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Marienborn, Deutsch-deutscher Grenzkontrollpunkt auf DDR-Seite. Es ist Samstagmorgen, ich sitze in einem Minizug, um in die DDR einzureisen. Neben mir liegt ein ganzer Stapel der letzten Ausgaben des ROBIN WOOD-Magazins - von mir auf der "Zoll- und Devisenerklärung" für die Einreise mit "19 Zeitschriften" deklariert.
Nachdem die Abfertigung durch den Grenzkontrolleur äußerst freundlich abgewickelt war (Anmerkung 2009: Es hatte sich ein geradezu kumpelhaftes Gespräch entsponnen, woher ich denn käme, was ich denn so mache, wo ich denn hin wolle... Jahre später begehrte ich Einsicht in meine Stasi-Akte, und siehe da: Nichts von meinen ganzen Kontakten zu Oppositionellen der DDR tauchte dort auf, sondern einzig und allein nur die knappen Auskünfte, die ich diesem Grenzer an diesem Morgen dort machte), naht der Zoll - in Form einer uniformierten weiblichen Person. Schon der erste Eindruck zeigt: korrekt vom Zeh bis zu den Haarspitzen. Und natürlich kommt die Frage: "Darf ich die Zeitschriften einmal sehen?!" Aber selbstverständlich darf die verkörperte Autorität dieses. Nach ein wenig lustlosem Geblättere eine weitere gestrenge Frage "Wollen Sie das verteilen? Oder was?" Während ich anmerke, dass mein Bekannter in der DDR sich für den Umweltschutz interessiere, passiert es: die Zollperson entdeckt ein Magazin mit der Aufschrift "Schönberg - Abort der Deutschen". Das zuvor eher gelangweilte Getue ändert sich schlagartig: während der Artikel aufgeschlagen wird, setzt sie sich auf einen freien Platz und, tatsächlich, sie fängt an zu lesen! Aber nur eine Weile, denn solche Zeitschriften müssen den Vorgesetzten auch noch vorgeführt werden, draußen, auf dem Bahnsteig.
Kurz darauf erscheinen nun auch mehrere uniformierte Herren auf dem Bahnsteig, intensiv in ROBIN WOOD-Magazinen blätternd. Mehr amüsiert als verärgert beobachte ich das Treiben. Schade, dass ich dies nicht mit einer Kamera festhalten kann! Prompt wird auch der Artikel "Schadstoffe in der DDR" entdeckt. Ich ahne, dass meine Chancen, die Hefte mitnehmen zu dürfen, drastisch sinken. Und es kommt, wie es kommen musste: die Zollfrau verkündet mir im Zug das Urteil des halböffentlich tagenden Gremiums. Man werde die Hefte zunächst einbehalten, zur Überprüfung. Also erhalte ich von der "Zollverwaltung der DDR, Bezirksverwaltung Magdeburg, Grenzzollamt Marienborn/ Eisenbahn" eine Hinterlegungs-bescheinigung. Zugegeben, ich war sehr dankbar, dass die Grenzautorität der DDR darauf auch noch handschriftlich vermerkt hatte: "ohne Gebühren". Eine kurze Erklärung folgt: wenn die Hefte akzeptiert würden, dann würde mein Bekannter sie erhalten; andernfalls würden sie an mich zurückgesandt.
Letzteres passierte dann auch, natürlich! Nach zwei Wochen bekomme ich ein Paket aus Marienborn mit meinen unversehrten Magazinen. Statt eines Kommentars über die Unerwünschtheit von ROBIN WOOD in der DDR liegen als Füllmaterial im Paket mehrere Ausgaben der DDR-Zeitschrift "Dynamo Sport" von 1987, Schlagzeile "Dynamo-Bruderbund weiter gefestigt". Weiter hinten, unter einem Foto eines Sportwettkampfes: "Gute Leistungen gab es beim Handgranatenweitzielwurf der Frauen..." So etwas liest man von offizieller Seite in der DDR eben immer noch lieber... (Anmerkung 2009: Ja, wo ist denn die Sportart "Handgranatenzielweitwurf" eigentlich abgeblieben nach der Wende?)
(Der Text wurde so veröffentlicht im "ROBIN WOOD-Magazin" Nr. 20/1.89)
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