Reisebericht Halbinsel Snæfellsnes:
  "Island im Kleinformat" - Ein Tagesausflug
   zur Halbinsel Snæfellsnes

Reisebericht über eine Tour von Reykjavík um die Halbinsel Snæfellsnes im Westen von Island im Juni 2018
   mit insgesamt 41 Bildern




Snaefellsnes, Berg Kirkjufell

Der Kirkjufell - eines der Highlights einer Rundfahrt auf der isländischen Halbinsel Snæfellsnes.

 

 

Mit dem Kleinbus von Reykjavík zur Halbinsel Snæfellsnes

Morgens um neun geht's los, direkt neben der Hallgrimmskirkja im Zentrum von Reykjavík - ein für mich komfortabel kurzer Weg. Es ist, wie könnte es anders sei, ein kühler, trüber, feuchter Morgen in Reykjavík. Schon vor meiner Reise nach Island habe ich diese Tour, einen ganztägigen Ausflug, gebucht. Mit dem Bus soll es zur Halbinsel Snæfellsnes gehen und dort wird es eine Rundtour geben. Es heißt, dass man dort "Island im Kleinformat" besichtigen kann: Die Halbinsel habe vieles von dem zu bieten, was das gesamte Naturphänomen der Insel Island ausmacht. Wörtlich übersetzt bedeutet "Snæfellsnes" inetwa "Schneeberghalbinsel".

Es gibt in Reykjavík zahlreiche Anbieter für solche Tagestouren - und, wie ich erst vor Ort registriere, gibt es überhaupt keine Notwendigkeit, diese Touren unbedingt im Vorhinein zu buchen. Das Angebot ist groß, viele Touren werden mehrfach in der Woche oder gar täglich angeboten. Für so eine Tagestour nach Snæfellsnes muss man 2018 mit Kosten von rund 100 Euro rechnen (wobei sich der Preis bei Vorab-Buchung bzw. Vor-Ort-Buchung nicht sonderlich unterscheidet). Solche Ausflugstouren sind in Reykjavík bestens organisiert, auch bei meiner Tour klappt alles insgesamt völlig problemlos. Zentrale Bushaltestellen will die Stadt Reykjavík im Stadtzentrum nicht mehr dulden, drum gibt es einige "Pick up-Punkte" rund ums Stadtzentrum. Man sucht sich "seinen Punkt" bei der Buchung aus - und dann ist am Tag der Tour Pünktlichkeit gefragt. Denn selbstverständlich wird man pünktlich zur angegebenen Zeit am ausgemachten Ort "aufgepickt".

Mein Einsammelpunkt neben der Hallgrimmskirkja scheint ein beliebter Pick-Up-Punkt zu sein - natürlich, er liegt ja sehr zentral: Einige Leute warten hier und es kommt und geht um diese Zeit ein Bus nach dem anderen. Man sollte also schon aufpassen, um den richtigen Bus des gebuchten Veranstalters für die richtige Tour ausfindig zu machen. Obwohl ich es nicht so gebucht habe, werde ich von einem Minibus eingesammelt (Minibus-Touren sind oft etwas teurer, als Touren in großen Bussen). Man geht in den Bus, nennt seinen Namen und damit ist alles an Formalitäten erledigt, wenn man denn im richtigen Bus gelandet ist.

Da ich als allererster in den Bus steige, habe ich nicht nur die freie Platzwahl, sondern bekomme dann auch noch eine flotte Stadtrundfahrt durch Reykjavík geboten - zu den anderen Pick-Up-Punkten. Insgesamt fahren rund ein Dutzend Personen mit auf dieser Tour. Alles ist überschaubar, Ein- und Ausstiege auf der Tour gehen zügig vonstatten.

Busfahrer Pétur könnte schon allein äußerlich wohl nicht im Geringsten leugnen, dass er Nachfahre der Wikinger ist - ein Isländer, wie aus dem Bilderbuch. Er plaudert nicht gerade wie ein Wasserfall, erzählt aber während der Fahrt immer wieder einiges Wissenswertes über Island im Allgemeinen und zu Snæfellsnes im Speziellen.

Als er ein paar Worte zu den anstehenden Stationen der Tour verliert, stockt mir der Atem dann allerdings doch: Unter anderem geht es zu einer Besichtigung der Herstellung von fermentiertem Hai - eine der ganz besonderen Spezialitäten der isländischen Küche. Mit Kostprobe! Ach, du lieber Himmel! Fermentierter Hai! Entsetzt fange ich umgehend an, mir Gedanken über Ausreden zu machen, warum ich diese Spezialität dann vor Ort doch NICHT probieren möchte. Vielleicht könnte ich ja vorgeben, Vegetarier zu sein? Irgendwas wird mir schon einfallen! Gute Güte - fermentierter Hai... Schluck...

Von Reykjavík aus braucht es rund eineinhalb Stunden, bis man die die südöstlichste Ecke der Halbinsel Snæfellsnes erreicht. Die Tour bietet schon einige Möglichkeiten, sich mit der isländischen Landschaft an der Westküste etwas vertraut zu machen.

Snaefellsnes, Fjord Hvalfjoður

Düsteres Wetter beim Blick über den Fjord Hvalfjoður mit dem Berg Eyrarfjall.

In der 2.000 Einwohner-Stadt Borgarnes, dem sogenannten Zentrum Westislands, wird erstmal eine Viertelstunde lang eine "Versorgungs-pause" an einer Raststätte gemacht. Da ich selber gerade keine besondere Versorgung benötige, nutze ich die Zeit, um mal ein wenig in die Runde zu schauen. Der Blick über den Fjord Borgarfjörður und auf die gegenüberliegenden vulkanischen Berge mit den höchsten Gipfeln Heiðarhorn (1.053 m hoch und Hafnarfjall (844 m) ist wunderschön!

Snaefellsnes, Berge am Borgarfjöður

Blick von Borgarnes über den Fjord zu den markanten Bergen bis über 1.000 m Höhe.

Kurz hinter Borgarnes verlassen wir dann die bisher befahrene Ringstraße 1 und biegen nach links ab auf die Straße Nr. 54 - den "Snæfellsnes-vegur". Eine ganze Zeitlang schließt sich eine Art Sightseeingstour in einer für meine norddeutschen Augen doch sehr ungewöhnlichen Landschaft mit einer sehr flachen, grünen und zunächst oft landwirtschaftlich genutzten Ebene (wie ich es ja von daheim gut kenne), aus der hier dann allerdings sehr schroff schwarze Berge heraus ragen. An denen kriecht Moos langsam und offenkundig mühsam hinauf. Je weiter es hinaus auf die Halbinsel geht, umso größere Strecken gehen durch ein "Hraun", ein Lavafeld. Diese sind zumeist von Moos bewachsen - und so schon gar nicht mehr ganz so ausgeprägt von dieser ebenso ursprünglichen und bizarren, unwirklichen Schroffheit nackter und kahler Lavafelder. Aber: Was für eine wilde, beeindruckende Landschaft, die hier gemütlich an mir vorbei gleitet!

Snaefellsnes, Snaefellsnesvegur

Auf dem "Snæfellsnesvegur", ein Stück hinter Borgarnes: Flache Landschaft mit einem abrupten Felsenzug.

Snaefellsnes, Rauðhalsahraun

Das "Rauðhálsahraun", ein typisches, küstennahes "Hraun" (also ein Lavafeld) auf Island: Ein weites, flaches Feld, mit Moos bewachsen.

 

(Keine) Robben am "Ytri Tunga"

Der nächste Stopp beeindruckt mich wenig: Es geht an den "Ytri Tunga" - einen Küsten- und Strandabschnitt. Als Hauptattraktion soll man hier Robben beobachten können. Nun - Robben und Seehunde habe ich an der Nordsee schon häufig gesehen, sie haben nun nicht unbedingt eine besondere Exotik für mich. Und außerdem sind sie hier an dem Küstenabschnitt gerade nicht Zuhause anzutreffen.

Snaefellsnes, Umgebung von Ytri Tunga

Die eigentlich wohl spektakuläre Umgebung des "Ytri Tunga" versinkt in den tief hängenden Wolken.

Die vor allem nichteuropäischen Mitfahrenden der Tour sind etwas enttäuscht, dass die Kraxelei über die grob- bis großsteinige Küste nicht mit einem Blick auf die Raubtiere der See belohnt wird. Ich bin auch etwas enttäuscht, vor allem aber, weil die sehr tief hängenden Wolken den von hier aus wohl sehr schönen Blick auf den Gletscher "Snæfellsjökull" und die umgebende Bergwelt verwehren.

Also geht's weiter. Immerhin sind wir schon drei Stunden unterwegs und so langsam könnte es auch mal einen echten Höhepunkt geben, denke ich. Die wilde, isländische Landschaft aus dem Bus zu betrachten ist ja allerdings sehr schön und eindrucksvoll. Und diese Zeit gibt mir ja auch Gelegenheit, weiter an meiner Strategie für eine Ausrede für das Fermentierte-Hai-Essen zu feilen - nochmals in Buchstaben: Fermentierter Hai! Du liebe Güte! Wie heißt es doch so schön: Eine schlechte Ausrede ist ja immer noch besser, als eine gute Entschuldigung - aber so etwas ist eigentlich ganz und gar nicht mein Stil...

 

Küstenabschnitt "Ströndin zwischen Stapa und Hellnar"

Mein Wunsch nach einer besonderen Sehenswürdigkeit wird dann umgehend, das heißt gute 20 Minuten später, erfüllt: An dem Küstenabschnitt "Ströndin". Mit etwas dürren Worten setzt der Busfahrer uns an dem kleinen Hafen im winzigen Dorf Arnarstapi ab und meint, wir sollten an der Küste mal bis zu der Brücke dort hinten entlang gehen und dann zurück kommen - er würde hier warten. In einer Stunde geht's weiter.

Snaefellsnes, Hafen Arnarstapi

Der kleine Atlantik-Hafen von Arnarstapi.

Nun - eine Stunde hier ist mir hier dann doch fast zu knapp! Denn der Küstenabschnitt mit seinen markanten Basalt- und Lava-Formationen ist völlig zu Recht ein Touristenmagnet. Bei der spektakulären Küste bringt es Spaß, mit der Kamera einwenig zu spielen und immer wieder neue Perspektiven zu suchen. Ich laufe ein ganzes Stück weiter, als uns empfohlen worden ist und kann mich der besonderen Schönheit dieses Ortes nicht entziehen. Ein traumhafter Ort von rauer Schönheit! Toll!

Snaefellsnes, Basaltgestein an der Küste

Die Kraft des Meereswassers hat an dem Basalt-Gestein der Küste zahlreiche markante und spektakuläre Formationen erzeugt - beliebt bei Menschen für Fotos und bei Vögeln zur Brut.

Snaefellsnes, Küstenzug Strönin

Blick entlang eines Teils des unter Naturschutz stehenden Küstenabschnitts "Ströndin við Stapa og Hellan", übersetzt: "Der Strand von Stapa und Hellan".

Natürlich lässt sich auf einer solchen Rundtour nicht wirklich viel mehr Zeit für einen solchen besonderen Ort aufbringen - aber er hätte nach meinem Gefühl mehr Zeit verdient. Schade auch, dass das Licht hier zu dieser Mittagszeit ganz besonders trübe ist. Kaum vorstellbar, wenn hier noch die Sonne scheinen würde und die Landschaft zum Strahlen bringen würde...

 

Der schwarze Strand "Djúpalónssandur"

Auch der nächste Stopp ist mir zu kurz: Eine knappe halbe Stunde Pause am Djúpalónssandur, einem enormen, schwarzen Lavastrand. Der Guide Pétur wird nicht müde, uns vor der Gefährlichkeit der gewaltigen Wellen am Strand zu warnen. Dort könnten auch mal unerwartet hohe und lang auslaufende Wellen auftauchen! Vorsicht, Vorsicht!

Strände gibt es in Island ja nicht so wahnsinnig viele, und das hier ist bei der tosenden Brandung auch alles andere, als ein klassischer Badestrand. Wobei: Baden die Isländer eigentlich überhaupt im Meer? Ja, sie tun es, selbst im Winter - wie ich bei meinem Winteraufenthalt in Reykjavík vor sieben Jahren ja lernen konnte. Dort war einer der zahlreichen "Hot Pods" allerdings direkt in der Nähe: Man badet im eisigen Wasser und springt dann direkt in den Hot Pod.

Strand Djúpalónssandur

Blick auf den schwarzen Strand "Djúpalónssandur" mit seiner enormen Brandung.

Aber der Strand zieht mich gar nicht so sehr in den Bann. Auch nicht die wenigen, immer noch auf dem Strand liegenden, rostigen Wrackteile des englischen Trawlers "Epine", der bereits 1948 hier gestrandet ist - wie einer großen Infotafel zu entnehmen ist. Offenbar hat es bis heute niemand als nötig erachtet, die Teile zu entfernen. Nun sind die Wrackteile des Schiffes mittlerweile eine Art Kulturgut geworden, auf die man extra hinweist.

Es sind eher die teilweise geradezu wahnwitzigen Lava-Formationen rund um den Strand, die mich faszinieren und hellauf begeistern. Es ist schon erstaunlich, was Lava und Meer hier für Gestalten zustande gebracht haben! Einige "Lavasäulen" ragen 15, 20, vielleicht 30 Meter steil in die Höhe. Einige sind schwarz, einige rostrot - beeindruckend sind sie alle. Ein völlig anderer Küstenabschnitt, als noch vor einer halben Stunde. Toll!

Snaefellsnes, Lavaskulpturen Djúpalónssandur

Überall am Strand findet man Lavagestein in zum Teil skurrilen Formen- meist in braun-roter, "rostiger" Farbe.

Nicht gänzlich unmöglich erscheint mir beim Betrachten dieser Säulen aber auch, dass es sich tatsächlich um erstarrte Trolle handelt, die versehentlich in das Tageslicht gerieten und dann erstarrt sind. Denn: Wer sich hier umschaut, kann ja wohl kaum den geringsten Zweifel an der Existenz dieser Wesen aus dem "unsichtbaren Volk" Islands haben!

 

An die Nordküste der Halbinsel Snæfellsnes

Nach dem spektakulären Strand geht es erstmal mit dem Bus weiter. Die Südküste von Snæfellsnes ist damit sozusagen abgefrühstückt. Der Bogen um die Spitze der Halbinsel führt an unendlich scheinenden Lavafeldern entlang, zumeist mit Moos bewachsen. Es geschieht jedoch erstaunliches: Der Himmel an der nördlichen Seite präsentiert sich aufgelockerter, als an der Südseite. Hin und wieder erwischen uns ein paar Sonnenstrahlen - und man kann anstelle des einheitlichem Grau mal Wolkenformationen erkennen. Und diese hängen auch nicht so tief.

Snaefellsnes, Lavafeld Neshraun

Auf dem Weg an den Nordrand der Halbinsel Snæfellsnes geht es am riesigen Lavafeld "Neshraun" entlang, das weitgehend mit Moos überwachsen ist.

Irgendwo mitten in diesen enormen Lavafeldern passieren wir unvermittelt ein enormes Bauwerk: Einen riesigen Gittermast, hunderte Meter hoch. Nanu - was ist das? Pétur sagt weiter nichts dazu... Später, in Reykjavík, suche ich ein wenig im Internet, und siehe da: Wir haben dort gerade das höchste Bauwerk nicht nur von Island, sondern von ganz Westeuropa passiert! 412 m hoch ist der Mast, der zum Langwellensender Gufuskálar in Helissandur gehört. Ein Langwellensender, der tatsächlich noch in Betrieb ist. Wohl nur noch die Älteren unter uns können sich womöglich daran erinnern, dass Radios früher einmal noch einen Frequenzbereich "Langwelle" zum Radioempfang enthielten. Und es sind mittlerweile wohl nur noch rund 10 Langwellensender für den allgemeinen Radio-Empfang weltweit in Betrieb - und dieser hier ist einer davon. Wenn Sie noch über ein altes Radio verfügen, dann können Sie in einer Winternacht ja mal versuchen, auf 189 kHz den isländischen Rundfunk zu empfangen. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich! Falls Ihnen das gelingt, dann wissen Sie, dass die Radiowellen gerade direkt von einem Lavafeld am äußersten Ende der Halbinsel Snæfellsnes zu Ihnen kommt...

Da die Wolken nicht mehr so tief hängen, schiebt Pétur noch einen kurzen Extra-Stopp auf einem Parkplatz in der Nähe des 160-Einwohner-Dorfes Rif ein - von dort haben wir mal einen, nun ja, etwas schemenhaften Blick auf den Vulkan-Gletscher Snæfellsjökull. Immerhin! Die Firnfelder an den Bergen hier beginnen in etwa 100 m Höhe über dem Meer, das war mir auch zuvor schon aufgefallen. Aber besonders beeindruckt bin ich von der Aussicht nicht wirklich: Der Gletscher verschwindet dann doch irgendwo in den massiven Wolken.

Snaefellsnes, Ingjaldsholskirkja

Einsam und allein, irgendwo im Nirgendwo, ein ganzes Stück entfernt vom Dorf Rif, steht die Kirche "Ingjaldshólskirkja" neben dem Friedhof. Sie ist die älteste Steinkirche des Landes.

Als wir kurz danach durch Ólafsvík kommen, ist das dann allerdings schon etwas ganz Besonderes: Eine Stadt! Bis auf einzelne, kleine Dörfer sind wir seit Stunden nicht durch eine Stadt gekommen. Nun, daheim wäre Ólafsvík auch nur ein Dorf, aber mit seinen rund 1.000 Einwohnern ist das hier ganz anders. Besonders die moderne Kirche ist hier ein echter Hingucker, hier in der isländischen Provinz!

Olafsvík, Arbeitseinsatz Schüler

Ein Bild, dass man im Sommer im ganzen Land immer wieder so sieht, wie hier am Rand der Stadt Ólafsvík: Schülerinnen und Schüler verrichten Arbeiten im öffentlichen Raum. Das hat eine lange Tradition: Anstatt zu chillen, beteiligen sich die jungen Leute in den Sommerferien daran, das Land in Ordnung zu halten. Dies würde eine besondere Verbindung zum Land herstellen - meint Tourenleiter Pétur.
Gut vorstellbar!

 

An "Kirkjufell" und "Kirkjufellsfoss"

Um die Berühmtheit des nächsten ausgiebigen Stopps bin ich mir gar nicht weiter bewusst, aber glücklicherweise klärt Pétur darüber auf: Der vulkanische Berg "Kirkjufell" ("Kirchberg"). Wie ich höre, spielt er ein der Fernsehserie "Game of Thrones" eine besondere Rolle. Mir ist diese Serie völlig unbekannt - aber dieser seltsam steile, runde 463 m hohe Berg mit gerundeter Kuppe ist auch ohne solchen Hintergrund großartig und beeindruckend. Wie ich später lese, ist der markante Berg ein "Nunatak" - ein mir bisher völlig unbekanntes, schönes grönländisches Wort für einen Berg, der aus einer Eismasse herausragt. Das tat der "Kirkjufell" wohl während der Eiszeit, wodurch seine schöne Form dann geschliffen wurde. Was für ein faszinierender Berg!

Kirkjufell

Majestätisch erhebt sich der markante "Kikjufell" aus der Umgebung.

Zusammen mit dem direkt daneben liegenden kleinen, 16 m hohen Wasserfall "Kirkjufellsfoss" ist das hier wieder eine sehr pittoreske Szenerie - gerade jetzt sogar auch im Sonnenschein. Ganz schön viele Leute genießen das gerade hier. Verständlich!

Nicht verpassen sollte man allerdings einen Blick in die Runde: Die gesamte Umgebung mit dem vielen Wasser am Fjord "Grundarfjörður", mit all den schroffen, kahlen vulkanischen Bergen und ihren Firnfeldern, die Stadt ebenfalls mit Namen "Grundarfjörður" ein paar hundert Meter entfernt am See. Die Umgebung ist einfach fantastisch! Und so etwas von typisch isländisch!

 

"Bjarnarhöfn": Eine isländische Delikatesse - fermentierter Hai

Nun - es geht mit dem Bus weiter durch diese unwirkliche isländische Küstenlandschaft. Derzeit oft im Sonnenschein, was die ganze Szenerie umso großartiger macht. Und die zuweilen wilden Wolken über allem tun ein Übriges. Ich bin begeistert!

Dem tut auch die Nachricht nicht geringsten Abbruch, als mir einfällt, dass ja auch gerade die Fußball-Weltmeisterschaft läuft. Ein Blick aufs Handy zeigt zunächst einmal, dass man in Island immerhin auch mitten im Hraun einen verblüffend guten Empfang hat. Zum anderen zeigt mir das Handy, dass die deutsche Nationalmannschaft vor kurzem durch eine Niederlage gegen Südkorea aus dem Turnier ausgeschieden ist - und damit dem isländischen Team nach dessen Niederlage am gestrigen Abend folgt... Aber das ist mir gerade völlig Wurscht, denn ich erlebe hier sowieso etwas viel besseres.

Gerade geht es durch eine so kahle, karge Vulkanlandschaft, durch ein offenkundig recht junges Lavafeld (also ein "Hraun"), das noch weitgehend ohne Moosbewuchs ist. Diese Gegend erinnert mich stark an die Kargheit der Lavafelder von Lanzarote.

Snaefellsnes, Vulkanlandschaft

Eine gewaltige, karge Lava- und Vulkanlandschaft: Der "Berserkjahraun" - über dieses "Berserker-Lavafeld" existiert seit dem 13. Jahrhundert eine der Islandsagen.

Als Pétur dann von der Hauptstraße links abbiegt, ahne ich, dass es jetzt wirklich ernst wird... Und, in der Tat: Es geht nach "Bjarnarhöfn"- zum Hai! Das Ganze gleicht einer netten, kleinen Verkaufsveranstaltung in einem Gebäude, das wohl nur pro forma "Hai-Museum" genannt wird. Die Handvoll junger Leute irgendwo hier im isländischen Nirgendwo, die das jetzt präsentieren, sind alles andere, als trainierte Verkäufer. Eher zurückhaltend und vor Schüchternheit leicht errötend geben sie sich angesichts der Gruppe aus verschiedenen Flecken der Erde. Isländische Zurückhaltung, eben.

Zunächst lasse ich mich von einem der ausgestellten Hai-Gebisse in den Bann schlagen. Es schaudert mich: Wer will von einer solchen Masse an Widerhaken schon gebissen werden? Nun denn - es gibt einen kurzen Vortrag. Ich lerne, das dies hier der einzige Ort in Island (und damit wohl auf der ganzen Welt) ist, bei dem dieser Vorgang des Fermentierens von Haifleisch durchgeführt wird. Es wird niemals, niemals ein Hai extra hierfür gefangen, alle Tiere seien als Beifang ins Netz gegangen (traurig genug). Das Fleisch der Tiere sei erst genießbar, wenn es ein halbes Jahr fermentiert ist - vorher enthält es ein spezielles Gift, eine Art Frostschutzmittel, das erst durch den Prozess der Fermentierung zerstört würde. Speziell sei die Haut der Kaltwasserhaie - die könnten wir uns gerne draußen an den Trockenständen anschauen.

Ja, das würde ich auch am liebsten jetzt tun - sofort! Aber statt dessen folgt das Unausweichliche: Die Einladung, den "Hákarl", so heißt der fermentierte Hai (andere nennen ihn "Gammelhai") auf Isländisch, zu probieren. Etliche nicht allzu große Bröckchen hat man bereitgelegt, dazu einige Stücke dunkles Brot und Gläser für das Wasser. Zum Nachspülen.

Die Stunde der Wahrheit! Schnell merke ich: ALLE aus der Gruppe sind... nun ja: Zurückhaltend! Zögerlich! Aber es ist natürlich auch eine Frage der Höflichkeit, jetzt hier nicht einfach wegzurennen. Also erlebe ich mich selber, wie ich dann, fast wie ferngesteuert, als zweiter aus der Gruppe,  doch mal zulange. Aller mühsam zurechtgelegten Ausreden zum Trotz: Ein Stück Hai, ein Stück Brot, bitte! Die jungen Isländer beobachten neugierig, wie sich die Fremdlinge an ihre Delikatesse annähern - und freuen sich darüber.

Ich erlebe eine Überraschung: Der Geschmack ist viel milder, als der Geruch im Raum es vermuten lässt, und die Konsistenz fast cremig. Das gemeinsame Essen mit dem Brot mildert den Geschmack weiter ab. Ich finde das durchaus angenehm! Das "Nachspülen" brauche ich nicht, das würde den Geschmack ja gleich wieder wegspülen. Statt dessen greife ich gleich lieber noch einmal zu, diesmal bitte ohne Brot, für den "echten Geschmack". Als die vielen "Zögernden" der Gruppe dann wahrnehmen, dass es nicht nur mir nach mehr gelüstet, lockern sich viele dann doch und die meisten probieren.

Bjarnarhöfn, fermentierter Hai

Der Verkaufstresen - im Angebot: Handliche Stücke "Hákarl", also fermentierter Kaltwasserhai, zu erschwinglichen Preisen, direkt vom einzigen Hersteller auf der Erde.

Nach einem dritten Stück wende ich mich durchaus ernsthaft interessiert dem verblüffend winzigen Verkaufstisch zu. Einige in Plastikfolie vakuumverpackte Stücke fermentierter Hai warten dort auf Käufer, etwa in der Größe eines kleinen Käsestücks an der heimischen Käsetheke. Nur eben etwas teurer. Ein dünnes Stück, knapp von der Größe meines Handtellers, kostet umgerechnet rund sechs Euro. Vor sieben Jahren hatte ich mir aus Reykjavík Stockfisch mit nach Hause genommen, aber das hier ist doch ein noch tolleres, exotischeres Mitbringsel! Als ich zufrieden zu meinem Portemonnaie greifen will, fällt mir noch die Beschriftung auf: "Keep frozen". Hm - wie soll das denn gehen? Noch fast drei weitere Wochen bin ich auf Reisen - da kann ich den Hai ja gar nicht gekühlt halten.

Eine Weile plaudere ich mit dem schüchternen jungen Mann darüber, dass das schwierig ist - und er gibt mir den Tipp, dass es auf dem internationalen Flughafen Keflavík auch den fermentierten Hai aus Bjarnarhöfn zu kaufen gäbe. Dort könnte ich mich dann vor dem Rückflug mit "Hákarl" versorgen. Und, in der Tat: Als ich drei Wochen später in Keflavík auf meinen Flug nach Hamburg warte, gehe ich auf die Suche nach dem Hákarl, finde ihn auch in einer Ecke - allerdings zu einem drei- bis vierfachen Preis. Und leider hat sich in der Zwischenzeit der verführerisch milde Geschmack in meinem Mund verflüchtigt - also lasse ich den teuren Hai in Keflavík dann doch liegen...

Bjarnarhöfn, Hai bei der Fermentierung

Von strengem Geruch begleitet, kann man direkt neben dem Museum die an einem Gerüst in der Luft hängenden, fermentierenden und frei zugänglichen Haistücke besichtigen. Interessant die mit ganz vielen kleinen spitzen Stacheln besetzte Haut der Haie.

Keine Frage: Das hier ist durchaus etwas Besonderes! Das leichte Schaudern bei der Ankündigung ist fast irritierend schnell verschwunden, als ich denn erstmal vor Ort bin.

 

Der "Selvallafoss": Wasserfall in Mondlandschaft

Aus der grünen Umgebung des Hai-Museums geht es dann wieder durch das endlos erscheinende "Berserkjahraun" - ein gigantisches Lavafeld. Auch, wenn ein solcher Anblick für mich mittlerweile nicht mehr so neu und sensationell und umwerfend ist, wie bei meinem ersten Aufenthalt auf Island: Beeindruckt bin ich doch immer und immer wieder von dieser wilden, sehr ursprünglichen Landschaft (die so vor 4.000 Jahren entstanden ist). Im heimischen Norddeutschland sind solche Landschaften ja nun völlig fremd.

Pétur meint nach 20 Minuten Fahrt, wir seien ja richtig gut in der Zeit, da sei noch ein kurzer Stopp an einem Wasserfall möglich - dem Wasserfall "Selvallafoss", dem "Schafs-Wasserfall". Als ich den Blick nach dem Stopp schweifen lasse, erinnern mich die zahlreichen kegelförmigen Vulkanberge wieder sehr stark an die Landschaft auf Lanzarote. Der Unterschied hier, auf Island: Es ist überall Wasser! Und wir sind ja auch auf dem Weg zu einem Wasserfall. Wasser ist in Island allgegenwärtig.

Berserkjahraun, Berge und Krater

Das könnte auch auf Lanzarote sein, denke ich bei mir: Krater und vulkanische Kegel im Lavafeld "Berserkjahraun". Rechts, der rote Berg, trägt schönen Namen "Gráakúla".

Der allgemein gar nicht weiter bekannte Wasserfall selber ist dann gar nicht soo riesig eindrucksvoll - aber in der rauen Umgebung ist der Stopp noch ein nettes Schmankerl. Man kann sich ihm aber bis direkt an das Wasser nähern, wer will kann auch hinter ihn kraxeln. Dann ist die enorme Energie des herabstürzenden Wassers eindrucksvoll zu spüren. Es sind selbst bei diesem "kleinen" Wasserfall einige Badewannen voll Wasser pro Sekunde, die hier neben mir zu Boden donnern.

Wasserfall Selvallafoss

19 Meter geht's für das Wasser hier am Wasserfall "Selvallafoss" hinab. Man kann auch hinter den Wasserfall gehen.

Besonders wird der Stopp aber auch und gerade durch die grandiose, spektakuläre Umgebung.

 

Zurück nach Reykjavík

Irgendwo im Nirgendwo, in erstaunlich gering spektakulärer Umgebung, gibt es noch einen "Versorgungsstopp" an einem der in Island vorhandenen Rasthöfe.

Dann geht's zurück nach Reykjavík. Die Fahrt dauert ab hier rund zwei Stunden. Gelegenheit, die isländische Landschaft noch etwas an sich vorbeiziehen zu lassen. Glücklicherweise sind die Sitze des Kleinbusses bequem, sonst wäre mein Sitzfleisch langsam verbraucht...

Der nordisch-kühle, stoische Pétur erlebt am Stadtrand von Reykjavík dann auch noch einen Moment, der ihn geradezu emotional überkochen lässt. Plötzlich ruft er überraschend laut und fast aus dem Häuschen ins Mikro: "Look! There on the left - there are cyclists!" In der Tat: Rund 100 Rennradfahrer kommen uns auf der gegenüberliegenden Spur entgegen, von Polizei begleitet und beschützt. Und, in der Tat: Radfahrer sind in Island noch immer etwas sehr exotisches! Da verliert selbst der routinierte Busfahrer fast die Fassung. Für ihn war das wohl die Sensation des Tages.

Bei aller Sympathie für Rennradfahrer, speziell in Island: Für mich sind allerdings eher die eingesammelten Eindrücke des Tages auf der 453 km langen Runde die Sensation. Auch, wenn ich vieles nur durch Glas gesehen habe: Die insgesamt fast elfstündige Tour hat sich gelohnt! Es heißt, die Halbinsel Snæfellsnes sei wie "Island im Kleinformat". Und, in der Tat: Man sieht vieles, was typisch für Island ist: Schroffe Berge vulkanischen Ursprungs, charakteristische Vulkankegel, Gletscher, bizarre Basaltformationen, Wasserfälle... Alles da, was Island so ausmacht - nur halt zumeist etwas kleiner, als sonst, weit verteilt im Land. Und mit einer Besonderheit, die es weltweit nur hier gibt: Hákarl, den fermentierten Hai.

Reykjavík, Solfar

Als ich nach dem vielen Sitzen in dem Bus den Abend noch mit einem Spaziergang in Reykjavík ausklingen lasse, gibt es, nüchtern betrachtet, fast die größte Sensation des Tages: Die Statue Sólfar - zeitweilig ohne irgendwelche Poser! Diese Chance gibt es wohl nur, wenn man spät in der Nacht hier unterwegs ist - wie ich hier um 23:20 Uhr.

 

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