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Es ist dort alles Gold, was glänzt: Blick auf den Kreml von Moskau direkt am Fluss Moskwa. Der Kreml ist sowohl weltliches Machtzentrum, als auch das religiöse Herz des größten Landes der Welt. Dass die Moskwa Ende Februar nur knapp zugefroren ist, ist eher ungewöhnlich.
Nein, ich war nicht wirklich in Moskau! Zwar habe ich mich drei Tage lang in der russischen Hauptstadt herumgetrieben - aber ich war nicht wirklich in Moskau! Denn: während meiner Zeit in Moskau war ich nicht im Kreml! Und, wie heißt es bei den Einheimischen so schön: wer nicht im Kreml war, war nicht in Moskau! Punkt! Ergo: Meine vier Tage in Moskau waren ohne Kreml... also... meine Reise war in irgendetwas anderes als Moskau!
Trotzdem habe ich drei Tage in der Stadt verbracht, die sich Moskau nennt. Im Februar 2013, im klirrenden Winter. Der russische Winter ist ja geradezu sprichwörtlich und so dachte ich mir, wo ich doch so gerne Städtereisen im Winter unternehme (siehe zum Beispiel die Reiseberichte Danzig, Stockholm, Reykjavik, Beijing), dass es doch eigentlich die Krönung meiner Winterreisen wäre, mitten im schärfsten Winter nach Moskau zu reisen. Sozusagen auf Besuch direkt bei "Väterchen Frost". Der Mut, mitten im Winter nach Russland zu reisen wurde belohnt, zumindest bei meinem Aufenthalt in Moskau: mit traumhaft schönem, klarem Winterwetter! Zum Teil auch knackig kalt, aber eben mit wunderschön strahlend blauem Himmel. Solche Wintertage liebe ich - und Moskau serviert sie mir auf dem Silbertablett!
Das Kosmonatenmuseum in Moskau ist durch das darüber errichtet Denkmal "Für die Eroberer des Weltraums" unübersehbar. Das 110 Meter hohe, mit Titanplatten beschichtete Denkmal symbolisiert eine startende Rakete mit dem großen Abgasschweif.
Eigentlich hätte ich selber gerne meine eigenen leuchtenden Augen gesehen, als ich die (mehr oder minder) originalgetreue Nachbildung der Raumstation MIR betreten habe! Mein persönlicher Hintergrund dazu: als sechs- und siebenjähriger Junge wollte ich von Beruf "Bergsteiger" werden (es dauerte dann allerdings über 40 Jahre, bis ich im Oberallgäu eine leichte Ahnung davon bekam, was Bergsteigen überhaupt ist). Dieser Berufswunsch wurde dann, nachdem meine Eltern sich den ersten Fernseher kauften und ich die ersten Aufnahmen von den tollkühnen Apollo-Astronauten sah, unmittelbar abgelöst von meinem neuen Berufswunsch: Raumfahrer! Unbedingt! Ja, ich wollte Raumfahrer werden! Und zwar Astronaut - nicht Kosmonaut. Und lieber wie bei Apollo 11, nicht so sehr wie bei Apollo 13.
Und jetzt, 44 Jahre später, wurde ich endlich zum Raumfahrer - in Moskau. Zwar als Kosmonaut, aber immerhin! Gefühlt zumindest. Denn: Ich betrat die Raumstation MIR, leider war ich alles andere als schwerelos - aber ich hatte die gesamte Raumstation für mich allein! Wie toll! Wie ein Kind versuchte ich, mit einer ganzen Reihe Fotos von mir selber in der MIR irgendwie Schwerelosigkeit zu simulieren. Plötzlich war es wieder 1969, plötzlich war ich wieder das Kind, das von den Sternen träumte. Im Kosmonautenmuseum in Moskau!
Da ist sie ja, die Raumstation MIR ("Frieden") - jedenfalls das Basismodul, als Nachbau im Museum.
Innenansicht von Teilen der Weltraumstation MIR. Wohl ein eher seltenes Glück: Ich hatte nicht nur die MIR, sondern fast das gesamte Museum für mich allein.
Nun, fotografieren von simulierter Schwerlosigkeit ist nicht so einfach, alle diese Fotos sind lächerlich, heillos verwackelt und längst wieder komplett gelöscht. Aber ich war glücklich: endlich ging der Traum in Erfüllung, ein wenig zumindest! Ein zarter Hauch des Gefühls von Raumfahrt erreichte mich. Danke, Moskau! Und: eigentlich hatte ich nicht nur die MIR, sondern fast das gesamte Museum für Weltraumfahrt für mich! Kaum andere Besucher trieben sich hier herum, und die Babuschkas (also die älteren Damen, die Aufsicht über die Räumlichkeiten halten) saßen sehr gelangweilt, fast schläfrig, herum.
Die "Allee der Kosmonauten", die direkt an das Raumfahrt-Museum angrenzt.
In der Allee der Kosmonauten natürlich mit auf einen Sockel gehoben: Der erste Mensch im All Jurij Gagarin.
Dieses tolle Raumfahrer- bzw. Kosmonauten-Museum bescherte mir also einen der absolut glückseligen Momente in Moskau, einen großartigen Höhepunkt. Von den ersten Anfängen des russischen Raketenbaus, über den schon fast irrwitzigen Raketenritt des Jurij Gagarin, die genannte, langjährige Weltraumstation MIR (übersetzt: FRIEDEN) bis zur heutigen Raumfahrtzeit ist vieles sehr nett, anschaulich und oft genug zum Anfassen dargestellt. Schon vorher hatte ich in einem Reiseführer gelesen, dass es in Moskau ein solches Museum gibt, das leider recht weit außerhalb nördlich der Innenstadt liegen würde. Vor der Reise machte ich mir so einige Gedanken darüber, ob und wie ich es wohl schaffen würde, dieses zu besuchen. Und dann war durch eine glückliche Fügung alles ganz, ganz einfach: es war schlappe fünf Gehminuten von meinem gigantischen Hotel Kosmos entfernt. Der Eintritt in das Museum kostete gerade mal 200 Rubel (genau 5 Euro), was ich günstig fand. Die Fotoerlaubnis kostete dann allerdings nochmal so viel, was ich wiederum unverschämt fand. Aber - was hilft's! Ich brauchte einfach Fotos von Sputnik und Co. Und von der MIR. Hier gibt es ein nettes youtube-Video über das Museum.
Und mir ist völlig klar: Der Besuch des Kremls hätte mich wohl nicht so begeistern können, wie der Besuch des Raumfahrt-Museums! Auch wenn der Kreml das wichtigste politische und kulturelle Zentrum der Stadt, des gesamten Riesenreiches und eines der mächtigsten Zentren der Welt ist.
Denn, überhaupt: Wussten Sie, dass Moskau die größte Stadt Europas ist? Rund 12 Millionen Menschen leben dort, offenbar weiß niemand so genau die exakte Zahl. Mehr als in London oder Paris. Und, hätten Sie es gedacht: das renommierte Unternehmensberatung Mercer hat bei den regelmäßigen Erhebungen ermittelt, dass Moskau, die frühere Hauptstadt des Kommunismus, mit einigem Abstand die teuerste Stadt der Welt ist? Zumindest vor meiner Reise ist dies so. Viel teurer, als Tokyo (Platz 2), London (Platz 3), New York (Platz 22) oder München (Platz 37).
Die meisten der 12 Millionen leben in gewaltigen Plattenbausiedlungen, die sich überall außerhalb des Kerngebietes der Stadt über viele Kilometer hinziehen. Und viele dieser Wohnungen sind privates Eigentum. Da zur Sowjetzeit ja alles Volkseigentum war, wurden die Wohnungen ihren Bewohnern in der Jelzin-Zeit, also nach Auflösung der Sowjetunion, gegen einen rein symbolischen Betrag überlassen. Heute wuchern die Wohnungspreise in Moskau höher, als in allen anderen europäischen Metropolen und eine ehemals für umgerechnet 100 Mark überlassene Wohnung hat dann schon mal einen Wert von ein paar hunderttausend Euro.
Eine der Top-Sehenswürdigkeiten in Moskau: Die Basilius Kathedrale auf dem Roten Platz. Und, in der Tat: Ein wunderschönes Gebäude. Überraschend für mich: Die frischen, kräftigen Farben.
Insgesamt hatte ich mich zu dieser Reise mit einer Kombination aus drei Städten aufgemacht: Moskau, Nowgorod und St. Petersburg. Und wieder war es, wie schon bei meiner Frühjahrsreise vor einem Jahr (Beijing und Shanghai), eine organisierte Reise. Hatte ich aus der Reise des Vorjahres einen guten Eindruck von Gruppenreisen mitgenommen, so vertraute ich mich dieses Mal einem Reiseveranstalter an, der auch für Massenreisen bekannt ist. Mein Hintergedanke dabei: Massentourismus macht ja nix, denn im Februar will doch sowieso kein Mensch nach Russland! Außer ein paar, wenigen Verrückten wie mir vielleicht. Vor meinem geistigen Auge sah ich ein winziges Häuflein Verwegener, die sich im Februar durch Eis und Schnee der eisigen, tief verschneiten russischen Städte schlagen. Doch ich hatte mich stark getäuscht: Zwei komplette Busladungen voll hatte man jetzt, im Februar, nach Moskau gebracht, in den russischen Winter. 83 Reise-Teilnehmer! Ich war nahezu geschockt über diese riesige Reisegruppe!
Über eine Kombi-Städtereise Moskau und St. Petersburg hatte ich schon seit einigen Jahren nachgedacht, schreckte aber immer davor zurück, den irren Formalismus für das Visum allein auf mich zu nehmen. Da kam es mir ganz Recht, dass ich dies im Rahmen von dieser Reise an einen mit dem Reise-Unternehmen kooperierenden Visa-Dienst abtreten konnte, wenn auch mit weiteren Zusatzkosten verbunden.
Insgesamt jedoch stand diese Reise für mich unter keinem sonderlich guten Stern. Es legten sich gleich eine ganze Reihe unglücklicher Umstände auf die Reise, die das Ganze zu einem nicht uneingeschränkten Vergnügen werden ließ. Es gab Stressfaktoren und Nervereien, aus verschiedensten Anlässen. Da ich meinen Reisebericht allerdings nicht hiermit beginnen will, sammle ich diese Missstände mal am Ende des Textes. Sozusagen Pleiten, Pech und Pannen - vor und während der Reise.
Was für ein Kasten: Das Hotel Kosmos in Moskau. Eines von 1777 Zimmer durfte ich für vier Nächte bewohnen. Wohlgefühlt habe ich mich nicht sonderlich.
Was wie ein mittleres Shopping-Center aussieht, ist in Wirklichkeit die Lobby des Hotels Kosmos.
Und doch muss ich kurz zusammen-gefasst sagen: Die Reise-organisation selber war völlig in Ordnung. Alles, was der Reiseveran-stalter auf die Beine gestellt hatte, klappte ohne ernsthafte Probleme - mir war es aber einfach zu viel organisiertes Programm und zu wenig Freiraum für eigene Entdeckungen. Darüber hinaus: Zu viele Leute in der Gruppe, die in viel zu großen Hotels untergebracht wurden und zu viele obendrein angebotene Palastbesichtigungen. Und schon allein das gebuchte Hotel Kosmos in Moskau haute mich fast um: 1777 Zimmer, mit rund 3400 Betten - ein gigantischer Kasten, gebaut zu den Olympischen Spielen 1980. Eine ganze Kleinstadt in einem einzigen Haus. Über das wilde Gedränge am Buffet, den Lärmpegel und das Verhalten einiger anderer Hotelgäste beim Frühstück decke ich den Mantel des beschämten Schweigens. Sonderbar die gestrengen Security-Leute vor den Fahrstühlen - fast bekam man das Gefühl, nur wegen deren Großzügigkeit ein Zimmer betreten zu dürfen. Ist man zu diesen vorgedrungen, dann erwartet einen genügend Platz (zumindest als Einzelperson im Doppelzimmer) und Sauberkeit. Immerhin! Die Lage direkt an einer Metro-Station macht die City in einer Viertelstunde erreichbar, insgesamt aber ist dieser gigantische Kasten ganz und gar nicht meine Kragenweite.
Nicht ganz verschweigen kann ich jedoch, dass ich seit diesem Aufenthalt etwas Abscheu empfinde, wenn ich nur an Snowboarder denke. Der Grund: Am Tag unserer Abreise fand in Moskau, in bequemer Fußgänger-Entfernung vom Hotel entfernt, ein Snowboard-Weltcup-Wettbewerb statt. Wegen der extrem günstigen Lage des Hotels zur Wettkampf-Bahn waren offenbar alle Weltcup-Teilnehmer hier untergebracht. Um es kurz zu machen: Über das (un)soziale Verhalten dieser affektierten Leute kann ich auch noch lange Zeit danach den Kopf schütteln. Extrem laut, rücksichtslos, selbstverliebt.
Aber: Diese Typen sind ja nicht Moskau! Moskau hat sie lediglich eine Zeitlang erduldet.
Was Moskau aber eigentlich ist, das kann man schon eher in der Metro erahnen. Fahrten mit der Moskauer Metro sind legendär - und spektakulär. Und: Es ist ganz einfach. Man stellt sich an eine der Schlangen an den Kassenhäuschen an, die gibt es in jeder Station. Man signalisiert der Dame hinter der Glasscheibe, wie viele Tickets man möchte (als ich im Februar 2013 hier war, waren für ein Ticket 28 Rubel zu zahlen - 70 Euro-Cent. Beim Kauf von mehreren Tickets gibt es einen keinen Nachlass pro Ticket).
Ewig lange Rolltreppenfahrten sind charakteristisch für das Metrofahren in Moskau. Etliche der Stationen sind 50 und mehr Meter tief gelegen.
Mit dem Ticket geht man zu dem scharf bewachten Durchlass-Automaten, hält es vor den elektronischen Leser und huscht durch den Durchgang. Und dann geht's abwärts - auf ungewohnt flotten Rolltreppen. Trotz deren Geschwindigkeit verweilt man auf ihnen dann bis zu zwei Minuten. Es geht also tief in den Moskauer Untergrund. Während der Fahrt auf der Rolltreppe hat man jede Menge Gelegenheit, sich die Leute auf der anderen Fahrtrichtung anzuschauen. Keine Sorge, die machen das auch, das ist offenbar allgemein so üblich!
Mit dem Ticket können Sie sich so lange in der Metro aufhalten, wie Sie möchten. Es gibt keine Zeit- oder Streckenbegrenzung, man kann beliebig oft umsteigen. Erst, wenn Sie die Metro verlassen, benötigen Sie danach wieder ein neues Ticket für den erneuten Eintritt in die Unterwelt. Sehr praktisch!
Unten auf dem Bahnsteig angekommen geht es dann direkt hinein ins ur-russische Gewusel. Laut polternd kommen die zumeist recht alten Metros in die Stationen hineingerast, Türen öffnen sich automatisch, es gibt Ansagen, die für mich unverständlich sind, Leute drängen hinaus und wieder hinein, die Türen schließen knallend wieder und mit großem Getöse rumpelt die Bahn davon. Im Schnitt hält man einen 90 Sekunden-Takt, das heißt, dass man mit den wirklich flotten Bahnen fast pausenlos bedient wird. Eine Bahn kommt nach der anderen, mit unglaublicher Präzision. Mir kam das Ganze zuweilen wie eine lebendige, monströse Schlange mitten im Bauch der Metropole vor. 2,4 Milliarden Menschen werden jedes Jahr von dieser Schlange befördert. Eine unvorstellbare Zahl.
Lenin wollte die Metro-Stationen als "Paläste für das Volk". Und das sieht dann so zum Beispiel aus, wie hier in der Metrostation Komsomolskaja: Mosaiken, Reiche Verzierungen, Kronleuchter und überall Marmor.
So richtig faszinierend wird das Ganze allerdings erst durch die teilweise unfassbar prunkvollen Metro-Stationen! Lenin sei Dank: er hatte eingestanden, dass nicht das ganze Volk in Palästen wohnen könne, auch, wenn es dies verdient wäre. Dann sollten doch zumindest die alltäglichen Metrostationen wie Paläste sein! Und, in der Tat: Einige Metrostationen sind unfassbar reich verschnörkelt. Wunderschön, extrem gut gepflegt, super-sauber und dabei eher befremdlich: mit sowjetisch-sozialistischem Flair. Viele Metro-Stationen sind eine Besichtigung wert! Und als häufiger Nutzer der Hamburger und Berliner U-Bahn werde ich die dortigen trostlosen, schmuddeligen Stationen zukünftig mit ganz anderen, ja, mitleidigen Augen sehen.
Kaum etwas in Moskau jedoch ohne ein großes ABER. So auch bei der Metro: Man muss in der Metro in Moskau extrem VORSICHTIG und AUFMERKSAM sein! Es gibt dort professionelle, gut organisierte Diebesbanden, die darauf spezialisiert sind, Touristen um jegliche Arten von Wertgegenständen zu erleichtern. In Moskau widerfuhr mir nichts, konnte dieses Vorgehen allerdings beobachten. In St. Petersburg jedoch versuchte eine solche Bande, mich zu beklauen (siehe die Pleiten, Pech und Pannen-Rubrik am Ende des Textes). Ich kam dabei glimpflich davon, blieb in Moskau unbehelligt - aber doch ist der Aufruf notwendig: Seien Sie in der Moskauer Metro extrem vorsichtig vor diesen Typen, nehmen Sie am besten überhaupt keine Wertgegenstände und schon gar keine Dokumente mit in die Metro, sondern nur das Ticket, ein paar versteckte extra Rubel für ein neues Ticket zum Ersatz für das dann ja doch geklaute Ticket - und dazu den Fotoapparat, den allerdings pausenlos fest in der Hand! Denn diesen brauchen Sie in einigen Stationen (zum Beispiel Prospekt Mira, Komsomolskaja, Kiewskaja, Nowoslobodskaja - wobei schon allein die braune Ringlinie Nr. 5 eigentlich eine tolle Ansammlung an spektakulären Stationen bietet) unbedingt. Und vielleicht nehmen Sie noch einen Metro-Plan mit.
Obwohl: Einen Metro-Plan braucht man gar nicht unbedingt dabei zu haben, denn eine Beschilderung ist überall vorhanden, sehr übersichtlich und ausführlich. Und: man hat an vielen Stationen mittlerweile auch lateinische Beschriftung eingeführt. Mit ein wenig gutem Willen und einem Hauch an Übung ist es aber auch kein Problem, sich an der kyrillischen Beschilderung einigermaßen zu orientieren. Wenn man die Augen offen hält, sind die Wegweiser in der Moskauer Metro also sehr gut nutzbar und fast schon üppig vorhanden. Und um Ein- oder Ausgänge oder auch Übergänge zu finden muss man oft einfach nur der schieren Menschenmasse folgen.
Mir kam die ganze Metro wie ein einziger, lebendiger, ständig pulsierender Organismus vor. Viel Spaß also auf der Reise durch das Innerste von Moskau!
Klar, der interessierte Tourist wird als einen der ersten Wege natürlich in das Stadtzentrum wollen: Zum Kreml, und zum direkt angrenzenden Roten Platz!
Einer der zahlreichen, großen und zumeist üppig verzierten Wachtürme der Kreml-Mauer: Der Erlöserturm zum Roten Platz hin.
Aber: was heißt schon Stadtzentrum? Das Herz der Stadt! Das Herz des ganzen Riesenreiches! Im Kremls hat der Präsident Putin heute seinen Amtssitz - der Prunk drumherum könnte für einen Staats-präsidenten kaum größer sein. Hinter den hohen Mauern rund um den Kreml sind aber nicht nur Regierungs-stellen untergebracht, auch das kirchliche Zentrum Russlands ist hier angesiedelt. Die vielen vergoldeten Türme hinter den Kreml-Mauern zeugen von dem großen Reichtum. Hier ist alles Gold, was glänzt. Aber, wie schon erwähnt: Ich war ja gar nicht im Kreml drinnen, habe ihn zwar außen umrundet - kann also für weitere Eindrücke nur auf andere Quellen verweisen.
Der Rote Platz wird nach Südosten von der schönen Basilius-Kathedrale abgeschlossen. Auf der Brücke dahinter, nicht AUF dem Roten Platz, landete 1987 der "Kreml-Flieger" Mathias Rust - bis heute unvergessen, auch in Moskau. Wohl eine der sonderbarsten Begebenheiten des vergangenen Jahrhunderts.
Keinesfalls golden, aber nach meinem Empfinden viel schöner als die protzigen goldenen Türme ist die am Südost-Ende des Roten Platzes gelegene, frisch renovierte Basilius-Kathedrale. Eine orthodoxe Kirche mit mehreren, bunt gestalteten Zwiebeltürmen. Wunderschön anzuschauen! Unsere Moskauer Reiseleiterin erklärt, dass man den ersten Blick auf diese Kathedrale niemals im Leben vergessen würde. Nun, das kann ich jetzt ja mal alle paar Jahre kontrollieren.
Gar nicht so schlimm finde ich jedoch, dass das Lenin-Mausoleum auf dem Roten Platz wegen einer umfassenden Renovierung geschlossen ist und sich unter einer riesigen, weißen Traglufthalle verbirgt. Schade schon eher, dass die Gräber der berühmtesten Russen der letzten hundert Jahre direkt an der Kreml-Mauer dadurch auch unzugänglich sind.
Vor dem Warenhaus GUM hat man im Winter mitten auf dem Roten Platz eine große Eislaufbahn platziert.
Das Warenhaus GUM, eröffnet 1893, ist im Inneren sehr prunkvoll errichtet und hat sich nach Ende der Sowjetunion zu einem Kaufhaus für westliche Edel-Marken entwickelt. Im Bild eine der drei Ladenpassagen. Sehr charakteristisch: Die 250 m langen Dächer über den Passagen.
Eine der Ladenpassagen des Kaufhauses GUM am späten Abend.
Ganz und gar nicht unzugänglich ist jedoch das berühmte, an der östlichen Seite des großen Roten Platzes gelegene Warenhaus GUM. Errichtet in den 1890er Jahren, in den 1980er Jahren (wie ich höre) dann jedoch trostlos leer. Heute ein eher Edel-Shopping-Tempel vom feinsten. Wenn das die Erbauer des Kaufhauses wüssten! In den unteren beiden Etagen haben sich die bekanntesten Marken der Welt in den Läden angesiedelt, alles ist extrem teuer. Mit anderen Worten: das GUM ist wohl eines der edelsten und teuersten Einkaufszentrum der teuersten Stadt der Welt. Und doch: Man muss es besuchen! Denn es hat Flair. Die Bauweise ist beeindruckend schön, die vielen Winkel und Gänge ergeben das Gefühl bei einem, gar nicht in einem besonders großen Konsumtempel zu sein. Und: Im dritten Stock ist dann alles erschwinglich für den normalen Geldbeutel, man kann in den Self-Service-Restaurants leckere Blini oder oder oder probieren - oder einfach einen Kaffee trinken, verweilen und gucken. Es ist insgesamt nicht sehr voll im GUM (zumindest jetzt im Februar) und die Atmosphäre ist locker und entspannt, schick - aber vielleicht eben durch das alte Gemäuer nicht sehr gediegen. Mir hat das gefallen!
Ebenfalls am Roten Platz: Das "Staatliche Historische Museum Moskau" in dem markanten, 1883 fertig gestellten Gebäude.
Ein bemerkens-wertes Gebäude am Roten Platz ist sicherlich noch das Historische Museum Moskau am Nordende des Platzes. Und direkt daneben das Auferstehungs-tor. Kurz: Das gesamte Ensemble des Roten Platzes ist einfach beeindruckend! Leider wurde das Bild während meines Aufenthaltes jedoch durch die riesige Kuppel über dem Lenin-Mausoleum und durch eine große, etwas kitschige Eislaufbahn gestört, die man kaum hässlicher auf diesem zentralen Platz Moskaus hätte platzieren können.
Man entgeht ihnen nicht: Den sieben Schwestern von Moskau. Was es damit auf sich hat?
So werden die sieben markanten, wuchtigen Gebäude der Stadt genannt, die auf Kommando Stalins nach dem Krieg errichtet worden sind. Ein Gebäude in diesem Sozialistischen Klassizismus oder auch Stalinistischen Zuckerbäckerstil genannten Stil kannte ich schon von meinen Besuchen in Warschau. Dort wurde mit dem Kulturpalast ja auch ein solches Gebäude errichtet - als Geschenk der Sowjetunion an das "Brudervolk" in Polen. Das Gebäude in Warschau ist also eine Art Stiefschwester der sieben Schwestern in Moskau.
Eine der sieben Schwestern in Moskau - womit die sieben riesigen, im stalinistischen Zuckerbäckerstil erbauten Gebäude gemeint sind, die über die Stadt verteilt unübersehbar sind. Hier: Der Hauptsitz des Russischen Außenministeriums an der Straße Arbat. 1953 fertig gestellt und 172 m hoch in der Bau.
Ein anderes der Gebäude der sieben Schwestern, das als Wohnhaus an der Kotelnitscheskaja-Uferstraße genutzt wird. 1952 fertig gestellt enthält das Haus heute 540 Wohnungen und erreicht eine Höhe von 176 m.
Diese haben mich, zu meiner eigenen Überraschung, durchaus beeindruckt. Diese Relikte der glücklicherweise vergangenen Stalin-Zeit, ich finde, es sind spektakuläre Bauten. Ungewöhnliche Gebäude! In Warschau wirkt der einzelne, zentrale Kulturpalast wie ein eingepflanzter Fremdkörper - hier, in Moskau passt es irgendwie besser. Die sieben Schwestern liegen hier auf markanten Achsen im Stadtbild, oft ist mindestens eines dieser Gebäude sichtbar. Fand ich diesen sozialistischen Baustil früher nur hässlich, so staunte ich über mich selber, dass ich dies hier plötzlich interessant finde und beeindruckt bin von der Wucht diese Gebäude. Letztlich sind sie Zeugen eines ausgestorbenen Baustils - und von daher besonders und sehenswert.
Das größte der sieben Gebäude im Stil des "Sozialistischen Klassizismus": Das Hauptgebäude der Lomonossow-Universität. Auf den Sperlingsbergen außerhalb des Zentrums hat man einen Bau mit 36 Stockwerken auf 235 m Höhe getrieben, der darüber hinaus auch noch eine gewaltige Grundfläche beansprucht. 39200 Räume unterschiedlichster Größe haben hier Platz.
Am eindrucksvollsten ist sicherlich das Hauptgebäude der Lomonossow-Universität. Es ist das größte Gebäude seiner Art in Moskau und mit einer Gesamthöhe von 235 m auch das höchste, 1953 sogar das höchste Gebäude außerhalb von Nordamerika, für lange Zeit auch das höchste Gebäude der Stadt. Es wird genutzt für die wissenschaftliche Ausbildung des Studenten in Vorlesungs-, Seminar- und Laborräumen, aber auch als Studentenwohnheim für 26000 Studenten - ein riesiger Bau.
Dabei fällt mir auf: Aus Fahrten mit der Metro habe ich das Gefühl mitgenommen, dass man in Moskau höchsten Wert auf Bildung legt. Aus der heimatlichen Umgebung kenne ich es kaum, dass so viele Personen in der Metro sich intensiv mit wissenschaftlichen Texten beschäftigen oder hochkomplizierte mathematische Rechnungen lösen. In der Metro in Moskau sah ich so etwas auf meinen verhältnismäßig wenigen Fahrten dermaßen oft, dass mich dies verwunderte und beeindruckt. Man scheint wissensdurstig zu sein in Moskau.
Ein klein wenig abseits der ausgetretenen Touristenpfade lässt sich viel entdecken in Moskau. An der "Liebesbrücke" haben unzählige Moskowiter Pärchen ihre gegenseitige Liebe an extra aufgestellten, baumförmigen Stahlgerüsten in Form von Vorhängeschlössern bekundet. Diese werden abgeschlossen, der Schlüssel direkt in den Fluss Moskwa geworfen - so versucht man, die ewige Verbundenheit zu bekunden. Dieses Ritual kennt man mittlerweile wohl in ganz Europa - aber in der Masse, wie hier in Moskau habe ich das noch nie und nirgends gesehen. Offenbar sind die Einheimischen sehr romantisch.
Sehr romantisch: Die Luzhkov-Brücke über die Moskwa, die Moskauer Liebesbrücke. Über und über voll mit Liebesschlössern sind die zu diesem Zweck extra installierten Stahl-Bäume.
Die frühere Schokoladenfabrik "Roter Oktober" (zur Erinnerung: "rot" steht im Russischen auch für "schön") auf der Moskwa-Insel ist zu einer reizvollen Kunst-, Café- und Partyzone umgewandelt worden.
Unweit der Liebesbrücke dann stößt man auf den "Roten Oktober". Nein, das ist hier in Moskau kein U-Boot oder so, sondern die frühere Schokoladen-fabrik "Roter Oktober". Hochwertige Schokolade wird dort schon seit Jahren nicht mehr hergestellt - sehr zum Bedauern der Nachbarschaft, die den Schokoladenduft in der Luft mochte, wie zu hören war. Nein, die Fabrik ist aus dem Stadtzentrum an den Rand gezogen und aus dem alten "Roten Oktober" ist ein Veranstaltungszentrum geworden mit vielen hochpreisigen Cafés, Bars und Discos - eine Edel-Partyzone. Das besondere ist das großartige Ambiente der alten, verwinkelten Fabrik. Nimmt man das alles mal tagsüber in Augenschein, dann wird man von einigen allgegenwärtigen Security-Leuten auf dem Gelänge argwöhnisch beobachtet. Ein Stückchen hinter der alten Schokoladenfabrik, im Stadtteil Samoskworetschje, kann man darüber hinaus bestaunen, wie das moderne Geschäftsleben von anderen, alten Firmengeländen Besitz ergriffen hat.
Im Skulpturenpark kann man ein Denkmal des Diktators Stalin sehen. Immerhin hat man ihm die Nase abgeschlagen. Was man auf dem Foto nicht erkennen kann: Die Gesamtinstallation ist durchaus beeindruckend. Jedem der im Hintergrund hinter Stacheldraht zusammengepferchten Steinen wurde ein leidendes Gesicht eingemeißelt.
Gerade mal ein kleines Stückchen entfernt hat man die Gelegenheit, sich in dem Skulpturenpark Muzeon noch einmal gebührend von Stalin, Lenin oder Breschnew zu verabschieden. Einige haben dies bei dem Tyrannen Stalin schon kräftig gemacht und ihm eins auf die Nase gehauen - sie fehlt seiner Statue nämlich. Die Gesamtinstallation um den grauenhaften Tyrannen ist eindrucksvoll: viele in Stein gehauene Gesichter, hinter Stacheldraht zusammengepfercht, starren Stalin an. Allerdings ist diese Rubrik mit den Bonzen der Vergangenheit nur eine Rubrik im Skulpturenpark, der ansonsten noch viele andere, auch moderne Kunstwerke enthält.
Kunstwerke ist ein gutes Stichwort: Gleich nebenan vom Skulpturenpark gibt es das "Zentrale Haus des Künstlers", die Neue Tretjakow-Galerie. Davor gibt es einen Kunstmarkt mit vielen fliegenden Händlern - im Sommer. Von den Händlern war bei bei meinem Aufenthalt nichts zu ahnen: Es waren insgesamt einfach kaum Touristen in der Stadt und wer steht dann als Händler schon den Tag lang bei minus zehn Grad in der Kälte?
Diese kleine Auflistung zeigt nur in aller Kürze: Moskau ist enorm vielfältige Stadt! Sie hat weit mehr zu bieten, als Kreml und Roter Platz. Selbst auf eher kleinen Wegen wie diesem kann man viel Überraschendes entdecken. Es lohnt sich, ein wenig "um die Ecken" zu streifen.
Den obersten Genossen Lenin jedoch kann man in Moskau im Übrigen neben dem Skulpturenpark noch an verschiedenen Stellen bewundern - er steht noch auf so einigen Sockeln. Auch ist das Lenin-Mausoleum immer noch ein Touristen-Magnet. Insgesamt war ich eher verblüfft, wie viele Symbole der Sowjetzeit man sich noch bewahrt hat.
Der Rote Stern leuchtet noch immer über dem Kreml.
Hammer und Sichel im Ährenkranz, das Wappen der aufgelösten UdSSR. Man sieht es noch an vielen Stellen in Moskau. Hier in riesigem Format am Außenministerium.
Wie selbst-verständlich leuchtet noch der Rote Stern an verschiedenen Stellen über dem Kreml. An der Ewigen Flamme des unbekannten Soldaten direkt an der Kremlmauer marschieren die Soldaten noch im zackigen Stechschritt. Hammer und Sichel, das Wappenzeichen der Sowjetunion, sieht man noch an vielen Stellen, nicht nur als Emblem an den sieben Schwestern.
Jede Menge Verzierungen, auch an Wohngebäuden, zeigen typische sowjetische Symbole. Insgesamt scheint man da eher unverkrampft mit der sowjetischen Vergangenheit zu sein. Warum also sollte man sich die Mühe machen, diese Zeichen zu entfernen? Offenbar ist die Assoziation mit den zahlreichen sowjetischen Zeichen nicht dermaßen negativ, dass das Bedürfnis bestehen würde, diese zu entfernen. Okay: Eine Erinnerung an Stalin oder Chrustschow findet öffentlich nicht statt.
Eine Büste von Lenin grüßt in einer Metro-Station, vor dem Wappen der Sowjetunion.
Meine Güte, was für ein Pathos! Sicherlich eine der bekanntesten Skulpturen der UdSSR. Monumental und frisch restauriert erheben sich "Arbeiter und Kolchosbäuerin" am Eingang zum alten Ausstellungszentrum im Norden Moskaus.
Den Stechschritt bei Soldaten sieht man in Deutschland ja nicht mehr. Aber beim Wachwechsel an der Ewigen Flamme am Grabmal des unbekannten Soldaten neben der Kremlmauer kann man junge Soldaten beim fast schon artistischen Marschieren beobachten. Einige von dieser Elite reißen ihre Füße nach einer Stunde in klirrender Kälte stillstehen mit gestreckten Beinen fast bis in Gesichtshöhe hoch.
Für mich ist das insgesamt verblüffend, schließlich war die Sowjetunion ein höchst undemo-kratischer Staat, mit massiven Unterdrückungs-mechanismen. Der Geheimdienst KGB ist geradezu sprichwörtlich grausam gewesen, zu Stalins Zeit verschwanden Millionen Menschen in Gulags. Komisch dass man sich an diese Zeit allerorten erinnern lässt. Ob es eine breite Aufarbeitung der eigenen Geschichte in Russland gibt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Wenn man mal in den neuen Bundesländern versucht, Symbole aus der DDR-Zeit zu finden, dann wird man sich schwer tun, hiervon etwas zu finden. Mir ist kein Ort bekannt, an dem man noch den Zirkel im Ährenkranz zur Schau trägt. Die russische Seele tickt da offenbar völlig anders und eher gelassen.
Erinnern Sie sich? Hatte ich in Zusammenhang mit der "Liebesbrücke" und den zahlreichen Vorhangschlössern dort eigentlich erwähnt, dass die Moskowiter womöglich sehr romantische Menschen sind?
Nun, davon merkt man Alltag nicht sonderlich viel, eigentlich gar nichts. Mein natürlich rein oberflächlicher Eindruck: Es geht eher etwas ruppig zu in Moskau, für allzu große Rücksichtnahme aufeinander bleibt offenbar kaum Platz. In der Metro wird zuweilen gedrängt und geschoben, dass es manchmal schon an Rüpeligkeit grenzt. Ergattert man einen Sitzplatz in der Metro, so sitzt man sehr eng gedrängt, mit ständigem Körperkontakt zu den Nachbarn. Jetzt im Winter sind ja alle dick eingemümmelt, aber im Sommer, im T-Shirt gibt es in solchen Situationen sicherlich auch direkten Hautkontakt. Was bei uns daheim eher gemieden wird, scheint in Moskau völlig unkompliziert und normal: Körperkontakt mit Fremden.
Eine Touristenzone: Der "alte Arbat". Die erste Fußgängerzone von Moskau (allerdings nicht die erste der Sowjetunion, diese fand sich in Kaunas im heutigen Litauen). In der Straße findet man eine Menge Restaurants, Cafés und Souvenirshops.
Wenn man irgendwo den nachfolgenden Personen die Tür aufhält, erntet man eher irritierte Verwunderung und Verblüffung, anstelle eines kleinen Geste. Direkter Blickkontakt wird allgemein ganz offenkundig eher gemieden (außer auf den gegenläufigen Rolltreppen der Metro) und scheint als aufdringlich empfunden zu werden. Richtige Fröhlichkeit, gar Lachen, habe ich kaum einmal irgendwo bemerkt (wie hatte mich schon mein Reiseführer in Buchform gewarnt: "Wer lächelt, hat böse Absichten, heißt es"). Man geht eher in sich gekehrt und meist griesgrämig dreinschauend seiner Wege. Zu mehreren Personen unterhält man sich schon mal, aber nur selten sprudelt es fröhlich aus den Leuten heraus. Mir ist solch eine zurückhaltende Art an sich keinesfalls unsympathisch, sie kommt mir durchaus entgegen. Aber doch: Insgesamt wirkte die Stimmung in der Stadt doch gedrückt auf mich. Fast schon missmutig.
Aber nein, ich habe auf diesen paar Tagen keinen Einheimischen weiter kennen gelernt, mit niemandem einen näheren Kontakt hergestellt, mich eher als betrachtender Gast der Stadt verhalten. Man hört und liest überall, dass die Einheimischen wunderbar freundliche und ausgesprochen warmherzige Menschen seien - wenn man sie persönlich näher kennen lernt. Es muss ein deutlicher Unterschied zu dem öffentlichen Bild sein!
Die Fußgängerzone in der Kamergersky Pereulok bei Einbruch der Dunkelheit nach 19 Uhr.
Immerhin habe ich mich bei meinem Aufenthalt eher in den wohlhabenden Gegenden herumgetrieben, nicht in den meist sehr trostlos bis trübe wirkenden, endlosen Plattenbau-siedlungen außerhalb des Stadtzentrums. In Moskau sollen laut Aussage meiner Reiseführerin rund 100.000 Dollar-Millionäre leben. Selbst, wenn diese Zahl ja möglicherweise um einen Faktor zu hoch ist (wofür ich keinen Hinweis habe): diese könnten doch eigentlich gute Laune versprühen. Finde ich jedenfalls. Für viele ist es in Russland steil bergauf gegangen. Aber, ja doch, Geld ist auch in Russland nicht alles, und macht nicht glücklich!
Aber vielleicht haben ja einfach alle einen gemeinschaftlichen Winterblues? immerhin hat man jetzt, Ende Februar, schon einen langen, zehrenden Winter hinter sich.
Vielleicht ist die Stimmung in der Stadt im Sommer ja völlig anders? Vielleicht platzt dann die Lebensfreude aus den Moskowitern heraus? Aber, ganz ehrlich: Es fällt mir schwer, mir das vorzustellen! Es liegt eine Melancholie über der Stadt - und es scheint mir, dass die Moskowiter einfach so sind und man sie halt so nehmen muss. Wer überbordende Lebensfreude will kann ja nach Brasilien reisen.
Ich finde: ja! Wenn man sich für diese Stadt und für dieses Land interessiert, dann sollte man dorthin!
Der Aufwand ist nicht zu verachten: Die Visumsbeschaffung ist aufwändig, lästig und teuer. Bei den Staatsautoritäten darf man nicht mit freundlichen Gesten rechnen. An vielen Ecken und Enden merkt man, dass Servicegedanken noch in der post-sozialistischen Wandlung feststecken. Das Geld der Touristen ist das Ziel von Vielen - auf unterschiedlichste Arten und Weisen, zuweilen muss man die Augen verdammt offen halten!
Auch für politisch Interessierte ist Moskau ein schwieriges Reiseziel: Die Politik des Landes ist mit unserem Verständnis schwierig verständlich. Um es mal freundlich auszudrücken. Die Justiz schickt Leute für in unseren Augen Geringfügigkeiten jahrelang nach Sibirien (siehe zum Beispiel das "Pussy Riot"-Drama). Darf man dies durch eine Reise in dieses Land unterstützen? Tut man dies eigentlich allein dadurch, dass man dorthin fährt? Jeder muss dies für sich bedenken und entscheiden.
Von den Sperlingsbergen hat man einen großartigen Blick über die Stadt Moskau - bei klarem Wetter. Bei meinem Besuch war es leider recht diesig.
Aber: Wenn man denn fährt, dann kann man sich darauf einstellen, dass Moskau - die größte Stadt Europas, die teuerste Stadt der Welt - verdammt viel zu bieten hat! Die knapp vier Tage, die ich dort war, waren deutlich zu kurz. Die großen, bekannten Sehens-würdigkeiten sind gewaltig und nehmen eine Menge Zeit in Anspruch. Darüber hinaus sollte man nicht zu wenig Zeit dafür einplanen, um die Häuser zu streifen. Es gibt Vieles zu entdecken! Vieles, was einen überrascht oder auch befremdet. Zum Beispiel diese Bewahrung des sozialistischen Erbes an vielen Orten verblüfft und irritiert mich - war aber auch interessant. So gesehen ist Moskau eine spannende Stadt, insgesamt auch eine sehr quirlige, hektische, laute, fordernde Stadt.
Moskau hat mir deutlich besser gefallen, als ich eigentlich erwartet hatte, es ist vielseitiger, als erwartet. Das Stadtbild ist keinesfalls eintönig. Dabei spielte das traumhaft schöne Winterwetter über die ganzen vier Tage natürlich auch eine Rolle. Dies war aber auch ein unverschämtes Glück, hatte doch die Reiseführerin erzählt, dass man zuvor vier Wochen lang die Sonne überhaupt nicht gesehen hätte.
Bei mir bleibt das Gefühl, dass ich in Moskau noch ungeheuer viel entdecken sollte. Meine Neugierde ist eigentlich noch nicht richtig gestillt. Aber doch: So richtige Lust, Moskau noch einmal zu besuchen, habe ich nicht. Die Stadt ist anstrengend - und nach außen hin zuweilen unfreundlich. Den Kuddelmuddel mit der Visums-Beschaffung tue ich mir nicht noch einmal an. Vielleicht reise ich ja noch einmal dorthin, wenn man es endlich einmal hinbekommt, dass die Bürger der Staaten sich visumsfrei besuchen dürfen. Damit würde alles wohl etwas freier und weniger aufwändig werden - aber mir fehlt der Glaube, dass ich dies noch erlebe.
So bleibt das Gefühl, dass es gut war, mir Moskau einmal anzuschauen - auch und gerade im Winter. Städte im Winter kennen zu lernen, ist etwas Besonderes: Die Städte ruhen in sich, Touristen spielen eine absolute Nebenrolle und man kann das Leben vor Ort etwas kennen lernen. Man ahnt mancherorts unermesslichen Reichtum, man ahnt zuweilen bittere Armut - zumeist aber sieht man ein etwas mühsames Auskommen der Leute in der Stadt. Und man darf neugierig sein, wie der Weg der Stadt Moskau wohl weiter gehen wird.
Mit dem Aufenthalt in Moskau war meine Reise aber noch nicht beendet. Nach vier Tagen in der russischen Metropole geht es per Bus gut 500 Kilometer nach Nordwesten, für einen Kurzaufenthalt in der historischen Stadt Weliki Nowgorod. Sowohl Eindrücke der Fahrt, als auch einige Bilder aus Weliki Nowgorod habe ich hier in einem separaten, kleinen Reisebericht zusammengefasst.
Nach einem Tag in Weliki Nowgorod ging es dann auf der Reise weiter nach Sankt Petersburg. Hier geht es zu einem ausführlichen Reisebericht über den Aufenthalt in St. Petersburg.
Weiter oben habe ich ja schon angedeutet: Es gab so einige doofe, lästige Umstände, vor und während der Reise. Diese sorgen dafür, dass ich mich nicht unbedingt überglücklich an diese Reise erinnern werde. Daran sind jedoch - das möchte ich betonen! - der Reiseveranstalter und die Städte Moskau, Nowgorod und St. Petersburg an sich nur im geringen Umfang verantwortlich. Es ergaben sich einige unglückliche Umstände und die eine oder andere Dusseligkeit von mir selber:
Für Aussichten wie diese will ich nach Moskau: Der Kreml, direkt am Fluss Moskwa gelegen.
Geschafft! Aller Hindernisse zum Trotz - angekommen im Moskauer Winter! Der Moskauer Flughafen Domodedowo - kurz vor Sonnenuntergang.
Weltmeister im perfekten Schneeräumen: Die Moskauer. Hier eine ganz gewöhnliche Wohnstraße im weiteren Umfeld meines Hotels. Blöd nur, wenn man sich auf irgendwelche Nebenpfade begibt - da kann es ganz schön glatt werden.
Der russische Winter ist ja legendär! Sobald die Sonne untergeht erst so richtig, wie hier auf dem Bild mit dem Fernsehturm Ostankino, dem höchsten Bauwerk Europas! Dann
ist es während meines Aufenthalts in Moskau in der Tat knackekalt. Aber ob das allein reicht, sich einen Virus einzufangen? So oder so: Krank zu reisen bringt nur halb so viel Spaß.
Eine Anmerkung noch zum Bild: Es wird übrigens Ende Februar in
Moskau erst nach 19 Uhr dunkel! Ein Grund: Man hat in Russland ganzjährig auf Sommerzeit umgestellt.
Auf einer kleinen Insel in der Moskwa hat man 1997 ein monumentales Denkmal für, nein, nicht: Kolumbus, sondern für: Peter I. den Großen errichtet.
Das Ausdrücken des "Nach-oben-strebens" war durchaus charakteristisch für die sozialistische Zeit. Hier zeigt sich dies mit der Rakete auf der Spitze des Denkmals "Für die Eroberer des Weltraums" und dem Fernsehturm Ostankino (537 m Höhe, höchstes Bauwerk Europas).
Hier geht's aber abwärts: Zu meiner Überraschung fand ich dann auf den Sperlingsbergen sogar eine Skisprunkschanze in Moskau vor.
Das weltberühmte Bolschoi-Theater. Mit seiner Beleuchtung am Abend in der Dämmerung magisch schön!
Auch die Christ-Erlöser-Kathedrale ist magisch schön. Stalin ließ sie 1931 sprengen, im Jahr 2000 wurde der originalgetreue Wiederaufbau fertig gestellt. Berühmt im Westen wurde die Kirche 2012 auch durch den 30-Sekunden-Auftritt der Punkband "Pussy Riot". Eher ein Jugendstreich - jedoch brachte das Happening Mitgliedern der Band zwei Jahre Lagerhaft ein. Wie in Zeiten des Stalinismus. Wer weiß, vielleicht wird die Kirche ja bald wieder gesprengt?
Das Weiße Haus von Moskau, das Regierungsgebäude der Russischen Föderation. Bekannt im Westen wurde das Gebäude vielen bei der bewaffneten Auseinandersetzung im Jahr 1993, bei der russische Panzer das von Nationalkommunisten beherrschte Gebäude unter Beschuss nahmen und es schwer beschädigten.
Lubjanka - eigentlich der Name des Platzes. Bekannt jedoch als Synonym für ein Haus des Schreckens und des Grauens mitten Moskau. Von 1920 bis 1991 hauste hier der weltweit gefürchtete sowjetische Geheimdienst KGB. Heute hat hier der russische Geheimdienst FSB sein Zuhause. Zu Zeiten des KGB wurden im Gefängnistrakt hunderttausende Menschen gefoltert und verhört, eine unbekannte Zahl dabei ermordet. Das Archiv des KGB im Gebäude bleibt bis heute für die Öffentlichkeit verschlossen, das Gefängnis ist noch in Betrieb.
Der Rote Platz ist auch am Abend schön, alle Gebäude werden aufwändig beleuchtet - wie hier die Basilius-Kathedrale.
Und so bzw. ähnlich sehen viele Straßenzüge in Moskau aus: Fast unendlich breit mit undefinierbar vielen Fahrspuren und voller Autos. Und die Autos sollen möglich ungehindert rollen, nicht umsonst hatte ich das Gefühl, dass Moskau die Stadt der Fußgängerunterführungen ist.
GEO im GUM: Im Warenhaus GUM präsentiert sich eine Firma aus meiner Nachbarschaft: Der Verlag Gruner und Jahr zeigt eine Ausstellung der Zeitschrift GEO mit fantastischen Fotos. Die verblüffend wenigen Passanten interessierten sich jedoch mehr für die Schaufenster.
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