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Blick aus dem Johannapark zum Neuen Rathaus von Leipzig, einem der größten Rathäuser der Welt.
Ach, Danke Leipzig! Das hat mir gut gefallen, Dich zu besuchen! Und vor allem: Es hat mir gut getan, mich einer so freundlich-entspannten Stadt herum zu treiben!
Um es dann aber auch gleich noch vorweg zu nehmen - gut zweieinhalb Tage in Leipzig sind zu wenig gewesen, viel zu wenig! Lächerlich wenig geradezu - für eine Stadt wie Leipzig.
Und so richtig gut getan haben mir die Tage in Leipzig letzten Endes, weil ich mit denkbar schlechten Voraussetzungen angereist bin. Denn - meine Güte, wohl noch nie in meinem Leben habe ich Urlaub so bitter nötig gehabt, wie in diesem Sommer! Viel zu viel ist schief gegangen während der vorangegangenen Monate (... ahnen kann ich auf dieser Reise nicht, dass es wenige Wochen später noch viel schlimmer kommen würde - aber nun gut, das hat mit meiner Leipzig-Reise nun wirklich überhaupt nichts zu tun). Den Zeitraum für meinen Sommerurlaub hatte ich schon lange festgelegt - als dann drei Monate zuvor sowohl seelisches, als auch ein gesundheitliches Drama losbricht.
Anfang Juli ist dann klar: Ich kann gesundheitlich meinen Sommerurlaub in der Tat antreten - und ich muss es beruflich bedingt zu diesem Zeitraum. Nur: Wie? Was tun? Meine wackelige Gesundheit und strenge ärztlichen Vorgaben geben mir sehr enge Grenzen vor: Fliegen - darf ich nicht! Ans Meer und ins Wasser - darf ich nicht, trotz Hochsommer! In die Berge - darf ich nicht! Irgendwelche sportliche Aktivitäten, wie mein geliebtes Fahrradfahren oder wandern - darf ich auch nicht! Eine Augenklinik muss zwingend in der Nähe sein! Zuhause bleiben - will ich nicht, hatte gerade krankheitsbedingt etliche Wochen daheim herumgesessen. Was bleibt da eigentlich noch als Urlaubsform übrig?
Die Lösung zu dieser Frage kommt sehr kurzfristig vor meinem Urlaubsbeginn in einer Werbemail der Bahn: Mit einer Werbung für den Deutschland-Pass. Ein Ticket der Deutschen Bahn, nicht ganz günstig, das es in den letzten Jahren in den Sommermonaten auch schon gab und mit dem man einen Monat lang mit allen Zügen der Deutschen Bahn und privater Gesellschaften in Deutschland beliebig viel Zug fahren kann. Sozusagen Interrail für alle innerhalb Deutschlands. So ein Ticket der Bahn gibt es nicht in jedem Sommer und es wird immer sehr kurzfristig bekanntgegeben.
Der Deutschlandpass 2014 kommt mir in meiner Situation gerade recht! Wie von allein entsteht der Plan, Deutschland in diesem Sommer in (hoffentlich nicht allzu) vollen Zügen zu genießen. Eine Städtetour durch Deutschland soll es also sein in diesem Sommer, sozusagen "Summer in the City". In Städte soll es gehen, die ich noch nicht kenne und auf die ich neugierig bin.
Und genau so setze ich dann meine Gedanken in die Tat um. Als erste Stadt auf dieser Sommer-Tour besuche ich Leipzig. Und das wurde auch höchste Zeit.
Vor dem gewaltigen, riesigen Hauptbahnhof von Leipzig. Fast wie 1986.
Ebenso riesig wie beeindruckend auch die Innenansicht des Leipziger Hauptbahnhofs.
Obwohl: Genau genommen war ich schon mal in Leipzig, allerdings nur ganz kurz und vor langer Zeit. Meine Erinnerung ist etwas schemenhaft und ebenso absurd: Eine knappe Stunde war ich schon einmal in Leipzig. Eigentlich war es nur eine längere Pause beim Umsteigen auf der Bahnfahrt. Recht schwer beladen auf dem Weg zu einem sechswöchigen Aufenthalt in Budapest setzte ich mich eine Weile vor den unfassbar riesigen Kopfbahnhof und schaute mir - es war gegen morgens um sechs Uhr - das zu dieser Uhrzeit verblüffend wuselige Treiben an. Ein Volk von Frühaufstehern womöglich? Immerhin war ich damals in einem anderen, für mich bis dahin völlig fremden Land: In der DDR. Es war Juni 1986. Und ich brauchte als Bundesbürger ein Transitvisum, um überhaupt für diesen kurzen Moment hier sein zu dürfen.
28 Jahre später rolle ich jetzt also wieder in eben jenem Bahnhof, dem Leipziger Hauptbahnhof. Und, ja: Er erscheint mir immer noch riesig, gewaltig, beeindruckend. Aber sicherlich auch etwas bunter. Die Hitze jedoch erschlägt mich fast: 36 Grad werden angezeigt: "Hot town - summer in the city!". Der Weg zum bereits vorgebuchten Hotel ist glücklicherweise kurz und unkompliziert.
Aber dann - was für eine Überraschung für mich: Leipzig gefällt mir in der Tat spontan gut! So richtig gut! Eine schöne Stadt. Und vor allem ein ganz wunderbares Lebensgefühl kommt sofort bei mir an. Ohne zuvor eigentlich eine konkrete Vorstellung von der Stadt selber zu haben, bin ich von Leipzig umgehend angetan.
Ein paar Freunde hatten immer mal wieder erzählt, dass ihnen Leipzig so gut gefallen würde. Als ich mich dann mit der Stadt ein klein wenig beschäftige, denke ich eigentlich recht bald bei mir: Na, so richtig tolle, großartige Sehenswürdigkeiten gibt es hier ja gar nicht in großer Anzahl. Was ist es denn eigentlich, das meine Bekannten so begeistert?
An einem Samstagabend um neun Uhr im Zentrum von Leipzig.
Schnell während meines Besuchs ahne ich es: Leipzig ist eine junge, lebendige Stadt - und das auf eine sehr angenehme Art und Weise. Zum Beispiel: In meinem heimischen Hamburg käme ich nicht im Traum auf die Idee, an einem Samstagabend durch die Innenstadt zu schlendern! Was sollte ich dort zu der Zeit? Da ist dann in den ausgedehnten Shoppingmeilen alles wie ausgestorben. In Leipzig jedoch macht es Eindruck auf mich, dass das Stadtzentrum auch am Wochenende sehr belebt ist. Es ist ganz einfach: Überall im Zentrum findet man noch zahlreiche Restaurants, Cafés und Bars. Das sorgt dann für ein lebendiges Stadtleben und für Kultur. Eigentlich ganz unkompliziert. Ich mag so etwas! Eine Stadt mit einem ganz klaren Zentrum - was ja nicht gegen weitere, andere Unterzentren spricht. Eine weitere Rolle dabei spielt, dass die Innenstadt von Leipzig in vielen Bereichen von Autos befreit ist - schließlich zerstört Autoverkehr ja jegliche Atmosphäre an einem Ort. Aber auf dem Ring um die Innenstadt tosen die Autos dann umso heftiger...
Etwas Mühe muss ich mir während meines Aufenthaltes jedoch geben, um die Hitze in Leipzig zu mögen: HOT TOWN Leipzig. Fast habe ich das Gefühl, sie saugt mir meine Energie aus dem Körper. Bis auf knapp 40 Grad steigt das Thermometer tagsüber in der Innenstadt - vielleicht ist eine Innenstadt als Urlaubsort doch nicht so richtig gut geeignet?
Und doch ist es für mich ein wenig überraschend: Leipzig liegt jetzt, Mitte Juli, nicht in Sommerferien danieder. Es ist eine ganze Menge los an diesem Wochenende, über das mein Leipzig-Aufenhalt dauert. Richtig große Events sind nicht immer mein Ding, aber hier gibt es gleich mehrere überschaubare, nette Veranstaltungen. Und nicht gleich Super-Mega-Top-Ereignisse, wie ich es mittlerweile kenne und zu dem daheim mittlerweile jedes mittlere Straßenfest hochstilisiert wird.
"Sachsenbeach" ist angesagt auf dem Augustusplatz! Direkt vor dem Neuen Gewandhaus und in sozialistisch anmutender Umgebung wird beim Jedermann-Beachvolleyball nicht den ganzen Tag über gebaggert und gepritscht, was das Zeug hält...
... sondern auch bis tief in die Nacht hinein noch Volleyball gespielt. Auch direkt vor der Oper.
Also - bin ich mal ganz ehrlich: Mein Interesse an Beachvolleyball ist üblicherweise kaum bestimmbar gering! Und doch macht es mir hier in Leipzig auf dem Augustusplatz, direkt zwischen Opernhaus und Neuem Gewandhaus also, einfach Spaß, den vielen gut gelaunten Beachvolleyballern beim "Jedermann-Beachvolleyball-Turnier" (Beachvolleyball für Jedermann - was es alles gibt!) zuzuschauen. Und das richtig lange, bei guter Laune.
Das massive Völkerschlachtdenkmal ist an diesem Wochenende Schauplatz einer außergewöhnlichen Veranstaltung: In dem Bassin davor, dem "See der Tränen" findet das jährliche "Badewannen-Rennen" statt.
Eines der selbstgezimmerten Boote bei dem "Badewannen-Rennen" vor dem Völkerschlachtdenkmal.
Und, ganz ehrlich: Mein Interesse an "Badewannen-Rennen" ist, nun ja, bestenfalls gemäßigt. Oder, um es genauer zu nehmen: Bis zu meinem Aufenthalt in Leipzig gab es dieses Interesse bei mir gar nicht - schließlich wusste ich gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Konnte mir das auch nicht vorstellen. Also: Mein Interesse war bis dato einfach gar nicht vorhanden. Und doch hat es mich dorthin verschlagen, zu dem Badewannen-Rennen im "See der Tränen um die gefallenen Soldaten" direkt vor dem Völkerschlachtdenkmal. Und auch das kommt daher als verblüffend wenig aufgeblähtes Event-Ereignis - jedenfalls mit meinen Hamburger Maßstäben gerechnet. Aber mir wurde es dort in der brüllenden Hitze dann doch etwas lang, als nach rund einer Stunde mal gerade vier, nun ja, "Badewannen"-Umbauten den See überquert haben. Immerhin habe ich mir bei der Gelegenheit auch das gigantische Völkerschlachtdenkmal ausführlich anschauen können - ein geschichtsträchtiger Ort, fürwahr! Der gerade offenbar völlig unkompliziert für eine etwas klamaukige Veranstaltung genutzt wird.
Ein Fahrzeug des Christopher Street Days auf dem Weg durch die Innenstadt.
Und, noch mal ganz ehrlich: Mein Interesse an Feiern des Christopher Street Day ist auch eher mäßig! In Leipzig ist das Ganze überschaubar, keine überdrehte Kommerz-veranstaltung, sondern noch ein bisschen trutzig, bissig, kämpferisch. Charmant und authentisch, eben! Und das mal anzuschauen und ein Stück zu begleiten nehme ich dann doch gerne mal wahr.
Aber - nochmal ganz ehrlich: Interesse an den Vorgängen im Jahr 1989 in Leipzig und in der DDR habe ich! Enorm! Immer noch! Auch als Westdeutscher. Kaum ein geschichtliches Ereignis während meines Lebens hat mich so bewegt, berührt und auch langfristig beschäftigt, wie der friedlich gestaltete Untergang der DDR.
Gerade auch Leipzig ist in diesem Zusammenhang ja der zentrale Ausgangspunkt gewesen. Extrem interessant - für mich noch immer die Hauptstadt der Umwälzung in der DDR, die "Heldenstadt". Und diesem Interesse kann ich in Leipzig ja wunderbar nachgehen!
Allerdings war dies ursprünglich gar nicht mein Ansinnen bei diesem Aufenthalt. Viel in deutsch-deutscher Vergangenheit zu wühlen, das habe ich gar nicht beabsichtigt. Eigentlich will ich das heutige, moderne und offenbar junge, aktive Leipzig kennen lernen.
Doch es kommt anders, zu einem großen Teil meines Aufenthalts in Leipzig. Für mich auf völlig verblüffende Art und Weise. Denn mir begegnet etwas, was ich schon fast vergessen hatte.
Eine von insgesamt 20 Informations-Stelen, die auf Orte der friedlichen Revolution 1989 hinweisen.
Eine ganze Weile bin ich schon in der Innenstadt unterwegs, an diesem Samstag-nachmittag. Vereinzelt bin ich dabei schon den metallenen Stelen mit kleinen Infotafeln begegnet, die auf "Orte der friedlichen Revolution" von 1989 hinweisen. Habe diese dann mit Interesse angeschaut, die übersichtlichen Texte gelesen, abfotografiert. Es ist kurz nach drei Uhr, als ich dem kleinen Zug des Christopher Street Days begegne und diesen eben auch eine Weile lang begleite. Es geht an Thomaskirchhof und an der Thomaswiese entlang, wo ich wieder eine solche Infotafel sehe. Ich widme ihr zunächst recht kurz meine Aufmerksamkeit und - "schwupps" - versinke ich schlagartig im Jahr 1989. Gedanklich jedenfalls.
Potzblitz! Eine Infostele über das Straßenmusikfestival am 10. Juni 1989 sorgt dafür, dass ich mich eine ganze Weile lang mit Vergangenheitsbewältigung beschäftige.
Auf dieser Infotafel wird kurz das Straßenmusikfestival vom 10. Juni 1989, hier, an diesem Ort, dargestellt. Meine Güte - das Straßenmusikfestival im Juni 1989! Da war doch was - schießt es mir durch den Sinn... Und plötzlich ist vieles wieder da.
Nein, nein - nicht falsch verstehen: ich war damals nicht dabei! Allerdings einige Freunde von mir - damals gute, wichtige Freunde, denen ich mich seinerzeit sehr, sehr verbunden fühlte. Und hier, jetzt, 25 Jahre, einen Monat und ein paar Tage später, sehe ich zum ersten Mal überhaupt ein Foto von dem damaligen Ereignis.
Die Geschichte dazu, kurz gefasst: Es war ab dem Jahr 1988, dass ich als in Braunschweig lebender "Wessi" (den Begriff gab es damals allerdings noch nicht) in anhaltend engem und intensivem Kontakt zu einigen kritischen und oppositionellen Leuten (nicht nur) in Quedlinburg in der DDR stand. Dass einige dieser Quedlinburger Freunde an diesem Straßenmusikfestival teilnehmen würden, wusste ich schon vor diesem Straßenfest. Machte mir dann viele Sorgen um sie und bekam hinterher intensive und mich fassungslos machende Schilderungen darüber, was dort vorgefallen ist. Entsetzt und wütend nahm ich, dann wohl bei meinem Aufenthalt in Quedlinburg im Juli 1989, zur Kenntnis, dass meine musizierenden und theaterspielenden Freunde bei dem Straßenmusikfestival in Leipzig wie Schwerverbrecher behandelt worden sind. "Staatsfeinde" eben. Andererseits habe ich damals wie heute ihren Mut bewundert, sich sehendem Auge diesem DDR-Apparat mit allen möglichen und unabsehbaren Konsequenzen auszuliefern.
Allerdings gab es in der Schilderungen der damaligen Vorfälle auch eine Unmenge an bizarren Absurditäten, die den Festgenommenen widerfuhren und die bei mir auch damals schon das Gefühl hinterließen, dass die Staatsorgane der DDR eigentlich völlig hilflos mit der Situation umgingen. Bei meinem Aufenthalt im Juni 1989 in Quedlinburg haben mir meine Freunde mir ein ganzes Heft mit verschiedenen Gedächtnisprotokollen der Erlebnisse in Leipzig mitgegeben. Angefertigt dierekt danach, per Schreibmaschine auf Matrizen und illegal kopiert im Umfeld der Aegidii-Kirche in Quedlinburg. So etwas damals über die Grenze in den westlichen Teil Deutschlands zu schmuggeln, zur weiteren Verbreitung bei der Presse etc., war auch "nicht ohne". Ausführliche Beschreibungen über Vorgehen der DDR-Staatsmacht gegen Oppositionelle - und das in den Westen bringen. Wäre ich an der Grenze ertappt worden - ob ich wohl in den Knast gewandert wäre? Wahrscheinlich schon, und ich wusste das damals auch ganz klar. Aber, nun gut, ich wurde an der Grenze nicht erwischt...
Und nun, 25 Jahre später, stehe ich hier, mitten Leipzig. Plötzlich, unerwartet und unvermittelt sehe ich zum allerersten mal überhaupt ein Foto der damaligen Geschehnisse. Ein Sturm der Erinnerungen bricht in mir los. Fast schon vergessen geglaubt - und jetzt doch überraschend präzise und umfangreich im Gedächtnis. Und auch die alten, bedrückenden Gefühle spüre ich sofort wieder. Meine Güte, was für eine Zeit!
Irgendwann, als das Gedächtnisprotokoll mehr und mehr verblassten, tippte ich nun meinerseits dieses Protokoll per Computer ab. Das gibt mir die Möglichkeit, das gesamte Gedächtnisprotokoll eines früheren Quedlinburger Freundes hier auf einer separaten Extra-Seite als ein kleines Zeitdokument und geschichtlichen Exkurs wortwörtlich wiederzugeben (einige wenige Fehler habe ich korrigiert). Schon damals fand ich diese Schilderung in dem Gedächtnisprotokoll absurd, eindrucksvoll und auf bestimmte Weise auch enorm komisch.
So war es damals im Juni 1989 also, wenn eine Schar friedlicher, zumeist junger Musiker und Theaterspieler in die Fänge der DDR-Staatsmacht, damals also der Volkspolizei, geriet! Schon damals dachte ich: Genau so, wie dort wiedergegeben, sieht staatliche Hilflosigkeit aus. Die VoPos, also die DDR-Polizisten, gaben eigentlich ein Bild des Jammers ab.
Erst jetzt, hier vor Ort, 25 Jahre später, kapiere ich, dass dieses Straßenmusikfestival 1989 damals eine enorme Wirkung hatte. Viele Passanten zeigten damals ihr Entsetzen über die brutale Vorgehensweise der Volkspolizei, es kam sogar zu spontanen und anhaltenden Protesten - ganz und gar keine Selbstverständlichkeit damals. Und genau auf solche Weise wurde nach und nach aus den zunächst unbeteiligten Passanten nicht viel später Protestierer, die sich nach und nach auf tausende summierten und auf die Straßen gingen...
Das alles ist schlagartig in meinem Sinn, als ich vor dieser Infotafel auf dem Thomaskirchhof stehe. Den Christopher Street Day verliere ich, denn spätestens ab diesem Zeitpunkt bin ich in meinen Gedanken eine ganze Weile lang ziemlich gefangen. Dramatische Zeiten, damals! Und Menschen mit dem Mut der Verzweiflung und viel Courage!
Nicht nur wunderschön, sondern auch ein Ort von hoher deutscher Bedeutung: Die Nikolaikirche. 1989 Ausgangsort der Montagsdemonstrationen.
1999 neben der Nikolaikirche errichtet: Die "Friedenssäule" - die Nachbildung einer Säule aus dem Inneren der Nikolaikirche auf deren Kirchhof.
In der Folgezeit meines heutigen Aufenthalts suche ich nun einige dieser Infotafeln gezielt auf. Die Nikolaikirche ist da ein guter und vielleicht der wichtigste, bedeutendste Anlaufpunkt in Leipzig. Auch der Augustusplatz und natürlich der Ring an mehreren verschiedenen Orten. Leider reicht meine Zeit nicht, aber der Besuch des "Zeitgeschichtlichen Forums" im Stadtzentrum ist in diesem Zusammenhang ganz sicher auch empfehlenswert.
Die "Runde Ecke" in Leipzig. Bis Ende 1989 das "Schreckenshaus" der Leipziger, hier saß damals die Stasi. Heute findet sich hier ein Museum und eine Außenstelle der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen.
Betritt man heute das ehemalige Stasigebäude, wird man von einem historischen Transparent empfangen: "Krumme Ecke - Schreckenshaus! Wann wird ein Museum d'raus?"
Die Dauerausstellung in der "Runden Ecke" greift musterhaft etliche Themen auf, die von der Stasi damals überwacht wurden: "Umweltschützer im Visier" der Stasi (und zu der Zeit wohl auch im Visier der westdeutschen Kollegen). Als Beispiel für eine der total veralteten Industrieanlagen hat man hier ein Foto des mir seit 1988 wohlbekannten Braunkohlenveredelungswerks Espenhain gewählt.
So piffelig sieht also gnadenlose Staatsmacht aus - ist mein erster Gedanke, als ich in ein original erhaltenes Büro aus Stasi-Zeit schaue. Und Erich Honecker grüßt noch heute von der Wand.
Natürlich finde ich mich dann im Laufe des Tages auch in der "Runden Ecke" wieder - der früheren Stasi-Zentrale von Leipzig. Dort gibt es in einigen Räumen eine Ausstellung, die ich sehr sehenswert finde und mit der ich mich eine ganze Weile lang beschäftige. Tolle Multimedia-Effekte sollte man dort nicht erwarten - aber die zumeist einfach gestalteten Exponate sprechen für absolut sich.
Die "Runde Ecke" - in der DDR ein Gebäude, das Angst und Schrecken verbreitete. Ein wenig habe ich das Gefühl, diese Furcht spricht auch heute noch aus den Wänden der eigentlich öden und kahlen Räumlichkeiten zu mir. Aber doch erfreue ich mich an diesem schönen Anachronismus, ausgerechnet hier in aller Ruhe eine Ausstellung über Kontroll- und Unterdrückungsmechanismen in der DDR anschauen zu können. Das Transparent von 1989 mit der Aufschrift "Krumme Ecke - Schreckenshaus! Wann wird ein Museum d'raus?", das am Eingang platziert ist, wirkt heute fast wie eine Vorhersehung. Der Zutritt hier ist kostenlos, eine Spende sollte zum Erhalt dieses Ortes beitragen.
Aber irgendwann ist während meines Aufenthaltes das Jahr 1989 auch wieder vorbei und das "Jetzt" im Jahr 2014 packt mich doch wieder. Es bringt mir einfach Spaß, durch die Innenstadt zu streifen. Es gibt eine Menge zu entdecken! Schon allein durch die "Höfe" und deren Passagen zu streifen und diese in aller Ruhe erkunden zu können, ist einfach toll. Vieles ist sehr aufwändig, teuer und mit viel Liebe zum Detail saniert worden in diesen Höfen. Die Gründerzeit ist auch in Leipzig zu Hause - vieles hat den Zweiten Weltkrieg und die Vernachlässigung während der DDR-Zeit glücklicherweise überstanden.
Wunderschön renoviert: Die Passage zum Specks Hof, die älteste Ladenpassage in Leipzig.
Blick in Specks Hof in der Nähe der Nikolaikirche.
Auch etliche Gebäude der Innenstadt lohnen ein kleines Verweilen und einen zweiten Blick: Vieles ist gut und schön saniert - und doch macht die Innenstadt nicht den Eindruck, wie auf Hochglanz geputzt und wie geleckt zu sein.
Teil der üppigen Fassade von Streibs Hof in der Nikolaistraße.
Dass mir die ausgesprochen lebendige Innenstadt von Leipzig sehr positiv aufgefallen ist, hatte ich ja schon geschildert. Man ist dort eben nicht NUR auf Shopping eingestellt, sondern hat eben auch eine fast unübersichtliche Anzahl an gastronomischen Betrieben aufzuweisen. Hoffentlich bleibt es so, dass die Gastronomie die Preise in der Innenstadt zahlen kann, um dort zu bleiben - sonst ist zu befürchten, dass die Innenstadt von Leipzig auch irgendwann außerhalb der Einkaufszeiten verödet.
Das wäre wirklich schade! Der gemischte, entspannte Lebensstil macht für mich das Lebensgefühl der Stadt aus. Die freundliche und eher ruhige Lebensart ist einnehmend. Einen großen Anteil mag daran haben, dass die Universität mit ihrem Campus mitten in der Innenstadt ansässig ist. Wie ungewöhnlich! Ob dies einfach "Tradition", oder aber ein Konzept, um die Innenstadt lebendig zu halten, entzieht sich meiner Kenntnis - aber es scheint zu funktionieren und macht die Innenstadt von Leipzig nach meinem persönlichen Empfinden attraktiv.
Der Eingang zum Zoo von Leipzig. Schade, dass meine Zeit nicht für einen Besuch reicht!
Auch außerhalb der Innenstadt findet sich vieles Schönes. Nur: Leider reicht meine Zeit nicht, um wirklich viel anzuschauen, zu erfassen. Nicht einmal in die "KarLi" habe ich es geschafft - die bekannte Karl-Liebknecht-Straße, die als besonders lebendige Zone und Ausgehmeile sicherlich einige Zeit wert ist. Oder auch den alternative Kunst- und Kulturstandort der Baumwollspinnerei schaffe ich in der knappen Zeit nicht, zu besuchen. Der Leipziger Zoo ist eine Top-Berühmtheit, die ich ausgelassen bzw. nur von außen gesehen habe.
Schöne Wohnhäuser finden sich im Waldstraßenviertel. Hier die Liviastraße am Elstermühlgraben.
Das Rosental - ein riesiger Park direkt neben dem Zoo.
Ein paar andere Dinge habe ich mir aber doch noch angeschaut: Das Waldstraßenviertel mit vielen schönen und großzügigen Bürgerhäusern. Mir scheint: Eine großartige Wohngegend. Zwei große und stadtnahe Parks erkunde ich: Den Johannapark, er beginnt direkt am Rathaus der Stadt - oder sollte man besser sagen, dass das Rathaus von Leipzig direkt an diesem Park liegt? Zu meiner Überraschung werden dort die Grasbereiche fast gar nicht als Liegeflächen genutzt - es ist wohl einfach auch ohne direkte Sonne zu heiß. Und dann verschlägt es mich noch in das weitläufige Rosental gleich neben dem Zoo.
Der neue Campus der Universität im Zentrum von Leipzig und das markant geformte City-Hochhaus am Abend.
Blick vom City-Hochhaus. Vorne links die Oper, auffällig auch das 95 m hohe "Wintergartenhochhaus", das Anfang der 1970er Jahre errichtet wurde und heute unter Denkmalschutz steht. Markant auf dessen Dach das drehende, doppelte M als Symbol für die Leipziger Messe.
In das ehemals größte Stadion Deutschlands, das Zentralstadion in Leipzig, hinein hat man das heutige Bundesliga-Stadion von RB Leipzig gebaut.
Einen Blick vom City-Hochhaus (oder auch der "MDR-Turm") gönne ich mir (und entdecke dabei deutlich weniger "DDR-Platte" in den Außenbezirken, als ich vermutet und befürchtet habe). Das etwas sonderbar post-sozialistisch anmutende Umfeld des ehemaligen Zentralstadions, früher mal das größte Stadion Deutschlands, heute ist das WM- und Bundesliga-Stadion von Leipzig in das alte Stadion hinein gebaut, das Sportforum Leipzig. Als passioniertem Fahrrad-Fahrer fallen mir in Leipzig recht viele, großzügige und gute Lösungen für den Fahrrad-Verkehr auf: Leipzig erscheint mir eine gute Radler-Stadt zu sein. Aber ausprobiert habe ich das nicht in der Leipziger Sommerhitze - ich darf ja nicht Fahrradfahren.
Sozialistischer Klassizismus am südöstlichen Ring. Ein Architekturstil, der Aufbauzeit des Sozialismus in vielen osteuropäischen Staaten Verwendung findet.
Die Werbung auf einem Haus an der Grünewaldstraße irritiert mich dann doch etwas: Noch immer macht man dort sehr gepflegt Reklame für "Volkseigene Möbelkombinate der DDR".
Einige von typisch sozialistischer Bauweise geprägte Straßenbereiche im südöstlichen Bereich des Stadtrings schaue ich mir an. Sozialistischen Klassizismus findet man ja nicht mehr an vielen Orten (es kommt ein gewisses "Bukarest-Gefühl" bei mir auf - wenn auch nur sehr kurzzeitig...). Ach, es gibt viele Detail in Leipzig, die interessant sind und/oder mir einfach gefallen.
Unterm Strich muss ich schlicht sagen: Wow, was für eine interessante Stadt Leipzig ist! Das, was ich gesehen habe, hat mir eher den Mund wässrig gemacht, als meine Neugierde irgendwie befriedigt. Zweieinhalb Tage in Leipzig - das ist einfach lächerlich wenig. Erst recht, wenn man sich in diese Stadt beinahe ein wenig verliebt hat.
Eigentlich sagt man doch: "Das beste kommt zum Schluss". Bei meiner Städtetour durch Deutschland "Summer in the City 2014" steht ein Höhepunkt gleich am Beginn. Und das hat mir Spaß gemacht und tat mir richtig gut - danke, Leipzig!
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