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im Internet:
Die Lagerhäuser am Fluss Nidelva sind typische Wahrzeichen der Stadt Trondheim.
So lautet der schlichte Betreff einer Mail von mir an ein paar Freunde am Abend meines ersten Tages in Trondheim. Als Text schreibe ich weiter gar nichts in die Mail - hänge nur ein paar Fotos aus Trondheim an, darunter diese:
Eine umgewehte Schutzscheibe an einem Restaurant.
Nasse und durchgefledderte Sitzkissen in einem Restaurant.
Ein vom Sturm zerfledderter Schirm.
Das kenne ich doch noch gut von meiner Reise nach Stockholm - im Januar 2011: Warnschilder vor Glätte. Damals vor Eis, hier allerdings vor Wasser auf Holzbohlen.
Nix los im Zentrum: In der zentralen Fußgängerzone der Innenstadt haben sich enorme Wasserpfützen gebildet.
Natürlich hätte ich in meiner Mail auch noch erwähnen können, dass es derzeit regnerisch ist, zeitweilig auch stürmisch, und die Temperatur 9 Grad beträgt. Sommer in Norwegen, eben! Aber auf die Anmerkungen habe ich verzichtet - die Bilder sprechen ja für sich.
Die Antworten sind irritiert bis erschrocken, etwa so: "Oh je, Du Armer!!!" und auch: "Du machst aber auch immer so komische Reisen!"
Aber, nein, so komisch ist es an sich gar nicht in Trondheim. Ich habe zu Beginn nur einen etwas unglücklichen Tag erwischt, eben mit neun Grad Tagestemperatur, kräftigen Windböen, begleitet von eindrucksvollen Regenschauern.
Der Regen bleibt beharrlich hängen, auch in den folgenden Tagen - wenn auch nicht mehr ganz so heftig.
Anders, als bei meinen sonstigen Reiseberichten werfe ich hier aber auch mal einen Blick auf die Anreise. Denn das Reisen selber ist für mich durchaus ein erheblicher Teil meines Urlaubs - auch der Weg ist diesmal das Ziel meiner diesjährigen Sommerreise.
Bisher ist dabei einiges schief gegangen: Zur ersten Station Malmö (mit Zug und Schiff) hat es diverse unplanmäßige Umsteigeaktionen, Unklarheiten und pralle Verspätungen gegeben. Die Fahrt zur zweiten Station Oslo soll eigentlich komplett mit der Bahn stattfinden - allerdings endet die Zugfahrt recht bald und es entsteht ein enormes Kuddelmuddel mit Ersatzbussen und nur mit viel Glück und meiner Geistesgegenwart bleibt es für mich dann bei rund drei Stunden Verspätung.
Heute nun also die dritte größere Reise-Aktion in diesem Urlaub: Zugfahrt von Oslo nach Trondheim. Die erste Feststellung, noch am heimischen PC, Monate vor der Reise: Zugfahren in Norwegen ist irritierend günstig, wenn man früh ein Ticket bucht! So günstig, dass ich das Gefühl habe, es würde irgendetwas nicht stimmen mit meinem Ticket - wo doch Norwegen allgemein ein so teures Reiseland ist. Aber, doch: Alles ist in Ordnung.
Es gibt zwei Strecken, die von Oslo nach Trondheim führen: Die direkte Schnellstrecke, die "Dovrebanen", wo die Fahrzeit 6,5 Stunden beträgt. Und eine Nebenstrecke, die ein Umsteigen und - wenn man will - einen gut einstündigen Aufenthalt in der Stadt Hamar beinhaltet. Dabei hat man dann insgesamt achteinhalb Stunden Bahnvergnügen in Norwegen auf dem Weg nach Norden, für umgerechnet nicht einmal 30 Euro. Die Verbindung wird "Rørosbanen" genannt - benannt nach der auf 630 Meter über Null gelegenen Stadt und Weltkulturerbeort Røros. 553 Kilometer sind es auf dieser Strecke von Oslo bis nach Trondheim.
Ich wähle die zweite Variante für die Anreise. Das gibt mir dann eben auch die Möglichkeit, mich ein wenig in der 31.000-Einwohner-Stadt Hamar umzuschauen. Immerhin die 20.-größte norwegische Stadt, und, ganz lustiger Zufall: Partnerstadt nicht nur von Greifswald, sondern auch von der schwedischen Stadt Lund - die ich vor ein paar Tagen erst besucht und kennengelernt habe. Und immerhin hat Hamar viel Historie: Bereits im 12. Jahrhundert Bischofssitz und die einzige mittelalterliche Stadt Norwegens, die nicht an der Küste liegt.
Nach gut einer Stunde Fahrt bin ich dann in Hamar, nehme meinen recht großen und schweren Koffer an die Hand (für eine drei-Wochen-Reise in den Norden sollte man sich auch im Sommer durchaus umfangreich ausstatten). Und ziehe ein wenig durch das Stadtzentrum. Sehe dort eine verblüffend menschenleere Fußgängerzone. Sehe einige wunderbare Gründerzeithäuser aus Stein und Wohnhäuser aus Holz. Sehe hier und da moderne, ernüchternd nüchterne norwegische Architektur. Wirklich erstaunlich wenige Menschen und Autos sind an diesem Dienstag Vormittag in der Stadt unterwegs, womöglich sind die fleißigen Norweger alle in ihren Büros? Oder jetzt im August alle in Urlaub im sonnigen Süden?
Die beiden schönsten Sehenswürdigkeiten bzw. Ansichten von Hamar habe ich allerdings noch aus dem Zug bei der Anfahrt auf die Stadt: Der Mjøsa-See (der größte See Norwegens), an dem die Stadt liegt, bietet herrliche Ansichten in der schönen, leicht geschwungenen Landschaft. Und: Der ebenfalls am Stadtrand von Hamar gelegene, spektakuläre Bau "Vikingskipet" ("Wikingerschiff") - eine der größten Eisschnelllaufhallen der Welt, in der 1994 die olympischen Wettbewerbe im Eisschnelllauf während der Olympischen Spiele in nahen Lillehammer durchgeführt wurden. Auch für andere Veranstaltungen wird die Halle genutzt: Vom Beyoncé-Konzert bis zur Bandy-Weltmeisterschaft (eine Großfeld-Eishockey-Variante, die mir erst 2011 auf meiner Stockholm-Reise bekannt wurde - kaum habe ich auf meiner Seite darüber berichtet, wurde im Jahr 2013 dann prompt eine Deutsche Nationalmannschaft gegründet...).
Wie auch immer: Für mehr, als eine kleine Schleife, einen flüchtigen Eindruck von Hamar reicht ein solch kurzer Aufenthalt natürlich nicht! Und so richtig viel Lust, meinen Koffer hier durch die Stadt zu ziehen, verspüre ich offengestanden dann doch nicht wirklich.
Es fühlt sich ein wenig ähnlich an, wie auf einer Streckenradtour, bei der man in einer Stadt einen kleinen Aufenthalt macht, um ein paar Eindrücke einzufangen. Allerdings: Diesen kurzen, flüchtigen Eindruck von der norwegischen Mittelstadt Hamar möchte ich auf dieser Reise nicht missen. Für mich ist es also eine gute Entscheidung, diese Bahnstrecke zu wählen!
Blick über Vorplatz zum Bahnhofsgebäude.
Der Bahnhofsvorplatz und ein paar umgebende Gebäude.
Ein markantes Gebäude im Stadtzentrum.
BDie Fußgängerzone im Zentrum, die "Torggata" ist an diesem Dienstagvormittag weitgehend menschenleer...
... ebenso, wie der große Marktplatz "Østre Torg".
Die ziemlich genau sechs Stunden lange Zugfahrt von Hamar nach Trondheim, keinesfalls in Hochgeschwindigkeit, bringen einen großen, kunterbunten Strauß an interessanten Eindrücken von Landschaften, Wetterwechseln, Ortschaften und auch mal Gehöften wie aus dem Bullerbü-Bilderbuch. Nie wird mir diese sechs-Stunden-Fahrt langweilig, denn genau dafür liebe ich Zugfahrten: Man kann in aller Ruhe den Blick schweifen lassen, auch mal zu den Fahrgästen, muss sich auf keinen Fahrtweg konzentrieren. Das macht ja der Chauffeur vorne in der Lok...
Hin und wieder zücke ich meine Kamera und knipse aus dem Fenster heraus - hier also ein paar Eindrücke der sechsstündigen Zugfahrt:
Sonnenschein und dunkle Wolken: Blick über die Niederung des Flusses Glåma, den mit 601 km längsten Fluss Norwegens, der von der Zugstrecke der Rørosbahn über hunderte Kilometer lang begleitet wird.
Das sieht doch "typisch Norwegisch" aus, oder? Einfahrt in die Ortschaft Rena.
Direkt an die Station im Dorf Atna grenzt ein großes Naturreservat.
Der 1140 m hohe "Storbellingen" versteckt sich ein wenig in den Wolken hinter dem Gehöft nahe dem Dorf Bellingmo.
Am Bahnhofsgebäude der Ortschaft Os: Bei den Buchstaben für die Benennung des Ortes war man ja sehr sparsam - dafür bei der Angabe der Höhenmeter (die übrigens jeder Bahnhof hat) umso großzügiger. Und fast schon penibel genau - ich hätte da ja gerundet.
Wie eigentlich alle Bahnhöfe an der Strecke der Rørosbahn ist auch der Bahnhof der namensgebenden, 5.500 Einwohner zählenden Bergstadt Røros aus Holz gebaut.
Ein Stück hinter Røros: Finstere, über der rund 650 m hohen Hochebene sehr tief hängende Wolken.
Bei der Ortschaft Glåmos, kurz vor dem mit 670 m Höhe höchsten Punkt der Strecke, überquert die Bahn den Fluss Glåma, der hier nach Osten abknickt, während wie weiter nach Nordwesten fahren. Immerhin über 250 km haben wir den Fluss direkt begleitet.
Blick auf einzelne Gehöfte nördlich des Dorfes Kotsøy.
In der Nähe des Dorfes Ler, 30 Kilometer vor Trondheim.
Im Zug fallen mir mit der Zeit mehr und mehr Leute auf, die mit einem Fußball-Trikot unterwegs sind - allesamt mit dem gleichen Werbeschriftzug versehen: "Fly Emirates". Einer der Vereine meiner Heimatstadt Hamburg ist ja auch mit diesem Schriftzug auf der Brust unterwegs, wahrscheinlich fällt es mir nur deswegen hier und jetzt auf. Komische Mode hier in Norwegen - denke ich mir. Aber das hat schon seinen Grund - erfahre ich später.
Nur am Rande sei vermerkt: In Hamar ist an diesem Tag im August der Sonnenaufgang um 5:08 Uhr, der Sonnenuntergang um 21:33 Uhr.
Immerhin: Der Zug kommt pünktlich in Trondheim an. Na also: Geht doch!
Und damit endlich wieder nach Trondheim - meinem eigentlichen Ziel der heutigen Reise und dem eigentlichen Thema des Reiseberichts. Der Weg vom Bahnhof zum Hotel ist glücklicherweise nicht sehr weit (es regnet...) und schnell gefunden.
Die drittgrößte Kommune Norwegens mit immerhin 205.000 Einwohnern und natürlich Hauptstadt der Provinz Trøndelag. Für ganz Mittelnorwegen ist Trondheim das Handels-, Technologie- und Verkehrszentrum. Rund 30.000 Studierende gibt es in Trondheim, vor allem an der Technischen Universität Trondheim.
Natürlich ist Trondheim auch das Kulturzentrum von Mittelnorwegen. Und mit Rosenborg BK Trondheim beherbergt die Stadt den wohl einzigen Fußballverein Norwegens, der durch zahlreiche Teilnahmen an der europäischen "Champions League" über die Grenzen des Landes hinaus bekannt ist.
Wirklich bedeutend allerdings ist die Geschichte von Trondheim. Den ursprünglichen Namen der Stadt, Nidaros, sieht man noch hier und da. Beispielsweise an den Wanderschildern des Olavsweg: Trondheim mit seinem gewaltigen Nidarosdom ist der wohl wichtigste Wallfahrtsort in Nordeuropa. Im Mittelalter ist Trondheim Königssitz und somit Hauptstadt von Norwegen - Oslo ist seinerzeit recht unbedeutend. Als Norwegen seine Selbständigkeit verliert und über Jahrhunderte hinweg im dänisch-norwegischen Reich von Dänemark aus kontrolliert wird, verliert Trondheim seinen Status als Hauptstadt, erlebt jedoch trotzdem eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Interessant: Es gibt seinerzeit eine enge Verknüpfung zum (damals dänischen) Südschleswig und Flensburg.
Mit Ziegeleien, Werften und mechanischen Betrieben erlebt Trondheim im 19. Jahrhundert einen enormen Aufstieg, der sich durch den Anschluss an das norwegische und schwedische Bahnnetz gegen Ende des 19. Jahrhunderts weiter beschleunigt.
Im Zweiten Weltkrieg, die Deutschen halten Norwegen von April 1940 bis Mai 1945 besetzt, wird von den deutschen Besatzern im seinerzeit üblichen Größenwahn geplant, die Stadt Trondheim schlicht zu verlegen und einfach ganz neu zu bauen - lese ich irritiert. Etwa 20 km außerhalb der historischen Stadt Trondheim soll "Neu Drontheim", als gewaltiger Marinestandort an einem militärstrategisch günstigerem Ort als Teil des "Atlantikwalls", entstehen. Albert Speer plant seinerzeit großzügig: 300.000 Bewohner soll die Stadt haben. Eines der am meisten favorisierten Vorhaben von Hitler. Erst im November 1944 entschließt man sich, die Pläne zu verwerfen. Welch ein absurder Wahnsinn!
Und was für ein Glück, dass die großdeutschen Monsterpläne nicht umgesetzt worden sind, denn: Als ich den ersten Abend nach meiner Ankunft durch die kalte und triefend-regennasse Altstadt von Trondheim gehe, weiß ich sehr schnell - diese "hyggelige" Stadt kannst Du nur mögen!
Berühmt ist die Stadt ja für die vielen bunten Holzhäuser, die man auch in der Innenstadt überall findet - und, wirklich: Diese zumeist sorgsam restaurierten Gebäude strahlen einen solchen Charme, eine solche Gemütlichkeit und, ach - Schönheit aus, dass man sich hier eigentlich wohl fühlen muss. Denn, das Schöne dabei: Die Stadt wirkt dabei nicht wie ein Museum, das für die Touristen aufgepäppelt worden ist. Trondheim ist eine "lebendige", "junge" und "frische" Stadt. Und das in schönen, alten Gemäuern. Nein, pardon, "Gemäuer" stimmt ja meist gar nicht - wie schreibt man das denn über Holzhäuser, die ja keine "Gemäuer" sind? "In schönen, alten Gehölzen..."?
Am ersten Abend unterwegs im Stadtteil "Bakklandet", das mir sofort gut gefällt und einen sehr "hyggeligen", also gemütlichen, Eindruck macht.
Und dass Trondheim so lebendig wirkt, mag ja auch an den ca. 30.000 Studierenden liegen, die die Stadt bevölkern und durchaus prägen. Obwohl ich Mitte August ja in der vorlesungsfreien Zeit nach Trondheim komme, erkennt man den Einfluss der jungen Leute an vielen Stellen. Schon allein die überall anzutreffende junge Café-Kultur ist toll.
"Jung" wirkt Trondheim auf mich aber auch in anderer Hinsicht: Vielleicht übersehe ich dies in anderen Städten ja nur meist, aber in Trondheim fällt mir bei einigen nicht so zielgerichteten Wegen durch Wohngebiete der Stadt sehr auf, dass es dort viele und extrem großzügige Kindergärten gibt.
Irgendwann, ich bin gerade im Stadtteil Ila unterwegs, ergibt es sich, als es gerade mal einen kräftigen Regenschauer gibt dem ich dann doch besser entrinnen will, dass in dem Pavillon direkt nebenan auch eine solche Kindergartengruppe Schutz vor Regen sucht. Und - ist es Zufall? - es fällt mir nicht nur auf, dass dort gar vier oder fünf Erzieherinnen die ca. 15-20 Kinder betreuen, sondern es fällt mir auch sehr auf, dass ich bei den Kleinen ganz, ganz drastisch weniger Aggressionen wahrnehme, als bei den Kleinen daheim. Es ist in der Viertelstunde nur fröhliches, kindliches Geplapper zu hören, ohne dass die auffällig vielen Betreuerinnen eingreifen müssten - keine Spur von der im heimatlichen Hamburg oftmals anzutreffenden "Überdrehtheit" der Kleinen, kein Geschrei, kein Getobe, kein Gerangel, kein Handy-Gefummel, nix dergleichen. Die Kids sind einfach sehr entspannt drauf. Vielleicht ja nur eine Momentaufnahme. Vielleicht ja aber auch ein systematischer Unterschied zwischen Norwegen und Deutschland? Oder zwischen einer 200.000- und einer 1.800.000-Einwohner-Stadt? Jedenfalls beobachte ich das friedliche, lustige Kindertreiben mit so viel Verblüffung und Neugierde, dass ich bei den Erzieherinnen schon argwöhnische Blicke hervorrufe. So ist es heutzutage dann wohl auch in Norwegen: Ein Mann alleine, der Kinder gut findet und betrachtet - erweckt sofort Misstrauen.
Blick zurück zu dem Pavillon im "Ilaparken" des Stadtteils Ila, unter dem ich Schutz vor Regen suche - und neugierig die Kindergruppe beobachte, die sich nebenan dazu gesellt.
Aber "frisch" ist Trondheim eben auch. Nicht nur die diese lebendige Jugend - sondern auch durch die geographische Lage. Die würde ich mal als "irgendwo im südlichen Bereich der mittleren Norwegen" benennen. Und, anders, als ich es mir zuvor eigentlich so gedacht hatte (so richtig auf die Karte geguckt habe ich offenbar nicht...), liegt Trondheim nicht direkt am Meer. Nein, vom offenen Atlantik ist Trondheim ca. 60-70 km entfernt, liegt etwas geschützter am langgestreckten Trondheimfjord, an der Mündung des Flusses Nidelva. Und trotzdem: In der Zeit, in der ich dort bin, weht fast durchgehend ein frischer Wind durch die Straßen und Gassen der Stadt.
Es ist sicherlich etwas Pech, aber es gibt die ganze Zeit meines Aufenthalts kühle Temperaturen: Die Maximaltemperaturen gehen tagsüber in den drei Tagen nie über 13 Grad hinaus. Nachts rutschen die Temperaturen immer in einstellige Bereiche: Sechs oder sieben Grad sind es dann. Wohlgemerkt: Wir reden von einem Aufenthalt Mitte August! Eigentlich ja noch mitten im Sommer. Es muss allerdings auch mal freundlichere Temperaturen in Trondheim geben - davon zeugt die viele in den Außenbereichen bereitstehenden Tische und Stühle der Gastronomie. Diese wird während meines Aufenthaltes kaum genutzt, trotz einiger Heizstrahler.
Das mag daran liegen, dass es eben nicht nur kühl ist während meines Aufenthalts, sondern auch nass - meist sogar sehr nass. Nicht nur am ersten, auch am letzten Tag meines Aufenthalts bleibt der Regen ein Dauergast von morgens bis abends. Meist ein mit Schauern verstärkter, durchdringender Dauernieselregen. Da bringt es nicht viel Freude, sich eine Stadt anzuschauen... Aber, immerhin beschert mir der zweite Tag meines Aufenthalts auch immer wieder mal sonnige Abschnitte - allerdings mit insgesamt einem ständigen Wechsel des Wetters mit immer wiederkehrenden Schauern.
Und da meine persönliche "Festplatte" im Lauf dieser Reise langsam schon vollläuft und nur wenig Aufnahmekapazität für Museen bleibt, habe ich mich tatsächlich mal ein paar Stunden im Zimmer meines Hotels verkrochen. Ein wenig bedaure ich im Nachhinein, nicht zumindest mal einen Blick in das sicherlich außergewöhnliche Museum "Rockheim" geworfen zu haben. So etwas links liegen zu lassen, ist eigentlich dämlich - wenn man denn schon vor Ort ist und der Regen geradezu dazu einlädt, "Rockheim" zu besuchen...
Blick zum Museum "Rockheim", einem Museum über Rock-Musik ab den 1950er Jahren bis heute - bei abendlicher Beleuchtung.
Abends am letzten Tag dann möchte ich noch ein wenig die "Lichter der Stadt" fotografieren - und werde dadurch überrascht, dass sozusagen zum Abschied plötzlich und kurz der Himmel etwas aufreißt und ich zu meiner Verblüffung noch etwas Abendrot sehen darf, und das sogar ohne Regen. Dabei stellt sich bei mir ein leichtes Gefühl von Norden, von "nördlichem Licht" ein. Okay - ich bin hier ja schon recht weit im Norden, aber doch immer noch ein weites Stück südlich des Polarkreises. Und: Es ist Mitte August, rund sechs Wochen nach dem längsten Tag des Jahres - daheim in Hamburg wird es dann gegen neun Uhr dunkel. Hier gibt es eine wunderbar langgezogene Abenddämmerung. Selbst abends um 22:30 Uhr gibt es immer noch einen deutlichen, schönen Lichtschein am Himmel. Norden eben! Und genau das gehört ja auch zu dem, was ich auf meiner Reise erleben will. Der Sonnenaufgang in Trondheim ist in diesen Tagen Mitte August um 4:53 Uhr, der Sonnenuntergang um 21:54 Uhr. Aber Sonnenuntergang heißt ja eben nicht, dass es sofort dunkel wird, das zieht sich hier eben lange hin im Sommer.
Blick über das Hurtigbåtterminal zum Trondheimfjord abends um 22:28 Uhr - auch Mitte August gibt es zu dieser Zeit noch abendliches Licht.
Tags zuvor habe ich ja schon häufiger etwas Sonne genießen dürfen, immer mal wieder. Und immer mal wieder aber auch eingestreute Schauer. Gewaltige Wolkenberge ziehen immer wieder durch, sehen zuweilen sehr bedrohlich aus, behalten aber glücklicherweise ihre Fracht manchmal auch für sich. Dramatisch aber sieht der Himmel trotzdem den gesamten Tag über aus. Und trotzdem erlebe ich Sonderbares: Obwohl ich an diesem Tag recht häufig durch Sonnenschein laufe, pieselt über einen Zeitraum von 90 Minuten bis zwei Stunden kontinuierlich ein ganz feiner Regen auf mich herab. Diese feinen Regentröpfchen werden von offenkundig irgendwoher herbei geweht. Das ist nun keinesfalls so, dass ich ernsthaft nass werden würde. Aber: Irgendwann wird das doch nervig. Beständig muss ich meine Kamera vor den Regentropfen schützen, bzw. schauen, ob sich auf der Linse Tropfen niedergelassen haben. Auch die Nutzung von Bänken oder anderen Sitzgelegenheiten will dabei zumeist wohlüberlegt sein.
So lange anhaltenden Regen im Sonnenschein habe ich so noch nicht erlebt. Vielleicht kenne ich so eine Erscheinung mal nach einem durchziehenden Regenschauer, wenn die Sonne wieder erschienen ist, mal für zwei, drei oder fünf Minuten. Aber so richtig lang anhaltend - ein für mich neues Phänomen.
Das alles zeigt letztlich: Trondheim hat, auch, was das Wetter anbelangt, sehr viel zu bieten! Es geht sehr abwechslungsreich zu und man muss sich auch im Sommer auf vieles vorbereiten. Es herrscht sozusagen "aktives Wetter".
Und was gibt es denn nun zu sehen in Trondheim?
Nun - eigentlich schaue ich mir in unbekannten Städten ja sehr gerne und anhaltend das "normale Leben" an. Wie ticken so die Menschen hier? Wie läuft das Leben, geht es hektisch, ruhig, achtsam oder locker zu? Ein gutes Beispiel für dieses "das-normale-Leben-anschauen" ist die geschilderte kleine Szene mit den Kindergarten-Kindern weiter oben. Von daher ziehe ich gerne durch Städte, gerne auch in Wohnbereichen, und schaue einfach, was mir so begegnet.
Aber, natürlich, schaue ich mir gerne auch Besonderheiten in einer Stadt an - diese werden ja gerne "Sehenswürdigkeiten" genannt.
Nun, die ganz klare Nummer eins ist da natürlich der Dom von Trondheim, der schon erwähnte Nidarosdom - das bedeutendste Bauwerk der Stadt. Und, um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe ihn nicht von innen besichtigt, nur von außen! Ein begeisterter Kirchenbesichtiger bin ich nie gewesen, halte mich nicht so richtig gerne über längere Zeit in Kirchen auf. Und dann sind mir die 90 nKr (also norwegische Kronen, knapp zehn Euro) Eintritt in die Kirche schlicht zu viel - Basta! Eintrittsgeld für eine Kirche? Na sowas!
Der historische Nidarosdom in Trondheim - Ziel diverser Pilgerwege im Norden.
Die üppige Westfassade des Nidarosdoms, fertig gestellt erst im Jahr 1968.
Unweit des Doms gibt es eine Olavsquelle, deren Wasser heilende Kräfte nachgesagt werden. Ich füllte einen Liter in meine Trinkflasche - genützt hat es nix.
Daran ändert nichts, dass der Dom als National-heiligtum von Norwegen gilt und ein ebenso berühmtes wie beliebtes Pilgerziel ist. So enden beispielsweise die Olavswege hier, eine Strecke beginnt zum Beispiel in Oslo. Direkt neben dem Dom gibt es eine stilvolle Pilgerunterkunft. Die erste Kirche ist hier 1090 errichtet worden, seit 1152 ist es eine Kathedrale. Etwas verblüfft hat mich die Information, dass die markante und sehr historisch wirkende, hochgotische Westfassade mit den Türmen und dem Hauptportal der Kirche erst 1964 und 1968 fertig gestellt wurde.
Das Haupt-Fotomotiv der Stadt, ja auch oben als Titelbild meines Reiseberichts gewählt, sind jedoch die alten, bis in das 18. Jahrhundert zurückreichenden, bunt bemalten Holz-Lagerhäuser an der Nidelva: Speicherstadt auf Norwegisch. Alles steht auf hölzernen Stelzen, ist wunderbar restauriert. Heute eher edle Unterkünfte und ein paar Geschäfte.
Ein echter Hingucker: Die Lagerhäuser an der Westseite der Nidelva.
Auch ein Hingucker: Die beleuchtete, historische "Gamle Bybro" (die "alte Stadtbrücke") über den Fluss Nidelva am späten Abend.
Direkt angrenzend das Viertel "Bakklandet" - und über die Nidelva wunderbar gepflegt Teile der historischen Holzbrücke, die "Gamle Bybro" ("Alte Stadtbrücke"), von der der Blick auf die Lagerhäuser sehr schön ist. In diesem Bereich geht mir das Herz auf, hier ist Trondheim so, wie aus dem norwegischen Bilderbuch. Durch die Straßen mit den alten Holzhäusern in Bakklandet zu streifen, ist toll und "hyggelig". Sich irgendwo gemütlich auf einen Kaffee oder ein Essen niederzulassen ist hier kein großes Problem - es gibt einige einladende Cafés und Restaurants. Ein zauberhaftes Viertel! Nur am Rande vermerkt: Direkt angrenzend findet sich übrigens des Quartier Pappenheim. Falls Ihnen also Ihre Pappenheimer abhanden gekommen sind: Diese müssen nicht unbedingt im Altmühltal sein...
Blick durch die Straße "Øvre Bakkalndet" am Tage.
Abendlicher Eindruck von der Straße "Nedre Bakklandet".
Hübsche Gassen mit Holzhäusern gibt es auch auf der zentralen Halbinsel, die durch das heftige Mäandern des Flusses Nidelva gebildet worden ist. In der Nähe des Kanalhafens bringt es einfach Spaß, durch die Viertel zu streifen. Als ich die Kreise hierbei ein wenig ausdehne, gerate ich unter anderem in die hafennahen Stadtteile "Ila" und "Skansen" - und bin auch hier begeistert von der Heimeligkeit der Wohnbereiche (hier ereignet sich ja auch die Szene mit der Kindergruppe).
Am früheren Hafengebiet bei den Stadtteilen "Ila" und "Skansen" ist ein kleines Quartier mit schön gepflegten Holzhäusern zu finden.
Aber es gibt im Zentrum eben nicht nur viele Holzhäuser, sondern auch viele Gebäude aus Stein aus der Gründerzeit. Und nicht unerwähnt bleiben soll, dass ich in Trondheim an Gebäuden immer wieder auch schöne Jugendstil-Elemente entdecke - mir gefällt diese Stilrichtung aus den ersten zwanzig Jahren des vergangenen Jahrhunderts ja häufig sehr. Vor allem auf der Halbinsel der Innenstadt finde ich diese Jugendstil-Elemente an den Fassaden von Gebäuden. Oft kommen diese recht dezent daher - keine Spur von dem prallen und üppigen Jugendstil, wie ich ihn beispielsweise in Riga gesehen habe. Es lohnt sich also durchaus, in Trondheim hier und da etwas genauer hinzuschauen.
Jugendstil-Elemente an einem Gebäude im südlichen Bereich der Innenstadt-Halbinsel, in der "Arkitekt Christies gate".
Auch lohnt oftmals ein Blick zu den Giebeln der Häuser, hier in der "Søndre gate".
Etwas verblüfft bin ich, als plötzlich eine Straßenbahn an mir vorbei rumpelt. Die Gleise auf der Fahrbahn habe ich bisher gar nicht bewusst wahrgenommen, auch keine Straßenbahn-Züge... Als ich dann später ein wenig nachlese, bin ich begeistert: Ich bin hier mal wieder einem der bei mir immer wieder sehr beliebten Superlative begegnet: Die "Gråkallbanen" - die nördlichste Straßenbahn der Welt! Wow! Die Straßenbahn hat es in dieser Welt also noch nicht über den Polarkreis geschafft...
Da kommt sie angefahren, die Straßenbahn auf ihrem Weg zum Vorort Lian - die nördlichste Straßenbahnstrecke der Welt. Hier in der Straße "Ilevollen" direkt am "Ilaparken" im Stadtteil "Ila" :-)
Eine einzige, 8,8 km lange Strecke ist noch in Trondheim unterwegs - aus dem Zentrum in den südöstlich gelegenen Vorort Lian. Nur, tja: Als ich die Bahn sehe, weiß ich noch gar nicht um deren Besonderheit des weltweit außergewöhnlichen Standorts... Ehemals hat es drei Linien mit 24 km Streckenlänge gegeben, heute muss die einzige Linie noch finanziell gestützt werden, da sie nicht wirtschaftlich betrieben werden kann.
Einen Schlenker mache ich dann bei Gelegenheit noch zu dem markanten Hauptgebäude der "Technisch-Naturwissenschaftliche Universität Norwegens – NTNU", das mir schon bei einem Blick über den Nidelv in Auge gesprungen ist. Viel los ist hier nicht - es ist ja auch die vorlesungsfreie Zeit für die Studierenden. Gut gefallen mir die paar historischen Lokomotiven, die man als Ausstellungsobjekte hierhin transportiert hat. Der Blick über die Stadt ist aber nicht so toll, wie ich gehofft habe.
Blick von der "Gamle Bybro" zum markanten Hauptgebäude der Technisch-Naturwissenschaftliche Universität Norwegens am Abend.
1910 eröffnet: Das Hauptgebäude der Universität aus der Nähe.
Historische norwegische Dampflok auf dem Gelände der Universität: 1924 in Chemnitz gebaut, bis 1961 im Osten Norwegens unterwegs - die Björkelangen-Lokomotive.
Dafür ist ein Besuch auf der "Kristiansten Festning", die "Festung Kristiansten", erheblich besser geeignet. Im 17. Jahrhundert erreichtet, um die Stadt gegen Osten verteidigen zu können. Also gegen Schweden, mit dem man in der Zeit in Konflikt steht. Und natürlich: Eine Festung - sie wurde doch auch während der deutschen Besatzung genutzt, für die anstehenden Erschießungen von Widerständlern und sonstigen unbequemen Menschen. Ach je - manchmal bin ich den Zeugnissen und Denkmalen für den deutschen Vandalismus in allen möglichen entfernten Ecken Europas fast schon überdrüssig.
Schwere Bewaffnung auf der "Kristiansten Festning", der historischen Festung, die erhaben über die Stadt wacht.
Gedenkstelle auf der historischen Festung zur Erinnerung an die Erschießungen von Widerstandskämpfern durch die deutschen Besatzer. Inschrift der Gedenktafel: "Her ble Norsk Patrioter skutt under Krigen 1940 - 1945", übersetzt: "Hier wurden norwegische Patrioten während des Krieges erschossen". Bemerkenswert: Kein Wort über die Herkunft der Schießenden.
Da laufe ich doch anschließend, es wird Abend, noch in den Stadtteil "Nedre Elvehavn" - ein früheres, umgewandeltes Hafengebiet. Die Backstein-Hallen einer früheren Werft nahe der Mündung des Flusses Nidelva sind zu einer Promenade mit zahlreichen Restaurants und Cafés geworden - sehr schön, um in maritimer Umgebung mit viel Flair etwas zu bummeln. Zumal mir der Wettergott ja einen regenfreien Abend mit etwas Abendrot spendiert.
Abendstimmung in dem zu einem Ausgehviertel umgewandelten früheren Hafenbereich "Nedre Elvehavn".
Aber wenn der Wettergott schon so gut ist, dann schlendere ich auch nochmal am Fähr- und Personenhafen direkt neben dem Bahnhof entlang, dem ich am Vormittag bei Dauerregen auch schon mal meine Aufwartung gemacht habe. Ein ganzer Strom an Menschen kommt mir dabei entgegen - eine ganze Kleinstadt ist gerade zu Besuch gekommen, in Form eines enormen Kreuzfahrtschiffes. Auch ein Schiff der Hurtigroute ist auch gerade da - die ja immer noch in großem Maß für den Personen- und Warenverkehr an der norwegischen Küste sorgen. Kein Wunder, dass es dabei einen geballten Menschenstrom in das Stadtzentrum gibt.
Die "Polarlys" ("Polarlicht") der Hurtigroute ist gerade zu Besuch am Anleger in Trondheim - auf ihrem Weg nach Norden.
Zeitgleich mit der "Polarlys" ist auch das Kreuzfahrtschiff "Emerald Princess" am Anleger - eine 3.100-Einwohner-Kleinstadt zu
Besuch in Trondheim.
Solche Fotos mit den Schiffstauen sind bei mir, besserem Wissen zum Trotz, immer wieder beliebt - aber bitte nicht nachmachen: Reißende Schiffstaue haben schon so manches Menschenleben gekostet...
Jetzt allerdings, es ist mittlerweile gegen 22:30 Uhr, ist es hier am Hafen nahezu völlig menschenleer. Ich habe meine Freude an dem schönen, späten, nordischen Licht und dem Wolkenspiel. Ein schöner Moment an einem schönen Ort.
Am zweiten Tag, als ich mich immer wieder mal über sonnige Abschnitte freuen darf, muss ich mal etwas raus aus der Stadt! Als ich im Stadtteil Skansen bin, laufe ich einfach mal nach Westen weiter - und komme in ein hügeliges Waldgebiet. Ohne weiter genau zu wissen, wohin ich eigentlich laufe, folge ich einfach mal meiner Intuition. Das klappt in Städten meistens gut - und hier auch.
Ich laufe vom Ufer aus wohl auf dem Killingdalstien (den ich trotz des bedrohlichen Namens souverän überlebe) und dann auf dem Driftsvegen nahe des Våttakammen (ein kleiner Gipfel, von dem ich leider auch nichts weiß) und staune eigentlich, wie fix ich das Gefühl habe, die Stadt komplett hinter mir gelassen zu haben. So sieht wohl gute Naherholung aus. Und im Winter sicherlich Naherholung in Form von Skilaufen. Hin und wieder stoße ich auf ein paar Richtungsschilder, die mir aber nicht helfen, da ich die Zielorte gar nicht kenne. Auf der Strandlinja geht es dann zurück in Richtung Skansen und Innenstadt
Unterwegs im Waldgebiet auf dem "Killingdalstien" am westlichen Stadtrand von Trondheim.
Immer wieder tun sich bei meinem Spaziergang im Waldgebiet schöne Ausblicke auf - hier über das Stadtzentrum von Trondheim hinaus.
Immer wieder ziehen am heutigen Tag dichte Wolken auf, auch hier, als ich auf der "Strandlinja" unterwegs bin.
Nein, eine richtige Wanderung ist das hier ganz und gar nicht - nur ein netter Spaziergang durch den Wald. Der allerdings spendiert ab und zu einige schöne Durchblicke über den Trondheimfjord und auf die Stadt.
Und eigentlich ist ja Natur die ganz große Stärke von Norwegen - und weniger die Städte. Und so habe ich hier in Trondheim immerhin ein wenig Natur kennengelernt...
Nicht kennengelernt habe ich allerdings, der ich ja eigentlich ein großer Fahrradliebhaber bin, hier in Trondheim eine absolute Besonderheit für die Radfahrenden in der Stadt. Kurz hinter der historischen alten Stadtbrücke, der "Gamle Bybrua", geht es ziemlich steil bergauf: 18 Prozent durchschnittliche Steigung über eine Länge von 130 m.
Für Radfahrer eigentlich nur zu bewältigen, wenn man sehr gut trainiert ist - und das Rad einen Spielraum an bergfähigen Gängen bietet. Um den Radlern in Trondheim etwas auf die Sprünge zu helfen, hat man an dieser "Rampe" einen Fahrradlift entwickelt und gebaut - die (Achtung: Superlativ!) erste und derzeit einzige Konstruktion dieser Art auf der Welt.
Da geht's hinauf mit dem Trondheimer Fahrradlift, wenn er funktioniert und wenn man denn will: Die Straße "Brubakken" direkt hinter der "Gamle Bubro".
Natürlich schaue ich mir dieses Konstrukt mal aus der Nähe an. Direkt am Rande des Gehsteigs läuft mit einem Zugseilsystem auf Anforderung an der Basisstation eine Fußplatte bergauf, auf die man als Radler dann seinen rechten Fuß setzt. Das stelle ich mir von der Koordination gar nicht so einfach vor - man muss sein Fahrrad schon gut im Griff haben, die Körper-beherrschung sollte stimmen und auch der Kantstein direkt an dem Lift ist verblüffend hoch und verführt so sicherlich bei mangelnder Umsicht zu Stürzen...
Denn, aus den komplexen Anleitungen vor Ort geht hervor, dass das gesamte System eine recht anspruchsvolle Haltung voraussetzt: Das Fahrrad 10 cm vom Kantstein entfernt, der linke Fuß auf der linken Fahrradpedale, die natürlich in unterer Position sein muss, dabei muss das gesamt Körpergewicht über dem Lift lagern, bei dem der rechte Fuß nach hinten durchgestreckt auf der Metallplatte liegt, dabei muss das rechte Bein selbstverständlich ebenso durchstreckt sein und der Körper mit Körperspannung nach vorne über das Rad ragen. Erst, wenn diese Position eingenommen ist, sollte man ein ganzes Stück hinter sich auf den "Start"-Knopf drücken... Nun - sollten Sie jetzt an Ihre letzte Pflicht- oder auch Kürübung im Bodenturnen denken (vielleicht zu Schulzeiten bei den Bundesjugendspielen?), dann liegen Sie wahrscheinlich gar nicht soo falsch.
Die Schiene des Fahrradlifts. Unten gerade noch zu ahnen die Metallplatte, auf die die Radler sich dann stellen.
Ein Teil der Anleitung für den Fahrradlift. Etwas Körperbeherrschung sollte man schon mitbringen.
Immerhin ist das Ganze kostenlos (mittlerweile - das ist anfänglich nicht so gewesen). Und: es gibt so eine Art "Übungsmodus", bei dem eine besonders langsame Fahrt bergauf passiert - umso länger muss man dann ja aber auf dem einen Fuß neben dem Kantstein balancieren und die Turnerhaltung durchhalten. Eine ganze Weile schleiche ich möglichst unauffällig in der Umgebung um den Fahrradlift herum - ich möchte diese Höllenmaschine mit ihren Kunstturnern so gerne einmal in Betrieb sehen, ohne direkt meine Zuschauerrolle vorab preiszugeben.
Es gelingt mir nicht! Vereinzelt sehe ich Leute, die Ihre Räder dort lieber bergauf schieben. Tja...
Aber ich bin ja nicht nur Fahrradfreund, sondern auch ein Liebhaber des Fußballsports. Sind mir da nicht im Zug nach Trondheim diese ganzen Trikotträger mit der Werbung aufgefallen, die nur den ganz, ganz großen Vereinen vorbehalten ist? Das hatte natürlich einen Grund!
Und der ist mir nicht bekannt, als ich nach Trondheim reise, denn: Der ganz, ganz große Fußball interessiert mich bestenfalls am Rande!
Und ganz, ganz großer Vereins-Fußball soll hier heute, am Tag meiner Anreise, passieren. In Trondheim! Erst, als ich an meinem ersten Abend durch den Regen von Trondheim laufe, fällt mir auf, dass an nahezu allen Laternenmasten große Fahnen hängen, die auf dieses Ereignis hinweisen: "UEFA Supercup Trondheim 2016". Eigentlich ist alles voll mit Hinweisen auf dieses Ereignis - die Stadt ist sicht- und fühlbar stolz hierauf. Das sicherlich hochkarätigste Fußballspiel, dass es jemals in Trondheim, wohl jemals in Norwegen, gegeben hat.
In der zentralen Straße "Olav Tryggvasons gate" ist am Abend des großen Spiels jeder, aber wirklich jeder Lichtmast mit einer solchen Fahne versehen - der europäische Supercup im Vereinsfußball findet hier heute statt. Mit zwei spanischen Mannschaften. Selten war ein Spielort wohl neutraler ausgewählt.
Wo es mehr Platz gibt, hängt man gerne auch große Plakate auf, um auf das Ereignis UEFA Supercup 2016 hinzuweisen. Ganz offenkundig ist die Stadt stolz, dies hier austragen zu dürfen.
Der Supercup der UEFA: Dort treffen die beiden Sieger der beiden europäischen Vereinswettbewerbe aufeinander, um sozusagen den "Super-Sieger" auszuspielen. Es trifft also der Sieger der "UEFA Champions League" (der Cup der Meister und Spitzenvereine) auf den Sieger der "UEFA Europa League" (der Cup nicht zu den Spitzenvereinen zählenden Mannschaften in Europa).
In diesem Jahr bedeutet dies, dass mit Real Madrid, dem Sieger der Champions League, und dem FC Sevilla, dem Sieger der Europa League, zwei Mannschaften aus Spanien aufeinander. Und das in Mittelnorwegen, in Trondheim. Also wirklich - wie absurd ist denn das eigentlich?
Das erklärt jedenfalls, warum ich heute in dem Zug nach Trondheim so viele Leute mit Fußball-Trikots gesehen habe - der Schriftzug darauf ist in Spanien allein dem Verein Real Madrid vorbehalten. Da sind also Schlachtenbummler zu diesem Event unterwegs gewesen - und das so ruhig und friedlich, wie es wohl nur in Norwegen sein kann.
Und der Umstand erklärt wohl auch, warum ich in den Folgetagen an allen Ecken und Enden in der Stadt spanische Wortfetzen aufschnappe: Tausende Fans werden sich aus Spanien aufgemacht haben, um dieses Spiel zu sehen. Eigentlich ja ökologischer Unsinn! Nun ist es ja so, dass so ein Spielort für ein Endspiel festgelegt wird, lange Zeit bevor die Paarung fest steht. Aber doch: 10.000 Menschen aus Spanien nach Trondheim zu transportieren, damit sie sich dort ein Spiel zweier spanischer Mannschaften anschauen können, ist doch wirklich Blödsinn!
Nun gut - es hat bei dem Spiel wohl auch einen Sieger gegeben. Ganz interessant aber: Auf dem Youtube-Kanal der UEFA kann man sich auch heute noch die kleine, ein paar Minuten dauernde "Eröffnungsfeier" vor dem Spiel anschauen. Besonders eindrücklich finde ich dabei ja bei Großaufnahmen - den Regen, wie er auf die Protagonisten prasselt. Genau das ist genau der gleiche Regen, durch den ich am ersten Abend durch die Stadt spaziert bin...
Doch all den Wetterunbilden zum Trotz: Trondheim gefällt mir gut!
Mein erster Eindruck, dass diese Stadt mir eigentlich nur gefallen kann - er stimmt. Es gibt so viele, so schöne Ecken in der Stadt und eine insgesamt schöne Lage, dass man sich eigentlich nur verlieben kann in diese Stadt.
Die ganz großen, aufregenden Sensationen und spektakuläre Sehenswürdigkeiten findet man hier eher nicht. Und doch staune ich selber ein wenig beim Schreiben dieses Reiseberichts, wie viel ich dann doch erwähnenswert finde.
Es gibt gewisse Indizien dafür, dass es in Trondheim auch mal sonnig und warm sein kann (z.B. einige Außengastronomie) - dann wird es ein wirklich "hyggeliger", ein wirklich gemütlicher Ort sein, hier, mitten in Norwegen. Und, seien wir doch mal ehrlich: Das Wetter ist doch nur eine Frage der richtigen Kleidung...
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