort errichtet. Wohl höchst umstritten wird dort ein modernes, großes "Haus der Information und Geschichte" gebaut. Nach jahrelangem Streiten konnten sich die Groninger nur mühevoll und mit Hilfe eines knapp ausgegangenen Referendums auf den Bau des modernen Groningen Forum einigen. Es ist keineswegs so, dass die Innenstadt von Groningen wie eine hübsche Puppenstube aus hübschen Altbauten ist - nein, sehr schnell fällt auf, dass es einen bunten Mix aus älterer und moderner Architektur gibt. Teilweise hat man mit mutiger neuer Architektur interessante Kontraste setzt - aber mit dem Groningen Forum scheint für die Einheimischen eine Grenze erreicht.

Groningen, Folkeginestraat

Blick entlang der Folkingestraat am Samstagnachmittag: Es ist viel los in der "Nettesten Geschäftsstraße der Niederlande" des Jahres 2014.

 

 

 

Natürlich gerate ich auf meinem eher zufälligen Weg auch in die Folkingestraat. Eine schmale, schöne, quirlige Einkaufsstraße in der Altstadt, mit vielen kleinen, außer-gewöhnlichen Geschäften. Die Straße bietet einen meiner beliebten Superlative: Die Folkingestraat ist die "Netteste Einkaufsstraße der Niederlanden", zumindest im Internet zu dieser gewählt worden vor wenigen Jahren. Das kann ich mir gut vorstellen! Aber die Folkingestraat hat auch Geschichte zu bieten: Bis zum Zweiten Weltkrieg war sie Zentrum des jüdischen Lebens in Groningen. Bis dann die Deutschen kamen... Immerhin: Die Synagoge von Groningen ist in dieser Straße zu finden und über den Weltkrieg erhalten geblieben, mit lange Zeit unterschiedlichen Nutzungen - ein schöner, sehenswerter Bau aus dem Jahr 1906. Ebenfalls in der Folkingestraat: Zur Erinnerung an die Deportationen der Juden im Jahr 1942 wurde der Schriftzug "weggehaald" ("weggeholt") in großen Lettern eingraviert in das Mauerwerk eines Hauses. Zu sehen nur aus einem schmalen Gang neben dem Haus. Unaufdringlich, einfach und effektvoll - und mich erschüttert es immer noch und immer wieder, an solchen Orten zu sein.

 

Sehenswürdig: Das Groninger Museum von außen und der Bahnhof von innen

Und doch: Trotz meines etwas verworrenen, ziellosen Wegs lande ich irgendwann wieder am Groninger Museum. Das hatte ich aus etwas Entfernung ja schon bei meiner Ankunft gesehen - jetzt nehme ich mir die Zeit, es von außen zu erkunden. 1994 wurde der in das Wasser des Südhafens erbaute Bau eingeweiht. Und es ist ein fürwahr spektakuläres modernes Gebäude, so ganz nach meinem Geschmack!

Groningen, Groninger Museum

Wie auf ein Schiff kommt man nur über einen Steg zum Groningen Museum.

 

 

 

Eine knappe halbe Stunde schleiche ich um diesen Gebäude-Komplex herum. Und es bringt mir einfach Spaß, die verspielten bunten Elemente, Ecken und Winkel zu entdecken - und zu fotografieren. Meine Kamera scheint fast zu glühen. Was für ein tolles, spannendes Gebäude - ich bin verzückt, schon wieder! Dem italienischen Designer Alessandro Mendini sei Dank! Schon allein das Äußere macht neugierig auf das, was das Groningen Museum von innen zu bieten hat.

Auch in den beiden Folgetagen komme ich immer wieder am Groningen Museum entlang - und immer wieder kommt mein Fotoapparat auf Touren. Es bieten sich einfach dermaßen viele Perspektiven und Ansichten an, immer wieder neu mit wechselnden Lichtverhältnissen.

Ein paar Schritte weiter bin ich dann am Hauptbahnhof von Groningen. Die Beschriftung "Anno 1895" empfängt einen am Giebel des Hauptgebäudes - man hat also etwas völlig anderes zu erwarten bei diesem Gebäude, als beim gegenüber liegenden, 99 Jahre neueren Groningen Museum.

Groningen Bahnhof Aussenansicht

Aussenansicht des Bahnhofsgebäudes von Groningen am Abend.

 

 

 

Also schaue in die Halle des Hauptgebäudes hinein - und stehe dort mit offenem Mund. Was für eine reich verzierte, schöne Halle! Traumhaft saniert und gepflegt. Und es erregt durchaus Aufsehen, als ich hier stehe und fotografiere. Plötzlich halten auch Reisende inne - als würden sie zum ersten Mal überhaupt wahrnehmen, wie schön diese Halle eigentlich ist.

Groningen, Bahnhof Piano

Live-Musik am Abend auf dem Bahnsteig des Groningen Bahnhofs: Das Piano steht offenbar zur Benutzung für jeden bereit.

Eine wenig ungläubig stehe ich dann etwas später vor einem Piano auf dem Bahnsteig neben dem Hauptgebäude. Ein echtes Piano - auf dem Bahnsteig? Ja, durchaus! Noch ungläubiger allerdings bin ich, als ich am Folgetag den Bahnhof in der Abenddämmerung nur kurz quere - und, tatsächlich: Da sitzt doch jemand am Bahnsteig und spielt Klavier! Klaviermusik im Bahnhof - glückliches Groningen!

 

Besondere Sehenswürdigkeiten: Das Finanzamt und ein Pissoir

An diesem ersten Abend jedoch habe ich noch ein Ziel, das ich selber etwas merkwürdig finde. Zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben suche ich ein Finanzamt auf - nur um es zu besichtigen, wohl von außen. Ein Finanzamt als Sehenswürdigkeit?

Ja, durchaus! Mit meinem Faible für moderne Gebäude ist das Groninger Finanzamt durchaus mal ein paar Extra-Schritte wert. In dem Reiseführer habe ich bereits über das Gebäude gelesen, bei der Anfahrt auf die Innenstadt habe ich es nicht weit von der Straße gesehen. Es ist zwar durchaus ein Stückchen außerhalb der kompakten Innenstadt, aber auch nicht gerade unerreichbar zu Fuß. Ein wenig schwierig gestaltet es sich, den direkten Weg zu diesem Gebäude zu finden, eine Zeitlang irre ich durch Nebenstraßen und einen Park hin und her.

Groningen Finanzamt nah

Aus der Nähe betrachtet beeindrucken die sanft geschwungenen Linien des Groninger Finanzamtes.

 

 

 

Doch als ich dann neben dem durch seine Rundungen irgendwie aerodynamisch, fast weich, wirkenden Gebäude stehe, freue ich mich darüber, diesen Weg auf mich genommen zu haben. Kaum rechte Winkel soll das gesamte Gebäude zu bieten haben - von außen betrachtet scheint dies zu stimmen. Mit 92 m Höhe ist das Finanzamt das zweithöchste Gebäude Groningens. Bedauerlich, dass ich es nur von außen sehen kann. Wenn man ein wenig im Internet sucht, dann findet man Bilder mit einer sehr freundlichen Gestaltung der Innenräume des Finanzamtes.

Ganz interessant wird es auf diesem Weg auch in anderer Hinsicht: An diversen offenbar sehr neuen Wohngebäuden und -siedlungen komme ich entlang. Auch hier baut man durchaus abwechslungsreich, interessant, mit zuweilen mutiger Architektur.

Auf dem Rückweg schlage ich noch einen kleinen Bogen zu einer anderen Sehenswürdigkeit von Groningen ein: Direkt an der A-Gracht, in der Straße "Kleine der A" findet man das vom niederländischen Stararchitekten Rem Koolhaas entworfene Pissoir. Völlig unbescheiden nennen die Groninger diesen Ort das "schönste Pissoir der Welt".

 

 

 

Ich besichtige es ebenfalls nur von außen - aber als Fan von Superlativen muss ich dieses Örtchen natürlich besuchen! Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich nicht über genügend Anschauungs-material verfüge, um wirklich beurteilen zu können, ob die unbescheidene Einordnung "schönste der Welt" durch die Groninger tatsächlich zutrifft - aber: Ja, das Pissoir ist sehenswert! (...was für ein merkwürdiger Satz)

 

"Hoge der A" - mein heimlicher Lieblingsort in Groningen

Aber der Besuch am Pissoir hat noch einen Nebeneffekt: Dem Straßenverlauf einfach folgend, gerate ich zum zweiten Mal heute in die Straße "Hoge der A" bzw. "Lage der A" (die Strassen auf beiden Seiten der Gracht A haben unterschiedliche Namen).

Groningen, Hoge der A

Meine erste Begegnung mit der "Hoge der A". Ein klein wenig Gastronomie im Freien hat die Straße hier an ihrem Südende zu bieten.

 

 

 

Und - noch - merke ich es nicht so richtig bewusst, das kommt in den Folgetagen: Dieser Ort hat etwas, was mich einfängt. Mehrmals noch komme ich in den folgenden beiden Tagen hierhin zurück - und das irgendwann auch gezielt. Gezielt - als ich nämlich endlich und rechtzeitig genug wahrnehme dass ich diesen Ort einfach wunderschön finde. Gerne stelle ich mich dann auf die Brücke der Verlängerung der Visserstraat. Und schaue mir das Szenario an.

 

 

 

Eigentlich kann ich gar nicht exakt sagen, was es ist, das mich an diesem Ort so einfängt. Die Häuserzeile ist gar nicht so außergewöhnlich besonders - na, immerhin mit einigen alten Speichern hübsch anzusehen. Ansonsten: Ist es die Gracht zwischen den beiden Straßen (über die nur wenige Autos rollen, und das eher vorsichtig), die Bäume am Rande der Gracht, der Blick auf den schönen Kirchturm der A-Kirche, die Spiegelungen des Ganzen im Wasser der Gracht? So genau weiß ich gar nicht, warum ich es so besonders schön finde hier. Die perfekte, sehr niederländische Mischung macht es wohl. Abends wird das Ganze in Laternenlicht gehüllt. Dann ist es traumhaft hier!

Vielleicht ist es gerade die Abwesenheit von jeglichem Ramba-Zamba, von nahezu jeglicher Gastronomie an diesem schönen Ort, was mich so begeistert. Eigentlich ist alles völlig normales Leben hier. Aber das in außergewöhnlich schöner Umgebung. Mir gefällt das gut, ich komme ein paar zurück hierhin. Es ist dann auch sozusagen mein "Abschiedsort", wo ich noch eine Weile verbringe, unmittelbar bevor ich die Rückreise antrete - ein altes Ritual von mir, wenn ich im Urlaub an einem Ort bin, der mir gefällt.

Groningen, Hoge der A

Die Wolken drohen finster - und doch wirft der Wettergott für ein paar Sekunden einige Sonnenstrahlen auf den Wasserarm A. Blick von Brücke der Verlängerung der Visserstraat in der Straßenzug "Hoge der A".

Aber es ist eben auch ein "heimlicher Lieblingsort": Er drängt sich niemandem auf, auch mir schleicht sich das Bewusstsein hierfür erst nach und nach ein. Es wird niemand hierhin gehen, um die die Gracht und die "Hoge der A" zu "besichtigen" - eigentlich glücklicherweise!

 

Sensationell: Besuch im Groninger Museum

Mein "offizieller Lieblingsort" in Groningen jedoch ist das Groninger Museum, natürlich! Das ist ja auch genau dafür eben so gebaut worden, dass man sich dafür begeistert. Und genau das tue ich dann auch!

Für den zweiten Tag in Groningen lege ich mir am Abend zuvor zwei Alternativen zurecht: Bei gutem Wetter (was nach der Vorhersage etwas unwahrscheinlich ist) werde ich mir ein Fahrrad mieten und einige Kreise durch die Innenstadt und die Umgebung ziehen. Bei Regen (wohl nicht unwahrscheinlich) geht's eben ab in das Groningen Museum.

Am nächsten Morgen - regnet es Bindfäden. Ich lasse mir zwar beim Frühstück Zeit und hoffe, dass das Wetter besser wird. Denn eigentlich ist meine Lust auf Radeln etwas größer, als in das Kunstmuseum zu gehen. Aber: Mein "Regenabo" auf Reisen funktioniert heute wieder einmal zuverlässig! Und der Regen wird eigentlich beständig stärker. Also: Ab ins Groninger Museum. Und es stellt sich raus:

Glück gehabt! So richtig!

Über vier Stunden lang werde ich mich dort aufhalten - und begeistert sein! Das Gebäude selber begeistert mich nun auch von innen. Und einige der Ausstellungen faszinieren mich. Denn, vor allem:

 

"BAAS IS IN TOWN"

Nochmal Glück gehabt! So richtig!

Die Sonder-Ausstellung "HIDE & SEEK" von Maarten Baas (ein in Arnsberg in Nordrhein-Westfalen geborener Niederländer) packt mich. Gleich zweimal schaue ich sie mir gründlich an. Maarten Baas sieht sich eher als Designer, beteiligt sich mittlerweile weltweit an Design-Schauen, heimst hier und da Preise ein. Und doch macht er sich auch lustig über den Rummelplatz der Eitelkeiten der Designer - indem er einen Rummelplatz aus Designelementen aufbaut. Diesen auch schon in Mailand präsentierten Rummelplatz kann ich jetzt hier im Groninger Museum bewundern und mich drüber amüsieren. Das tun hier auch die Kleinsten - es toben ganz schön viele Kinder hier herum. Und das Getobe ist plötzlich sogar stimmig im Museum.

Maarten Baas, Design-Rummelplatz

Ein Design-Rummelplatz von Maarten Baas mitten im Groningen Museum - (nicht nur) den Kindern gefällt's vorzüglich.

 

 

 

Dass ich mir ein paar Gedanken darüber mache, wo denn genau die Grenze zwischen Kunst und Design verläuft, ist sinnlos - also lasse ich mich einfach mitnehmen von den Ideen und der Welt des Kunst-Designers. Schon allein die Einfälle der "Real-Time"-Darstellungen finde ich umwerfend. In einem ganzen Raum kann man Darstellungen beobachten, wo Menschen in Echtzeit mit nichts anderem beschäftigt sind, als die aktuelle Uhrzeit darzustellen. Okay, das ist jeweils auf Film gebannt, aber ebenso belustigend wie irritierend. Und wenn Sie mal im Internationalen Abflugterminal im Amsterdamer Flughafen Schiphol sind, und dort einen in einer riesigen, hängenden Uhr eingesperrten Mann sehen, der mit nichts anderem beschäftigt ist, als Zeiger auf das Ziffernblatt aufzumalen und eine Minute später wieder zu wegzuwischen - dann sehen Sie gerade genau ein Design-Kunstwerk von Maarten Baas.

Maarten Baas, The New Forest

So wird es aussehen im September 2216, wenn das Projekt "The New Forest" von Maarten Baas in die Herbstverfärbung kommt.

 

 

 

Oder wenn Sie in 200 Jahren mit dem Flug-Taxi über die dann leider, leider schon längst durch den Klimawandel größtenteils im Meer versunkenen Niederlande fliegen und dort mitten in einem noch existenten Wald aus Bäumen riesengroß den Schriftzug "NEW!" entdecken (besonders gut sichtbar während der Herbstverfärbung), dann sehen Sie "The New Forest", Teil des Projektes "NEW! NEWER! NEWEST!" von Maarten Baas. Ein Werk über 200 Jahre anzulegen und dies dann "NEW" zu nennen - auch eine Möglichkeit, sich mit rasanter Konsumkultur und Verlangsamung zu beschäftigen. Mir gefällt so etwas! Viele Werke von Maarten Baas haben ein Augenzwinkern und eine feine Ironie, oft auch Selbstironie. Wie sonderbar und schade, dass sich kaum ein Mensch in das Kino des Museums verirrt, in dem ein ausgiebiges Interview des Designers und Künstlers offenbar in Dauerschleife läuft.

Ich jedenfalls kann es kaum erwarten, Maarten Bass mit neuen Exponaten auch in der Kunsthalle der Gegenwart in Hamburg zu sehen!

Aber zurück nach Groningen, in das Groninger Museum.

Für mich persönlich ist die Ausstellung von Marten Baas im Groninger Museum ein absolutes Highlight. Andere mögen das ganz anders sehen. Das macht nichts - denn die verschiedenen Ausstellungen bedienen viele Interessen. Das geht von Bildern der niederländischen Künstlergruppe "De Ploeg" aus der eigenen Museums-Sammlung über die Sonderausstellung "Reich in Groningen" über wertvolles chinesisches Porzellan bis zum "Return of Lester's Loops" von Gabriel Lester. Ausgesprochen vielschichtig ist das Angebot des Museums. So soll es ja auch sein.

Dies alles zu schildern, wäre Unfug. Kein Unfug ist jedoch, hier eine kleine Sammlung an Fotos zu zeigen, die sich allein mit dem Gebäude des Groninger Museums selber beschäftigen - mit inneren wie auch äußeren Ansichten des Baus. Nicht auf allen Fotos wird verständlich sein, um was es sich handelt - aber das Gebäude selber bietet einfach interessante Ansichten und Perspektiven, innen wie außen. Und vielleicht machen die Bilder ja Lust darauf, das Museum selbst einmal zu erkunden? Auf jeden Fall wird deutlich, wie vielfältig das Museum ist.

Groninger Museum, Modell

Was vor dem Magazin der Groninger Museums nach einer etwas albernen Figur aussieht, ist ein aufrecht gestelltes Modell des Museums.

Groninger Museum, Aussenansicht

Groninger Museum, Ausstellungsraum

Groninger Museum, Treppenhaus

Groninger Museum, Porzellan-Ausstellung

 

Insgesamt fasziniert das Groninger Museum mich sehr. Ein toller Bau mit tollen Ausstellungen!

 

Zu Fuß nach Reitdiep - Wohnen am Wasser und nette Leute

Nach dem Museumsbesuch ist es an der Zeit, sich nach dem vielen Stehen noch ein wenig zu bewegen. Jetzt noch ein Fahrrad zu mieten, macht nicht viel Sinn. Aber ich kann ja laufen! Irgendwo im Internet habe ich ein paar Fotos von neuen Wohngebieten am nördlichen Stadtrand von Groningen gesehen, vom Stadtviertel Reitdiep - modernes Wohnen am Wasser. Da will ich hin! Gerne schaue ich mir ja auf Städtereisen an, wie Menschen dort modern wohnen.

Zeit genug habe ich nach dem Museums-Besuch noch, auch, wenn die Strecke zum Stadtteil Reitdiep am gleichnamigen Wasserlauf eine Handvoll Kilometer sind. Immerhin hat der Regen vom Morgen mittlerweile aufgehört. Als ich das Groninger Museum verlasse, lugt sogar die Sonne vom Himmel. Allerdings nicht für lange Zeit - schnell ziehen wieder dicke Wolken auf. Aber erstmal eine Pause, etwas essen - dann kann es losgehen.

Eine Karte von Groningen für diesen Bereich habe ich gar nicht, aber ich präge mir den Weg leicht ein: Einmal quer durch die Innenstadt gen Norden, dann die Gracht überqueren, noch aus Neugierde einen kleinen Bogen in das Viertel um die "Neue Kirche" schlagen und ein Stück durch den Park "Noorderplatsoen" gehen zurück zum Wasserlauf. Und diesem dann folgen, bis ich am Reitdiephaven bin. Ganz einfach und gar nicht zu verfehlen, selbst, wenn man keine Ortskenntnisse und keine Karte dabei hat.

Das Viertel der nördlichen Innenstadt, rund um die "Neue Kirche", es ist - entzückend! Wieder mal eine schöne Ecke von Groningen, einige Gebäude gehören zur Universität. Merke: Auch um die Innenstadt herum gibt es einladende Stadtviertel in Groningen.

Doch prompt erlebe ich eine Überraschung: Eine junge Frau, etwa im Alter meiner Tochter, tritt gerade aus einem Haus, als ich entlang komme. Und: Huch, ahem - sie lächelt mich an! Grüßt mich freundlich mit einem "Hallo" - und geht ihrer Wege. Eher irritiert grüße ich zurück, fange sofort an, nachzudenken: Nanu, was war das denn? Das habe ich ja seit Jahren nicht erlebt, von so einer jungen Frau seit Jahrzehnten! War das wirklich ein freundliches Lächeln? Oder ein hämisches Grinsen? Stimmt etwas an mir nicht? Prüfende Blicke und Griffe an mir - nix zu finden. Kein bekleckertes Shirt, keine Haar-Unregelmäßigkeiten, kein Nasenbluten, keine rutschende Hose. Die junge Frau war offenkundig einfach nett. Und, Asche auf mein Haupt: Wenn man, wie ich, aus einer Großstadt kommt (in meinem Fall ja Hamburg), dann kennt man das gar nicht mehr so richtig und erschreckt sich fast: Einfach so grüßen, na sowas! Aufgewachsen in einer schleswig-holsteinischen Kleinstadt ist mir das Grüßen von Fremden nicht ganz unbekannt - das hat man da auch gemacht. Allerdings völlig ohne Lächeln, sondern stocksteif: "Guten Tag!" / "Guten Tag!". Auf Dörfern, da wird man schon auch mal so freundlich gegrüßt - wenn man denn irgendwie bekannt ist. Aber so ein freundliches Grüßen, wie hier gerade , habe ich in den letzten Jahrzehnten eigentlich nur auf meiner onkologischen Reha-Maßnahme erlebt - da waren die meisten Leute ähnlich unverkrampft freundlich.

Hundert Meter weiter kommen mir zwei junge Männer lebhaft plaudernd entgegen, wahrscheinlich Stundenten. Ich betrachte die beiden neugierig - und tatsächlich: Auch die beiden grüßen mich freundlich und leger. Diesmal bin ich nicht so völlig unvorbereitet. Eigentlich finde ich es als Großstadtmensch ja sogar schon verblüffend, überhaupt wahrgenommen zu werden. Kaum wüsste ich, was ich daheim veranstalten müsste, damit man mich wahrnimmt in der Öffentlichkeit... Aber, hej, das ist ja nett hier! Außerhalb der Innenstadt grüßt man sich in der 200.000-Einwohner-Stadt Groningen offenbar ganz allgemein.

Allerdings nicht immer, lerne ich auch. Aber doch: Viele grüßen einfach freundlich im Vorbeigehen. Eigentlich ja das Normalste von der Welt. Daheim aus der Mode gekommen, gefällt mir das gut. Und damit hat man nach dem Blickkontakt immerhin schon die zweite Stufe menschlicher Kommunikation - Worte - locker und lässig bewältigt. Und das ohne, dass man noch einen "Like-Button" klicken muss oder sowas. Ich finde, das sollte viel öfter passieren - fange hier also irgendwann an, selber die Passanten aktiv zu grüßen. Niemand ist irritiert, alle grüßen nett zurück. Und es ergibt sich wie von allein auch mal ein nettes kurzes Gespräch.

Ja ja, ich weiß, das sind für Viele ja nur Nebensächlichkeiten. Kleinigkeiten. Bedeutungslos? Nein - mitnichten. Für mich aber machen solche Dinge eben oft gerade den Charme und den Wohlfühl-Faktor an einem Ort aus. Und da klettert Groningen gerade jetzt immer weiter nach oben in der Rangliste.

Aber, Moment - eigentlich bin ich ja gerade auf dem Weg zum Stadtteil Reitdiep. Trotte da ein wenig uninspiriert neben dem Fluss Reitdiep entlang - den Kopf eigentlich noch ganz voll mit Eindrücken aus dem Groninger Museum. Um das Wetter muss ich mir allerdings ein paar Sorgen machen - der Himmel zieht richtig finster zu und ich bin mit meiner Ausstattung nicht richtig für Regen ausgestattet.

Groningen, Noorderplatsoen

Der Park "Noorderplatsoen": Eine Baustelle in der Vorbereitung für das Festival "Noorderzon".

 

 

 

Der Park "Noorder-platsoen", noch ganz nahe zur Innenstadt, war eben gerade eine Enttäuschung: Vieles ist abgesperrt, es sieht aus wie eine Baustelle, Container stehen herum, Gerüste werden errichtet, Bühnen gebaut. Eigentlich sieht der Park ganz schön aus - aber einladend ist er momentan nicht sonderlich. Sicherlich sind dies allerdings Vorbereitungsarbeiten für das Festival "Noorderzon". Völlig unbescheiden nennt man es in Groningen "Europas größtes Kulturfestival": Elf Tage lang Ende August finden täglich bis zu 50 kulturelle Veranstaltungen statt - viele davon hier im Park. Es gibt wohl nicht wenige Einheimische, die sich für die Zeit des Festivals Urlaub nehmen - um möglichst viel davon miterleben zu können. Irgendwie ja schade eigentlich, dass ich das Festival so knapp verpasse, denn eigentlich klingt das sehr interessant. Andererseits: Kultur habe ich in Groningen ja auch so gehabt.

Nach insgesamt einer Stunde Spaziergang an dem Wasserlauf entlang erreiche ich den "Jachthaven Reitdiep". Ja, genau - davon habe ich Fotos gesehen: Bunte, skandinavisch anmutende Holzhäuser rund um den Bootshafen. Sehr pittoresk, sehr schön! Viele Boote liegen im Hafen, ein Supermarkt direkt nebenan - so würde ich auch gerne leben. Schade, dass mir wohl niemand hier eines dieser Häuser überlässt...

Reitdiep

Das Wohngebiet Reitdiep.

Schade auch, dass die bunten Häuser bei diesem finsteren Himmel so gar nicht ihre richtig leuchtende Farbe zeigen. Mir gefällt es hier trotzdem prima. Auch, als ich mich in dem Viertel noch etwas weiter umschaue, entdecke ich noch einige schöne, großzügige Wohnhäuser. Den hier Wohnenden geht es gut.

 

 

 

Das Viertel Reitdiep, teilweise noch Großbaustelle, beeindruckt mich. Aber ganz ehrlich: Der Weg wäre mit dem Fahrrad netter gewesen! Schon allein, um dort im neuen, wasserreichen Siedlungsgebiet noch etwas mehr kennen zu lernen. Es war zwar ganz nett, an dem Fluss entlang zu laufen - aber auch nicht gerade eine Sensation. Und mit dem Rad wäre ich sicherlich noch das kurze Stück zum neuen, architektonisch interessanten Universitäts-Campus gefahren und hätte mich dort etwas umgeschaut - das ist mir als Fußweg jetzt hier, ohne Karte im Gepäck, zu weit und zu ungewiss. Also laufe ich den gleichen Weg am Wasser entlang zurück in die Innenstadt. Ein Glück dabei: Die dunklen Wolken halten dicht!

 

Mein persönlicher Fotowettbewerb in Groningen - auf den letzten Drücker gewonnen!

Nun bin ich ja aus der selbsternannten "Fahrradstadt Hamburg" (ich glaube allerdings nach wie vor, dass den Verantwortlichen hierbei nur ein kleines Missgeschick in Form einer vergessenen Silbe unterlaufen ist, es eigentlich korrekt "Fahrradhasserstadt Hamburg" heißen soll) in eine wirkliche Fahrradstadt gefahren. Und ich bin prompt fasziniert, wie sehr das Fahrrad hier allgegenwärtiger und selbstverständlicher Bestandteil des Lebens ist. Alles und jeder scheint hier mit Fahrrädern zu leben. Toll!

Es wird, wohl mit einem kleinen Augenzwinkern denke ich mir, erzählt, dass alle Studierenden hier in Groningen (und das sind ja um die 50.000) hier zwei Fahrräder haben - und eines davon würde immer am Bahnhof stehen! Amüsiert grinse ich, als ich das in meinem Reisebüchlein lese. Als ich mir einen der beiden riesigen Fahrradparkplätze am Bahnhof anschaue - glaube ich es plötzlich absolut! Voller Ehrfurcht trifft mich fast der Schlag, als ich die Fahrradmassen am Bahnhof sehe (siehe nur einen Gang auf dem Foto). Nur zum Vergleich: Die "Fahrradstadt Hamburg", immerhin fast zehnmal so groß wie Groningen, hat am Hauptbahnhof ca. 20-30 Fahrradständer.

Groningen, Fahrrad-Parkhaus

Das sprengt meine bisherige Vorstellungskraft über Fahrrad-Parkplätze um Längen: Nur einer von mehreren Gängen von einem von mehreren Fahrrad-Parkhäusern am Groninger Bahnhof. Wie findet man hier nur sein Fahrrad wieder, wenn man es hier abgestellt hat? Oder nimmt man einfach irgendein Rad?

 

 

 

Ungefähr eine Stunde bin ich nach meiner Ankunft in Groningen unterwegs, als mich ein sonderbares Ansinnen packt, das eigentlich auch wieder ganz typisch für mich ist: Ich will es, verdammt nochmal, schaffen, ein Foto von einer Straße im Innenstadt-bereich zu machen, auf dem KEIN Fahrrad zu sehen ist, nirgends! Mit dem Gedanken immer beharrlicher und breiter im Hinterkopf gehe ich etliche Stunden auf der Innenstadt-Insel spazieren mit dem wachsenden Gefühl, ein aussichtsloses Unterfangen gestartet zu haben! Beinahe wird diese Suche nach einem fahrradfreien Foto zu einer Art Manie für mich.

Drei-, viermal habe ich das Gefühl, dass es geklappt hat - um dann doch zu erkennen: Oh, da hat sich doch ein Rad mit auf's Bild geschlichen... Am Abend des zweiten Tages bin ich mir in der Folkingestraat ganz sicher: Das ist es, das Foto ohne Fahrrad aus Groningen! Ha - geschafft! Als ich mir das Foto dann abends auf dem Rechner anschaue und vergrößere, trifft mich fast der Schlag: Da ist doch ein abgestelltes Fahrrad drauf. Und noch eins, und noch eines. Eigentlich sogar deutlich sichtbar!

Groningen, fahrradfreie Folkingestraat

Und da bin ich am zweiten Abend meines Aufenthalts doch tatsächlich der Ansicht, ein Foto aus der Groningen Innenstadt ohne Fahrrad darauf zu haben. Und das ausgerechnet in der meist sehr belebten Folkingestraat.

Doch, als ich abends auf dem Rechner das Bild maximal vergrößere (siehe unten), entdecke ich gleich zwei Räder auf dem Bild.

Groningen, Folkingestraat mit Fahrrad

Fast gebe ich auf und überlasse den Gewinn beinahe den Radlern von Groningen: Sie sind einfach überall! Und dann, am späten Abend des Samstags, schaffe ich es doch, in dunkler Nacht, in einer Nebenstraße in der Innenstadt - und kein Fahrrad in Sicht! Unglaublich! Und ich habe wirklich keines für mein Foto beiseite gestellt (was ich an anderen Orten beinahe schon überlegt habe). Auch bei späterer, exakter Kontrolle in voller Vergrößerung: Kein Fahrrad in Sicht, dafür zwei abgestellte Autos. Natürlich verrate ich diesen geheimnisvollen Ort nicht, sonst gibt es noch Nachahmer. Versuchen Sie doch selber mal ein Bild einer Straße der Groninger Innenstadt zu machen - ohne ein Fahrrad darauf! Hier folgt also das Foto, das für mich wie eine Sensation ist - und nach dem ich endlich zurück ins Hotel gehen und einen ruhigen Schlaf genießen konnte:

 

Was hat gefehlt in drei Tagen Groningen?

Aber da bin ich ja schon genau an der Stelle, was mir gefehlt hat während meines Aufenthalts in Groningen: Zeit! Einen Tag hätte ich gerne in dieser Fahrradstadt auf dem Rad verbracht, wäre gerne einfach in dem Radler-Strom mitgeschwommen!

Einige Lokale zwinkern mich an während der drei Tage - ich kann da nicht immer und überall zurückzwinkern. Gerne hätte ich mir zum Beispiel noch das Schifffahrtsmuseum noch angeschaut und einige Zeit in dem Niederländischen Stripmuseum verbracht (also, dem Comic-Strip-Museum - oder nennen wir es einfach Comic-Museum). Auch interessante Architektur muss ich links liegen lassen, wie das wohl weithin berühmte und südlich etwas außerhalb der Stadt (Fahrrad!) stehende "Wall House" oder den modernen, 18 Stockwerke hohen Verwaltungsbau einer niederländischen Gasfirma, der vor zehn Jahren zum "schönsten Gebäude der Niederlande" gewählt worden ist (ein Superlativ, den ich auslassen muss). Gern hätte ich auch den Turm der Martinikirche bestiegen.

Zusammengefasst bin ich also zwei bis drei Tage zu wenig in Groningen, mindestens. Meinen Interessen kann ich da mit meiner Aufenthaltsdauer nicht so ganz gerecht werden. Ich hätte länger in Groningen bleiben sollen!

Denn: Groningen ist einfach großartig!

 

Zu der externen Bilderserie mit 100 anderen, großformatigen Bildern von der Reise nach Groningen geht es hier.

 

 

 

 

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Dirk Matzen

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